Am 4. Dezember 2024 wird Anke Huber 50 Jahre alt. Im Interview spricht sie über Milchschnitte-Spots, Duelle mit Steffi Graf, die heutige Tennis-Generation, den Stellenwert des Tennis in Deutschland und warum sie nicht so viel Lust auf ihren Ehrentag hat.
Anke Huber, wer damals Ihre Karriere verfolgt hat, kam an der Milchschnitte nicht vorbei. Wie gefallen Ihnen die Werbespots heute?
Anke Huber: (lacht) Eigentlich kann einem das heute nicht mehr gefallen. Es ist eine andere Zeit gewesen. Ich war damals beim ersten Spot 16 Jahre alt. So sah er dann auch aus. Wenn man sich das heute anschaut, lacht man eher darüber oder sagt 'Oh Gott, was ist das?'. Aber für mich war der Deal mit Milchschnitte toll. Das war ein super Partner für mich. Und deshalb schaue ich positiv zurück.
Was hat Ihnen der Deal damals gebracht?
Der Bekanntheitsgrad ist nach oben geschossen. Mit Tennis war ich damals fast jeden Tag im Fernsehen. Durch den Werbe-Spot wurde es noch mal um einiges mehr. Und auch finanziell war es für damalige Verhältnisse sehr gut. Auch für heutige Verhältnisse. Die Preisgelder sind andere geworden. Aber die Werbeverträge waren schon damals sehr gut.
Hat das Milchschnitte-Image denn auch mal genervt?
Da ich relativ jung war, hat es mir wenig ausgemacht, dass ich schon mal scherzhaft Milchschnitte genannt wurde. Was genervt hat: Wenn ich überall angesprochen wurde, ob beim Essen oder auf der Straße. Gott sei Dank gab es damals noch kein Social Media, da bin ich echt froh drüber. Damals konnte ich mich doch eher verstecken.
Wie herausfordernd und anders war es damals, Profi zu werden und zu sein?
Es war eine andere Medienlandschaft. Jeden Tag kam irgendein Tennis-Match im Fernsehen, und das in den öffentlich-rechtlichen Kanälen. Heutzutage haben die Spielerinnen durch Social Media jeden Tag einen anderen Fokus. Das ist sehr kurzlebig geworden. Es ist inzwischen eine komplett andere Tenniswelt.
Wie sind Sie damit umgegangen, wenn Sie so in der Öffentlichkeit und unter Druck standen?
Teilweise nicht so gut. Das hat man auch gesehen. Mich hat es belastet, wenn ich die Ergebnisse nicht geliefert habe. Ich habe mich selbst auch wahnsinnig unter Druck gesetzt. Dann kamen die Medien dazu, außerdem waren da noch
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Sie hatten mit 16 in Filderstadt gegen Martina Navratilova gewonnen. Wie haben Sie den Erfolg damals wahrgenommen?
Eigentlich war ich viel zu jung, um richtig gut Tennis zu spielen oder da vorne zu stehen. Ich habe es anders wahrgenommen, habe mir wenig Gedanken gemacht. Ich wollte einfach spielen, besser werden, in der Weltrangliste weiter nach vorne kommen. Dass ich ein großes Turnier wie den Porsche Tennis Grand Prix gewonnen und Navratilova geschlagen habe, war schön, aber am nächsten Tag ging es weiter. Mit 16 war es vom Kopf her ganz anders. 16-Jährige waren damals anders als 16-Jährige heute, wenn ich das mit meinen Kindern vergleiche. Heutzutage sind die Kinder mit 15, 16 auf einem ganz anderen Level. Ich war mit 18, 19 wie eine 16-Jährige heute.
Sie haben damals auch einen Porsche gewonnen. Haben Sie bis 18 gewartet, bis Sie den selbst mal gefahren sind?
Nein, ich bin mit meinem Vater öfter mal auf dem Feldweg gefahren. Ich durfte dann auch auf den Fahrersitz. Das begleitete Fahren gab es damals ja noch nicht.
1994 haben Sie nochmal in Filderstadt gewonnen. Hat eines der Autos überlebt?
Das 911 Cabrio von '94 habe ich tatsächlich noch. Und der hat jetzt bald auch Oldtimer-Status. Ich fahre ihn hin und wieder, sonst steht er hauptsächlich in der Garage. Dennoch bin ich nach wie vor stolz, den Porsche damals gewonnen zu haben.
Rivalität, Respekt und verpasste Chancen im Duell mit Steffi Graf
Was Ihre Karriere geprägt hat, sind die Duelle mit Steffi Graf. Wie war Ihr Verhältnis damals?
