Mona Stevens hilft dabei, dass sich Flag Football in Deutschland weiterentwickelt, dazu gehört sie zum Expertenteam bei RTL. Wir haben mit ihr über die Anfänge der Saarland LadyCanes, Flag Football bei Olympia, die Liebesgeschichte von Taylor Swift und Travis Kelce sowie ihre Titelfavoriten gesprochen.
Mona Stevens, wie sind Sie zum American Football gekommen?
Mona Stevens: Vor etwa zwölf Jahren bin ich durch meinen Job als Physiotherapeutin bei einer Männer-Football-Mannschaft gelandet. Den Sport kannte ich eigentlich gar nicht. Das Team habe ich die Saison über begleitet und war immer mehr fasziniert von dieser Sportart. An Ende des Jahres wurde ich dann einmal zu einem Spaß-Training eingeladen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich gesagt habe: 'Ich will auch spielen. Wir brauchen eine Frauenmannschaft.' Und dann bin ich zum Vorstand der Saarland Hurricanes gegangen.
Wie haben die reagiert?
Damals herrschte noch die Überzeugung, dass Frauen nicht auf das Football-Feld gehören, höchstens als Wasserträger. Das musste ich zu der Zeit erstmal so hinnehmen und habe dann weitere Frauen gesucht. Am Ende hatten wir 100 Frauen zusammen. Ich bin dann wieder zurück zum Vorstand und habe denen gesagt, dass wir jetzt genug seien. Wir haben sogar Trainer gefunden, wir haben Teammanager gefunden, wir haben alles organisiert. Wir brauchten nur das 'Go' und durften dann letztendlich anfangen. Damit ging alles los mit den Saarland LadyCanes.
Interessant, dass Sie nach dem Wasserträger-Spruch drangeblieben sind. Gab es damals einige Vorbehalte zu überwinden?
Absolut. Ich bin aber jemand, der sich nicht auf dieses Negative fokussiert. Ich habe stattdessen gesagt, dass ich so viel tun werde, dass sie gar nicht anders können. Die Mannschaft besteht bis heute und ist ein riesiger Teil des Vereins. Ich habe einfach nicht aufgeben und mir meinen Traum nehmen lassen wollen.
Sie spielen mit der Mannschaft inzwischen in der ersten Bundesliga. Wie läuft es denn aktuell?
Aufgrund meiner Verletzung bei einem Länderspiel vor der Saison haben wir einen großen Ausfall auf der Quarterback-Position zu verzeichnen. Das macht im Frauenbereich einen sehr großen Unterschied. Wir haben generell sehr viel Verletzungspech und sind sehr dezimiert in diese Saison gegangen. Und deshalb kämpfen wir gerade darum, erstmal durchzuhalten, die Saison zu überstehen und das Ganze langsam wieder aufzubauen, alle Verletzten wieder zurückzubekommen, um dann wieder neu angreifen zu können.
Die Hüfte ausgekugelt und die Hüftpfanne gebrochen
Wie lange dauert es bei Ihnen mit der Verletzung?
Das ist leider unklar, weil ich mich schwerer verletzt habe. Ich habe mir die Hüfte ausgekugelt und die Hüftpfanne gebrochen. Deshalb ist es ein bisschen komplizierter, und wir müssen abwarten, wie der Heilungsverlauf aussieht. Ich gehe aber davon aus, dass es nächstes Jahr weitergeht.
Was macht die Faszination Football für Sie aus, dass Sie so durchgestartet sind?
Ich stehe auf dem Feld und kann meinen ganzen Alltag einfach komplett vergessen. Die Kombination aus Taktik, Technik, den spezifischen Spielzügen und Analysen, die man auf der Quarterback-Position binnen Sekunden machen muss, macht einfach unsagbar viel Spaß und fordert mich enorm. Dazu sind wir so viele unterschiedliche Menschen im Team, die aber auf dem Feld als Einheit fungieren. Ich komme nicht mehr davon weg. Und ich glaube, dass es vielen anderen Football-Fans da draußen genauso geht.
Wie hart geht es beim Frauen-Football denn zu?
