Die Stiftung United Internet for UNICEF hat gemeinsam mit der UNICEF-Zentrale in New York, der Bill Gates Stiftung und dem Forschungsinstitut der Universität Kalifornien in San Diego (UCSD) ein Leuchtturmprojekt zur Beendigung von Kinderehen umgesetzt. Das gemeinsame Forschungsprojekt von 2017 bis 2020 ist die bisher größte Studie zu Ursachen und begünstigenden Faktoren von Kinderheirat.
Für über 650 Millionen Mädchen und junge Frauen entspricht eine Heirat vor ihrem 18. Geburtstag derzeit der Realität. Die Zahlen der letzten 25 Jahre haben gezeigt, dass obwohl die Armut zurückgegangen ist und die Grundschulbildung ausgebaut werden konnte, Kinderehen nur um weniger als 10 Prozent zurückgingen. Die Studie zeigt klar, dass nicht nur extreme Armut oder mangelnde Bildung zur Förderung der Kinderheirat beitragen.
Gemeinsam mit dem "Center on Gender Equity and Health" (GEH) der Universität in San Diego hat das Forschungsprojekt Ergebnisse geliefert, die herausstellen, wie vielschichtig die Thematik ist: Als wichtige Einflussfaktoren auf Kinderehen wurden die Entscheidungsträger, die Beziehung von Eltern zu ihren Kindern, soziale Normen sowie der Wohnort herausgearbeitet.
Mädchen in Entscheidungsprozess häufig nicht eingebunden
Eine Kernfrage der Studie war, wie es überhaupt zu Kinderehen kommt. Wie Mädchen und die jeweiligen Entscheidungsträger die „Verhandlungen“ über eine zu schließende Ehe beginnen, diese geführt und beschlossen werden.
Hierfür wurden in Äthiopien und Indien Interviews mit Mädchen und jungen Frauen im Alter von 13 bis 23 Jahren geführt, die entweder verheiratet wurden, bevor sie 18 waren oder deren frühe Heirat verschoben wurde. Zusätzlich interviewten die Forscher pro Fall bis zu drei Entscheidungsträger, die bei der Verheiratung der Mädchen eingebunden waren.
Die Ergebnisse zeigen klar, dass die Verhandlungen über eine Ehe meist von älteren, nicht zur Kern-Familie gehörenden Personen in Gang gesetzt und die Mädchen meist nicht beteiligt werden. Die Entscheidung selbst, die final meist von den Eltern, insbesondere dem Vater getroffen wird, ist tief kulturell verwurzelt und drückt den Wunsch aus, eine möglichst gute Partie für das Kind zu finden.
Es wird jedoch auch deutlich, dass insbesondere in der Verhandlungsphase Fürsprecher außerhalb des familiären oder kulturellen Bereichs den Mädchen dabei helfen können, die Heirat zu verschieben oder ganz zu verhindern. Dies können beispielsweise Lehrkräfte sein oder Mitarbeiter von UNICEF aus Präventionskursen für Kinderehen.
Geographische Lage beeinflusst Häufigkeit von Kinderheirat in Indien
In einem weiteren Aspekt des Forschungsprojektes wurden der Zusammenhang der Region, in der ein Kind in Indien aufwächst, und die Häufung von frühen Ehen untersucht. Dafür wertete die Universität Daten einer Gesundheitsumfrage der indischen Regierung sowie eine Volkszählung aus, die 636 Distrikte in ganz Indien repräsentieren.
Die Unterschiede zwischen den Distrikten variieren dabei erheblich: Es zeigen sich deutliche „Hot Spots“ oder „Cold Spots“, beispielsweise in Grenzregionen zu Nachbarländern oder anderen Distrikten. So befinden sich beispielsweise an der Grenze zu China eindeutige Cold Spots, mit weniger Kinderehen, in den Grenzregionen zu Nepal deutliche Hot Spots.
Zudem verzeichnen Distrikte, deren Mädchen und Frauen in einem hohen Maß Zeitungen oder Handy nutzen, eine deutlich geringere Rate an Kinderehen.
Langfristige und nachhaltige Lösungen für ein komplexes Problem
Die umfangreiche Studie macht deutlich, dass ein noch tieferes Verständnis über die verschiedenen Entscheidungsgründe, wie sie genau zu Kinderehen führen, in die Arbeit und Programme der verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) einfließen muss. Dafür hat das Forschungsprojekt umfangreiche Handlungsempfehlungen erstellt, die in die weltweite Programmarbeit von UNICEF und andere NGOs integriert werden können.
Girls not Brides, die größte Organisation weltweit, die sich gegen Kinderehen einsetzt, hat bereits angekündigt, die Ergebnisse in ihrer künftigen Arbeit zu verwenden und in den Präventions- und Hilfsprogrammen umzusetzen.
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