Wenn wir uns gesehen haben, war das immer sehr freundlich und nett. Es war ein professioneller Kontakt. Wir waren auch mal zusammen auf einem Konzert oder essen, weil unsere Trainer sich sehr gut verstanden haben. Und wir haben auch miteinander trainiert. Aber es war nie so richtig freundschaftlich.
Ärgert es Sie rückblickend, dass Sie nie gegen sie gewonnen haben?
Natürlich ärgert mich das. Am meisten ärgert es mich aber, dass ich immer gezweifelt oder nie daran geglaubt habe, dass ich gegen sie gewinnen kann. Und dann auch immer, wenn es eng geworden ist, nicht die Leistung gebracht habe, weil einfach der Glaube nicht da war.
Warum war das so? Sie waren immerhin die Nummer vier der Weltrangliste…
Ja, aber ich bin im Schatten von Steffi groß geworden und habe hochgeschaut zu ihr. Sie war fünf Jahre älter und war von Anfang an ein Vorbild. Ich bin sowieso nicht mit dem größten Selbstvertrauen groß geworden. Und dann war das Thema Steffi für mich relativ schwierig. Gegen sie war es eine mentale Geschichte. Weil ich sicher zwei, drei Mal eine Chance hatte, zu gewinnen. Und dann war einfach der Glaube nicht da.
Legendär ist das Masters-Finale, es gilt als bestes Spiel Ihrer Karriere. Das haben Sie gegen Graf in fünf Sätzen verloren. Wie sind Ihre Erinnerungen daran?
Es war ein tolles Match, mit einer tollen Atmosphäre im Madison Square Garden. Best-of-Five gibt es heute ja gar nicht mehr. Da habe ich vielleicht noch am meisten daran geglaubt, dass ich gewinnen kann. Da war ich sehr gut drauf. Aber sie war am Ende einfach die Bessere. Dass muss ich ehrlich zugeben.
Tennisboom, Druck und verpasste Leichtigkeit
Sie standen zwar immer im Schatten von Graf und Becker, standen aber zu einer Zeit auf der Tennis-Bühne, als der Sport in Deutschland einen riesigen Boom erlebte. Welche Emotion überwiegt, wenn Sie zurückdenken?
Ganz klar die Dankbarkeit, dass ich den Boom miterleben durfte. Das war die schönste Tenniszeit in Deutschland. Ich wäre ungern in einer anderen Zeit groß geworden.
Haben Sie das denn genießen können?
Zu wenig.
Warum ist Ihnen das nicht gelungen?
Ich glaube, es hat mit dem Druck zu tun, auch mit dem Alter. Ich war sehr jung und habe viele Dinge anders wahrgenommen, wie ich es heute wahrscheinlich tun würde. Durch den extremen Druck war ich eigentlich immer auf 180 und habe versucht, Leistung zu bringen. Und dadurch habe ich das Genießen ein Stück weit vergessen.
Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde es eher als Job sehen und nicht als das Leben. Damals war es mein Leben. Es gab nichts Wichtigeres als Tennis. Heutzutage würde ich sagen, dass es ein Job ist. Den muss man so gut wie möglich machen und alles geben. Aber es gibt auch andere Dinge. Mit 24, 25 habe ich das dann auch anders gesehen. Aber wenn ich es früher so gesehen hätte, hätte ich manche Dinge etwas leichter genommen und es vielleicht auch besser genießen können.
Was war denn der für Sie größte Erfolg in Ihrer Karriere?
Das Grand-Slam-Finale 1996 in Australien oder auch das Masters-Finale 1995. Dazu die beiden Siege in Filderstadt. Natürlich hätte ich gerne ein Grand-Slam-Turnier gewonnen, ich würde lügen, wenn es nicht so wäre. Das ist aber leider nicht gelungen.
Wenn Sie das Damen-Tennis allgemein sehen: Wie hat es sich entwickelt? Man sagt ja oft: Früher war alles besser. War es das?
Jede Spielerin hat inzwischen einen großen Betreuerstab. Man erwischt sie selten noch alleine. Sie sind auch fast nur mit dem Team unterwegs. Wir sind früher auch mit anderen Spielerinnen zusammen essen gegangen. Was ich gut finde: Sie werden von der WTA viel besser auf die Tour vorbereitet. Wir sind da reingeschmissen worden. Das passiert heute nicht mehr. Und sie dürfen auch nicht mehr so früh auf der Tour spielen. Das ist auf alle Fälle ein Vorteil. Und sonst glaube ich, dass es den Spielerinnen heute noch mal besser geht. Wenn sie in den Top 50 sind, haben sie ausgesorgt. Deshalb ist es eine gute Entwicklung.