Bei den Frauen läuft es grundsätzlich mit ein bisschen weniger Geschwindigkeit ab. Wir haben Tackles, es ist alles sehr technisch. Deshalb geht es hart zu. Es ist so, als ob man jedes Wochenende einen Autounfall hätte. Die Einschläge sind aber nicht so krass wie bei den Männern. Verletzungsmäßig ist es nicht anders als beim Handball oder beim Fußball auch. Wir haben Kreuzbandrisse, Bänderrisse, Muskelverletzungen oder Prellungen. Aber das hält sich im Rahmen.
Sie spielen nicht nur Kontakt-Football, sondern auch Flag Football. Was macht mehr Spaß?
Das ist gemein. Eigentlich möchte ich diese Frage gar nicht beantworten. Ich liebe beides. Es macht mir beides sehr, sehr viel Spaß. Der Fun-Faktor ist beim Flag Football aber ein bisschen größer.
Warum?
Dadurch, dass die Kollisionen entfallen, ist noch mehr Athletik gefragt und das Spiel gewinnt schneller an Action. Das erhöht den Spaßfaktor wesentlich.
Wie ist das mit Ihrer Aufgabe als Quarterback? Wie verändert die sich von Kontakt- zu Flag Football?
Beim Flag Football ist das Feld ein bisschen kleiner, es sind weniger Spieler da, aber man hat keine Offensive Line, die für einen blockt. Das heißt, man hat nicht so viel Zeit, das Feld zu scannen. Aber ich habe mich schnell umgewöhnt. Ich darf eine Mixposition spielen bei uns in der Nationalmannschaft, eine Kombination aus Wide Receiver und Quarterback. Das heißt, ich darf auch mal Routen laufen, darf aber auch viel den Ball werfen. Der größte Unterschied zum American Football ist im Prinzip der Zeitfaktor. Man muss ein bisschen flotter auf den Beinen sein. Also wie
Ich würde jetzt mal tippen, dass Tom Brady nicht Ihr Vorbild ist…
Das darf ich so nicht sagen, denn als ich angefangen habe, Football zu schauen, war ich fasziniert von Tom Brady. Auch von der Art und Weise, wie er spielte. Er ist einfach der beste Quarterback aller Zeiten. Da brauchen wir nicht zu diskutieren. Ich habe ihm sehr gerne zugeschaut, auch wie er seine Teams geführt hat, wie viel Energie er reinsteckt hat. Ich würde schon sagen, dass er ein Vorbild ist. Er ist einer der Quarterbacks, zu denen ich aufschaue.
Das große Vorbild: Patrick Mahomes
Und wem eifern Sie nach?
Patrick Mahomes. Er hat wieder einen anderen Spielstil. Er wirft Bälle aus sämtlichen Positionen, mit Körperdrehungen, manchmal blind in irgendwelche Ecken. Früher gab es diese statischen Quarterbacks, die Pocket Passer. Das Spiel hat sich aber weiterentwickelt, und auch meine Stärke ist es, dass ich schnell laufen und beides miteinander verbinden kann. Und das macht Patrick Mahomes sehr, sehr gut. Und deshalb schaue ich mir da viel ab.
Flag Football steht in Deutschland in den Startlöchern. Die Frauen haben EM-Bronze geholt. Dazu wird es 2028 olympisch. Spürt man schon einen kleinen Hype?
Ja, bei uns in der Liga auf jeden Fall. Seit diesem Jahr gibt es erstmalig eine reine Frauen-Flag-Football-Liga. Wir haben viele neue Teams und viele weitere sind im Aufbau. Der Hype ist seit ein, zwei Jahren deutlich zu spüren, die Sportart ist für alle da und wird immer breiter aufgestellt. Man spürt, wie sich diese Sportart weiterentwickelt.
Was muss passieren, damit das noch ein bisschen größer wird?
