Razzia bei der Nordischen Ski-WM: Sieben Personen sind im Zuge einer Doping-Razzia festgenommen worden - fünf Sportler und zwei deutsche Sportmediziner in Erfurt. Es handele sich um einen Schlag gegen ein "weltweit agierendes Dopingnetzwerk".
Die "Operation Aderlass" hat Doping-Abgründe bei der Nordischen Ski-WM aufgedeckt und könnte auch noch andere Sportarten erfassen. Fahnder erwischten bei einer Razzia im WM-Ort Seefeld einen Langläufer kurz vor dem Wettkampf mit der Nadel im Arm, sieben Verdächtige wurden in Tirol und zwei in Erfurt festgenommen.
"Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen", sagte Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt am Mittwoch. Auslöser der neuen Ermittlungswelle waren die Enthüllungen des früheren Dopingsünders Johannes Dürr, einem österreichischen Langläufer.
Sportler auf frischer Tat ertappt
"Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat" zu ertappen, sagte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Innsbruck. Demnach sei der Sportler mit Bluttransfusion im Arm angetroffen und festgenommen worden.
Das ZDF erklärte, man werde trotz des Doping-Skandals weiter von den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften im österreichischen Seefeld berichten.
"Wir nutzen die Live-Berichterstattung, um auch über diese kriminellen Aspekte im Sportumfeld zu berichten. Ein Ausstieg aus der Berichterstattung hilft nicht weiter", teilte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann auf Anfrage der Deutsche Presse-Agentur mit.
Insgesamt wurden bei der "Zerschlagung eines weltweit agierenden Netzwerks" fünf Langläufer (zwei aus Österreich, zwei aus Estland sowie einer aus Kasachstan) und zwei weitere tatverdächtige Personen im WM-Ort in Tirol festgenommen, dazu in Erfurt ein deutscher Sportmediziner und ein weiterer Komplize aus Deutschland. Außerdem gab es 16 Hausdurchsuchungen.
Der Deutsche Skiverband war in die Razzien und Untersuchungen nicht involviert, wie ein DSV-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Es seien von den Untersuchungen weder deutsche Sportler, noch das Umfeld oder deutsche Mannschaftsärzte betroffen, teilte der DSV mit. Zuvor hatten die ARD-Dopingredaktion und die "Süddeutsche Zeitung" von den Razzien berichtet.
Am Morgen wurde rund um Seefeld bereits umfassend der Verkehr kontrolliert, einige Straßen wurden sogar gesperrt. Das Vorgehen des BKA war bis ins Detail geplant.
Grandler muss gehen
Der Präsident des Österreichischen Skiverbandes, Peter Schröcksnadel stellte nach einem Tag mit Doping-Razzien und sieben verhafteten Personen in Seefeld, darunter zwei Langläufer aus Österreich, auch den gesamten Spitzensportbereich der Langläufer in Frage.
Die Festnahmen des Bundeskriminalamtes haben "relativ zeitgleich" stattgefunden, hieß es. Kurz darauf folgten Vernehmungen.
Innerhalb von 48 Stunden müsse nun entschieden werden, ob die Athleten in Haft bleiben können. Wie das Bundeskriminalamt weiter mitteilte, wurden zudem in Erfurt ein deutscher Sportmediziner und ein mutmaßlicher Komplize festgenomme
Schröcksnadel hat außerdem erste personelle Konsequenzen aus dem Doping-Eklat bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld gezogen.
Markus Gandler werde seinen Posten als Sportlicher Leiter für Langlauf und Biathlon nur noch bis zum Ende des Winters ausüben, erklärte Schröcksnadel in einem ORF-Interview am Mittwochabend.
Gandler treffe persönlich zwar keine Schuld am neuerlichen Dopingskandal, es werde aber dennoch Konsequenzen geben, sagte der Funktionär.
Österreichs Langlauf-Koordinator Trond Nystad sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich hätte gedacht, dass sie trainieren und nicht, dass sie so einen Scheiß machen."
Darüber hinaus wird Österreich in der Männer-Staffel bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld am Freitag nicht vertreten sein.
Der ÖSV verfügt in Seefeld nur noch über drei erfahrene Langläufer sowie zwei in der Staffel wohl überforderte Nachwuchsathleten. In der Frauen-Staffel am Donnerstag ist der mit nur zwei Athletinnen nach Seefeld gekommene Verband ebenfalls nicht am Start.
Verdacht auf Eigenblutdoping
Neun der 16 Hausdurchsuchungs-Objekte hätten sich in Erfurt befunden, erklärte die Staatsanwaltschaft München I auf dpa-Anfrage. Die Ermittlungen hätten im Zusammenhang mit dem Verdacht des verbotenen Eigenblutdopings gestanden.
Ausgelöst worden sei das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I durch die Angaben von ÖSV-Läufer Dürr, der in der am 17. Januar 2019 ausgestrahlten ARD-Sendung "Die Gier nach Gold - Der Weg in die Dopingfalle" ausführlich Dopingpraktiken im modernen Leistungssport offengelegt hatte.
Das österreichische BKA schrieb in einer Mitteilung: "Im Rahmen von seit mehreren Monaten andauernden internationalen Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken" sei eine in Deutschland ansässige kriminelle Organisation um einen Sportmediziner ausgeforscht worden.
Namen wurden am Mittwoch weder in der Mitteilung noch bei der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Innsbruck genannt. Mehrere Athleten, die beim 15-Kilometer-Rennen in Seefeld auf der Startliste standen, liefen am Nachmittag nicht.
Das BKA bezeichnete das Vorgehen als "koordiniertes Einschreiten unter Beisein des deutschen Oberstaatsanwaltes".
Bei Olympia 2006 in Turin hatte die italienische Polizei eine Razzia bei Österreichs Langläufern und Biathleten durchgeführt. Diesmal wählten die Behörden den idealen Zeitpunkt und überführten einen der Verdächtigen unmittelbar vor dem Start in der sonnendurchfluteten Loipe von Seefeld.
Der österreichische Langläufer Luis Stadlober erinnerte an die Serie von Dopingfällen im ÖSV-Langlaufteam: "Wir haben so viel mitgemacht. 2006 war ich noch jung, dann 2014 mit Dürr, da war ich nicht vor Ort, aber jetzt ist es daheim passiert. Ich kann gar nicht sagen, wie scheiße das Gefühl ist."
Das österreichische Bundeskriminalamt hatte schon vor gut zwei Jahren bei der Biathlon-WM in Hochfilzen in den Teamunterkünften der kasachischen Nationalmannschaft eine Razzia durchgeführt.
Bei der nächtlichen Durchsuchung wurden damals zahlreiche medizinische Produkte und Medikamente sichergestellt. Grund war, dass im Januar 2017 eine Privatperson beobachtet hatte, wie die Insassen von mehreren Kleinbussen an einer Tankstelle in Osttirol einen größeren Karton entsorgten. (dpa/mc/szu)
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