Denise Herrmann-Wick hat ihre erfolgreiche Karriere als Langläuferin und Biathletin beendet. Im Interview mit unserer Redaktion spricht sie über die Gründe dafür, ihren Umgang mit Leistungsdruck und verrät ihre Pläne für die Zukunft.
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Denise Herrmann-Wick: Natürlich kann man sich etwas darauf vorbereiten, dass es das letzte Rennen ist und ich hatte auch eine Menge an Emotionen danach. Aber richtig realisieren werde ich es wohl erst, wenn die anderen Sportlerinnen und Sportler im Mai wieder loslegen und ich nicht dabei bin.
Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Karriere zu beenden, wo es doch sportlich mit Weltmeister-Titel und Sieg in der Sprint-Wertung noch richtig gut lief?
Ich habe mir schon die Frage gestellt, wann der richtige Zeitpunkt ist. Mein Olympiasieg im vergangenen Jahr war das große Ziel. Sonst versuche ich immer ein Ziel nach dem anderen zu verfolgen. Aber ich hatte auch immer die Heim-WM in Oberhof im Blick, wo ich schon im Langlauf Erfolge feiern konnte. Schöner und emotionaler als mit einer Biathlon-WM in Deutschland kann man nicht aufhören. Daher hat sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt nicht gestellt, denn für mich war immer wichtig, dass es sich rund anfühlt. Es waren die richtigen Orte für die Erfolge. Dass es so gut läuft bis zum Ende und ich dort mit der Weltspitze mithalten kann, hätte ich mir nicht erträumen lassen. Ich bin extrem froh, dass es bis zum letzten Tag so gut gepasst hat für mich.
Welche Rolle bei der Entscheidung für das Karriereende spielte die Vereinbarkeit von Familie und Profisport?
Definitiv ist das ein Thema. Einige Sportlerinnen bringen während ihrer Laufbahn Kinder auf die Welt und kommen dann wieder zurück. Das stelle ich mir sehr schwierig vor, denn ich will immer 110 Prozent geben, in den Dingen, die ich mache und keine Zwischenlösung. Daher war für mich klar, dass diese Themen nach der Karriere kommen. Aber es sind die Themen, die langfristig im Leben wichtig sind. Für Frauen ist das aber ein Stück weit schwerer zu entscheiden als für Männer. Für Männer gehen Familie und Profisport im Einklang, bei Frauen ist es eine größere Herausforderung.
Herrmann-Wick: "Druck ist Teil des Daseins als Leistungssportlerin"
Wie viel Leistungs- oder Erwartungsdruck haben Sie während Ihrer Laufbahn von außen verspürt oder konnten Sie das gut ausblenden?
Mit Sicherheit war das vorhanden, was aber in der heutigen Gesellschaft einfach dazugehört. Erfahrung hilft, damit umzugehen. Der größte Druck ist aber derjenige, den man sich selbst macht. Als Biathletin steht man in Deutschland unter großer Beobachtung und bekommt einige Aussagen mit, die gewissen Druck verursachen, aber das ist Teil des Daseins als Leistungssportlerin. Es braucht eine gute Lösungsstrategie, um im Wettkampf, trotz des Drucks, bestehen zu können.
Blicken wir auf Ihre Karriere zurück. Alles hat im Langlauf angefangen. Wie kamen Sie auf die Idee, dass Sie diese Sportart ausüben möchten, wo doch Deutschland nicht die Langlauf-Nation schlechthin ist?
Damals (Anfang der 2000er; Anm. d. Red.) gab es mit Tobias Angerer, Axel Teichmann, Claudia Nystad und Evi Sachenbacher-Stehle schon einige Aushängeschilder im deutschen Langlauf-Sport. Es gab also ein paar Vorbilder, aber ich komme aus dem Erzgebirge, dort ist Wintersport ohnehin ein großes Thema. Mein Vater hat Langlauf professionell betrieben und so startete ich in einer Jugendtrainingsgruppe mit Freunden. Mit der Zeit entwickelt sich das dann weiter, ich wollte unbedingt nach Oberwiesenthal auf die Sportschule. Natürlich träumte ich davon im Weltcup oder bei Olympia zu laufen, aber wie weit der Weg bis dorthin ist, ist einem im jugendlichen Alter noch gar nicht bewusst. Auch nicht wie viel Entbehrungen zu erbringen sind, die ich gerne erbracht habe, weil es mein großes Ziel war Profi zu werden. Rückblickend kann man also sagen, es braucht nur zwei Jahrzehnte gutes Training, um im professionellen Bereich anzukommen – sehr langatmig. (lacht)
"Die Herausforderung reizte mich mehr, als das Bestehende"
Sie konnten sich im Langlauf-Weltcup etablieren und auch große Erfolge feiern. Was reizte Sie dennoch 2016 zum Wechsel in Richtung Biathlon? Denn mit dem Schießen mussten Sie dort eine komplett neue Sache erlernen?