Man muss überlegen, auf welchem Level man es jetzt weiterentwickeln möchte. Es steckt überall in den Kinderschuhen, auch bei der Nationalmannschaft. Da kommen jetzt langsam Förderungen. Aber wir sind alle zu 100 Prozent berufstätig. Wir trainieren zusätzlich zu unseren ganz normalen Jobs morgens und abends und gehen dann noch zu den Camps der Nationalmannschaft. Die Sportler selbst werden aber noch nicht unterstützt. Und wenn man das mit anderen Olympioniken vergleicht: Die leben für den Sport, die sind größtenteils freigestellt. Es wäre zudem schön, wenn Flag Football auf Schulebene integriert werden könnte. Dass Vereine unterstützt werden, dass es Trainer- und Schiedsrichterausbildungen gibt. Dass man noch mehr Camps anbietet, dass man mehr Turniertage für Kinder und Jugendliche macht. Die Nachfrage ist da, im Moment kommt man mit der Organisation kaum hinterher.
Da wäre eine Olympia-Quali sehr hilfreich. Wie realistisch ist die?
Es ist noch nicht klar, wie viele Teams sich am Ende für Olympia qualifizieren werden. Man munkelt, dass es acht oder sogar nur sechs Teams sein werden. Die Männer sind amtierende Europameister, wir haben Bronze geholt. Wir fahren jetzt alle zusammen zur Weltmeisterschaft nach Finnland (25. bis 30. August, Anm.), um da mal die Weltrangliste abzuchecken. Die Top-3-Teams liegen sehr, sehr nah beieinander. Aber dadurch, dass der Qualifikationsmodus noch nicht bekannt ist, ist es noch sehr unklar, wie die Chancen stehen, sich zu qualifizieren. Aber es wird alles dafür getan, dass wir es schaffen, in Los Angeles dabei zu sein.
Für Sie wäre das der perfekte Abschluss der Karriere…
In dem Moment, als verkündet wurde, dass Flag Football olympisch wird, war für mich klar, dass es nur noch einen Weg gibt, und der führt geradewegs nach Los Angeles. Mein Leben wurde durch American Football sowieso komplett auf den Kopf gestellt. Und erst recht jetzt mit dieser Olympia-Chance, um mich weiterzuentwickeln, zu fokussieren, mein Leben danach auszurichten, dass wir uns mit Deutschland qualifizieren.
Flag Football soll keine Eintagsfliege bleiben
Sie waren bei Olympia in Paris, da wurde unter anderem mit dem NFL-Commissioner Roger Goodell über Flag Football 2028 gesprochen. Wie war das Feedback?
Grandios, denn die NFL will nicht, dass es nur eine Eintagsfliege bleibt, sie wollen den Sport weiter pushen, damit er über 2028 hinaus olympisch bleibt. Die Resonanz und das Feedback waren großartig, auch die Storylines, die dahinterstehen: Was Flag Football mit den Menschen macht und wie es Türen und Tore öffnet, auch für Frauen. Flag Football wurde in Paris auch den Menschen präsentiert und da gab es einen riesigen Andrang, die Kids sind zwei-, dreimal durch den Parcours, sie wollten sich immer wieder anstellen, es war zu jeder Zeit voll. Es wurde also sehr gut angenommen.
Leben kann man von dem Sport noch nicht. Wie weit ist das weg?
Sehr weit. Auch ich muss meine Miete bezahlen und mein Abendessen finanzieren. Da muss man das richtige Maß finden, wie viel man investieren kann, damit man seine sportliche Höchstleistung bringen kann. Immerhin ist es jetzt so, dass wir im Rahmen der Nationalmannschaft im Flag Football keine Eigenanteile mehr zu tragen haben. Wir müssen keine Reisekosten, keine Jerseys, keine Klamotten mehr bezahlen. Das wird jetzt alles unterstützt. Aber beruflich einen Schritt zurücktreten, um den Fokus mehr auf den Sport zu legen – davon sind wir noch weit entfernt.
Sie sind seit letztem Jahr auch als Expertin bei RTL. Gab es Vorurteile, die Sie widerlegen mussten?
Nein. Im sportlichen Bereich gibt es sehr viel Zuspruch von anderen Spielern. Grundsätzlich geht es im Football sehr familiär zu. So auch bei RTL im Team. Ich spiele in der Flag-Football-Nationalmannschaft und in der Tackle-Football-Nationalmannschaft. Ich weiß nicht, wie viele andere sich das so auf die Fahne schreiben können. Es gab nie eine Form von Respektlosigkeit. Es ist immer ein Miteinander, ein Wir, eine Familie.
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Wie lief das bei der NFL-Community?