Drei Deutsche sind aktuell in den Top 100: Laura Siegemund auf Platz 82, Jule Niemeier auf 89 und Tatjana Maria auf 95. Was sind die Probleme hierzulande?
Ich glaube, dass es immer wieder so Phasen gibt. Wenn es gut läuft, zieht man sich auch gegenseitig hoch. Zu meiner Zeit waren bestimmt sechs, sieben Spielerinnen in den Top 100. Und davon auch drei, vier in den Top 20. Und dann kam nach unserer Zeit ein paar Jahre lang auch nichts. Ich denke, es dauert so zwei, drei Jahre, dann haben wir hoffentlich wieder Top-Spielerinnen. Im Moment ist hinten dran nicht so viel zu sehen. Aber ich hoffe, dass sich das bald ändert.
Was muss getan werden, damit sich das bessert?
Ich will keine Besserwisser-Antwort geben. Es wird viel getan, damit es sich bessert. Und es wurde auch viel Gutes gemacht, es läuft nicht alles schlecht. Wir haben in Deutschland allgemein ein Problem, was Sport angeht. Es ist schwer, in Deutschland Leistungssport zu machen, alleine schon aufgrund des Schulsystems. Im Tennis ist es noch schwieriger, weil man auch in den jungen Jahren ein ganzes Jahr unterwegs sein muss. Und wenn man ganz normal zur Schule gehen möchte, funktioniert das nicht. Also muss man auf eine Fernschule gehen und im Grunde alles riskieren. Ich glaube, dass wir zu kämpfen haben werden in den nächsten Jahren, wenn wir den Aufbau von unten und die Möglichkeiten nicht verbessern. Dass Leistungssport auch was zählt und nicht teilweise sogar belächelt wird.
Es hat sich generell sehr viel verändert. Sehgewohnheiten, die Möglichkeiten, aber auch die Menschen. Wie sehen Sie den Stellenwert des Tennissports in Deutschland?
Tennis ist immer noch ein großer Sport in Deutschland. Es spielen weiterhin sehr viele Menschen Tennis in den Vereinen. Deshalb glaube ich, dass Tennis immer noch einen sehr hohen Stellenwert hat. Mit Alexander Zverev haben wir einen absoluten Top-Spieler, dazu sind die Stadien voll. Auch beim Nachwuchs kommt genug nach, da hat Tennis noch kein großes Problem. Aber man muss aufpassen, dass es so bleibt.
So feiert Anke Huber die 50
Wenn Sie am 4. Dezember 50 werden: Haben Sie Respekt vor dem Tag?
Ein paar Freundinnen von mir sind gerade 50 geworden. Die sagen, ihnen geht es besser seitdem, weil sie jetzt wieder in den jungen 50ern sind. Ich war ja in den End-40ern. Jetzt bin ich wieder am Anfang von etwas. Ich bin mir noch nicht so sicher. Ich versuche, den Tag noch zu ignorieren und nicht so viel darüber nachzudenken. Ich feiere dieses Jahr nicht groß. Das werde ich nächstes Jahr tun.
Warum feiern Sie klein?
Ich bin nicht so in die Pötte gekommen, etwas Größeres zu machen. Denn etwas Größeres bedeutet dann auch viel Aufwand. Und in der Vorweihnachtszeit macht es nicht so viel Spaß, groß zu feiern. Ich habe es auf nächstes Frühjahr gelegt. Und dann wird es wahrscheinlich auch größer werden.
Wenn Sie dann zurückblicken: Welche Bilanz würden Sie ziehen, sportlich und privat?
Ich fühle mich gar nicht wie 50. Das ist das Schlimme. Aber ich kann mich nicht beklagen. Ich habe ein tolles Leben, einen spannenden Job. Ich habe zwei gesunde Kinder. Meiner Familie geht es gut. Ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen.
Zur Person
- Anke Huber feierte 1989 ihr Profidebüt. Ihr erstes WTA-Turnier gewann sie 1990, insgesamt holte sie auf der Tour zwölf Titel. Der Sieg bei einem Grand Slam blieb ihr hingegen verwehrt. 2001 beendete sie ihre Karriere. Heute ist sie dem Sport als Sportliche Leiterin des Porsche Tennis Grand Prix weiterhin verbunden.
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