Ich war bereits 2012 beim Probeschießen vonseiten des Skiverbands dabei und hatte großen Spaß. Ich war schon immer Biathlon-Fan und fand die Sportart mit ihrem Mix faszinierend. Ich war auch nicht die erste Sportlerin, die diesen Wechsel vollzogen hat, wusste also, dass das klappen kann. Direkt nach dem Probetraining wollte ich noch nicht wechseln, da ich im Langlauf noch Ziele erreichen wollte. Aber der Gedanke hat mich nie ganz losgelassen und eines Tages dachte ich dann: 'Wenn du es jetzt nicht machst, dann machst du es nie.' Ich wollte nicht, dass ich es eines Tages bereue, nicht den Wechsel probiert zu haben. Denn die Herausforderung reizte mich viel mehr, als das Bestehende und die Gewissheit, dass ich im Langlauf in der Weltspitze dabei war. Ich wusste natürlich, dass es schwer wird, weil die deutsche Mannschaft zu diesem Zeitpunkt extrem gut besetzt war. Gleichzeitig waren es nur noch zwei Jahre bis Olympia, sodass ich wusste, dass es nur mit Vollgas funktionieren kann. Wenn man in einer Sportart schon einmal in der Weltspitze war, ist einem auch bewusst, wie viel Arbeit aufgebracht werden muss, um dort wieder hinzukommen.
Inwiefern hat der Skiverband Sie bei diesem Wechsel unterstützt?
Es wurde mir ein Umfeld geschaffen vom Skiverband mit Gerald Hönig (ehemaliger Frauen-Bundestrainer; Anm. d. Red.), der akribisch mit mir am Schießen gearbeitet hat. Dazu eine Trainingsgruppe in Ruhpolding, die mir gezeigt hat, wo die Spitze im Biathlon ist. Diese Kombination hat dafür gesorgt, dass ich so schnell in Richtung Weltcup-Team aufschließen konnte.
Hatten Sie Respekt davor, dass dieser Wechsel schiefgehen könnte?
Natürlich ist das im Hinterkopf mit dabei. Ich hatte die Stelle bei der Bundeswehr, denn so eine Entscheidung muss auch abgesichert werden, denn finanziell kann dies nicht alleine gestemmt werden. Es gibt extrem viele Unbekannte, keiner weiß, ob es in Richtung Weltspitze geht und wie lange das dauert. Mit viel Glauben an sich selbst und einem Umfeld, das für diese Herausforderung genauso brennt, kann es gelingen. Die Garantie, dass es klappt, kann dir keiner geben, sodass immer ein gewisses Risiko bleibt. Aber was ist schon ein Leben ohne Risiko?
Herrmann-Wick über Karriere: "Schöner, als ich es mir vorher jemals erträumt hätte"
Wenn Sie nun auf Ihre beiden Karrieren zurückblicken, welcher Moment bleibt Ihnen besonders hängen und gibt es auch eine Sache oder einen Moment, den Sie heute anders machen würden?
Meine Karriere war schöner, als ich es mir vorher jemals erträumen hätte können. Und bei den negativen Dingen ist es teilweise auch ganz gut, dass sie passiert sind. Die Herausforderung hierbei ist, was macht man daraus. Schlussendlich wächst man aus den negativen Dingen ein Stück mehr, als durch die positiven Dinge. Natürlich kann man viel dazu beitragen, wie die Karriere verläuft, aber zu 100 Prozent ist das einfach nicht möglich. Wenn ein Rennen richtig gut war, konnte ich das 'ganz klar' erleben. Viele berichten, dass sie während eines solchen Wettkampfes nichts merken. Ich habe das komplette Gegenteil erlebt, es hat sich alles einfach angefühlt. Und es ist schön, dass ich dieses Gefühl mehrmals erleben konnte und in mir verinnerlichen konnte, wie sich das anfühlt ein gutes Rennen zu laufen. Das ist für mich das Größte.
Wie sieht jetzt Ihr Leben nach dem Biathlon aus oder können Sie sich eine Rückkehr an die Strecke in irgendeiner Funktion vorstellen?
Zunächst stehen die "normalen Dinge" auf dem Programm, der Schreibtisch ist noch sehr voll. Irgendwann steht noch ein Urlaub auf dem Programm. Das Wichtigste in diesem Jahr ist die Familie, die in den vergangenen Jahren doch erheblich zurückstecken musste. Ich möchte einfach die Seele baumeln lassen. Der Hauptteil meines Lebens wird wahrscheinlich unabhängiger vom Sport sein, aber Wintersport wird immer eine Rolle spielen, auch wenn ich weitere Interessensfelder neben dem Sport habe. Aber natürlich kann ich mir irgendwann einmal vorstellen, dem Sport insgesamt, nicht als Trainerin, aber in irgendeiner Rolle, erhalten zu bleiben.
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