Da rennt man immer offene Türen ein. Es gibt sehr viel Support, sehr viel positives Feedback. Man hat manchmal das Gefühl, dass man als Frau immer doppelt so viel leisten muss wie die Männer. Also dass man als Expertin seinen Standpunkt doppelt klar machen muss. Aber ich bin nie auf Widerstand oder Kritik gestoßen. Eigentlich immer nur auf Unterstützung und positive Worte, auf positives Feedback von der Community, die sich freut, dass der Sport wächst, dass wir den Sport nach vorne bringen, das Ganze repräsentieren.
Welche Geschichten der Offseason fanden Sie in den vergangenen Wochen am spannendsten?
Mich interessiert zum Beispiel, was Aaron Rodgers nach seiner Verletzung macht. Da werden viele Augen drauf gerichtet sein. Man hat Videos gesehen, wie er aufs Feld läuft, als wäre nichts gewesen. Das ist eine spannende Sache. Ich arbeite im Gesundheitswesen, deshalb interessiert mich sowas immer sehr. Weil so ein Comeback in der NFL nicht immer gewährleistet ist. Spannend wird es aber eigentlich fast bei allen Teams.
Swift und Kelce "ein sehr großer Gewinn für die Liga"
Die Liebesgeschichte von
Das ist ein sehr großer Gewinn für die Liga, weil es Türen und Tore öffnet, Menschen für diesen Sport zu begeistern. Taylor Swift hat im Moment ein enormes Standing, eine riesige Reichweite, sie begeistert Milliarden da draußen und lässt die Fans an ihrem privaten Glück teilhaben. Ich finde, dass es eine schöne Geschichte ist, weil es nicht zu sehr kommerzialisiert wird. Klar spielt die NFL das, ich glaube aber nicht, dass die Stimmung umschlägt. Denn das Schöne ist, dass alle Menschen, die ich kenne, die beim American Football gelandet sind, nie wieder davon weggekommen sind. Ich habe es noch nie bei einer Sportart in dem Maße erlebt, dass Menschen so loyal und begeistert sind und dem Sport über Jahre treu bleiben.
Wie viel Potenzial hat die NFL in Deutschland noch?
Sehr viel, denn ich habe das Gefühl, dass die Menschen wieder offener werden für andere Sportarten. Menschen dürsten danach, etwas Neues kennenzulernen. Und da ist die NFL ein faszinierendes Universum, denn es ist für alle etwas dabei, von Glamour und Glitzer bis hin zum Sport mit seinen Techniken und Statistiken. Das Feuerwerk der NFL ist begeisternd. Und deshalb ist der deutsche Markt noch lange nicht satt. Ich glaube, da haben wir noch nicht alle erreicht und deshalb denke ich, dass da noch sehr, sehr viel zu holen ist.
In dem Zusammenhang geht es natürlich vor allen Dingen auch um die Deutschen. Was können wir erwarten, allen voran von Amon-Ra St. Brown?
Wir brauchen deutsche Helden, die vorne mitspielen und es gibt neben Amon-Ra noch einige, die im International Pathway Program stecken. Für diese internationalen Spieler gibt es einen extra Platz im Kader, was die Chancen für die Deutschen nochmal erhöht. Da muss man den Roster Cut abwarten. Aber die Detroit Lions werden mit St. Brown ganz vorne dabei sein.
Wen haben Sie sonst noch auf der Rechnung?
Die Kansas City Chiefs, denn Patrick Mahomes und sein Gefolge werden sicherlich nicht enttäuschen. Auch die San Francisco 49ers wollen nochmal angreifen. Die haben da sehr viel aufgebaut. Und Detroit wird uns dieses Jahr überraschen. Und darüber freue ich mich sehr. Ich finde es einfach schön zu sehen, wie sie sich entwickelt haben und mit wie viel Leidenschaft sie kämpfen.
Über die Gesprächspartnerin:
- Mona Stevens ist Gründerin der Saarland LadyCanes, spielt für das Team aus der Bundesliga sowie auch für die Frauen-Nationalmannschaft (Kontakt- und Flag Football) als Quarterback. Sie ist Botschafterin der NFL für Flag Football und zudem Teil des Expertenteams von RTL.
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