- Kürzere Zeremonie, kleinere Gästeliste: Die Krönung von Charles III. am 6. Mai 2023 soll sich erheblich von der seiner Mutter 70 Jahre zuvor unterscheiden.
- Unsere Redaktion hat RTL-Adelsxeperte Michael Begasse befragt, ob diese Entscheidung richtig ist oder ob eine Inthronisierung mit weniger Pomp und Gloria für die Royal Family zum Boomerang werden könnte.
"Thy choicest gifts in store on him be pleased to pour." (deutsch: "Mit deinen erlesensten Gaben geruhe ihn zu überschütten.") – Dieser Satz stammt aus "God Save the King" und ist somit Bestandteil der Nationalhymne des Vereinigten Königreichs.
Schenkt man den britischen Medien Glauben, dann könnte die "Coronation", die Krönung von
Adelsexperte Begasse: "Die 'Soft Power' bleibt nicht auf der Strecke"
Doch wie passt diese Heroisierung zu dem eingeleiteten Sparkurs des neuen Königs? In den vergangenen Tagen wurde in England übereinstimmend berichtet, dass die Feierlichkeiten am 6. Mai 2023 deutlich verschlankt daherkommen sollen. So stellte der "Telegraph" seine Leserinnen und Leser auf eine "einfachere, kürzere und diversere Zeremonie" ein. Die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher kaum sein: Während die einen diesen Weg als richtiges, modernes Zeichen in einer von steigenden Lebenskosten geprägten Zeit loben, kritisieren die anderen die Pläne des Königshauses.
Der Historiker Andrew Roberts etwa erklärte gegenüber der "Daily Mail", dass die Royal Family mit einer weniger prunkvollen Krönung die Gelegenheit verpassen könnte, "die Menschen und die Nation auf einer globalen Bühne zu präsentieren".
Damit spielte Roberts auf die sogenannte "Soft Power" an. Diese "weiche Macht" nutzen insbesondere die heutigen Monarchien und deren gekrönte Häupter, um ihre fehlende politische Macht auszugleichen – auf Grundlage ihrer Weltanschauung und kultureller Attraktivität, die auch mit großen Inszenierungen und jubelnden Menschenmassen in die Welt hinausgetragen wird.
Als gute Beispiele gelten etwa die Militärparade "Trooping the Colour" oder das "Platinum Jubilee" im vergangenen Juni anlässlich des 70. Thronjubiläums der Queen. Auf diese Weise gelang es der Royal Family in der Vergangenheit immer wieder, positive Zeichen zu setzen und ein nahbares, menschliches Gesicht zu zeigen.
Setzt Charles tatsächlich diese bewährte "Soft Power" aufs Spiel, wenn er auf eine Krönung im großen Stil verzichtet? Wir haben
Der neue "Viertelkönig": Darum werden die royalen Fans nichts vermissen
In diesem Zusammenhang sei Charles aus Sicht Begasses der neue "Viertelkönig", da seine Krönungszeremonie nur etwa ein Viertel so groß wie die seiner Mutter ausfallen werde. In Zahlen: Rund 8.000 Gäste wohnten 1953 der pompösen Inthronisierung der Queen in der Westminster Abbey bei. 70 Jahre später werden "nur" etwa 2.000 geladene Personen bei Charles' Krönung dabei sein. Statt eines drei- bis vierstündigen Zeremoniells wird man sich im Mai 2023 wohl auf eine Stunde beschränken.
Eine Gefahr, dass die britischen Royals durch diese Reduzierungsmaßnahmen die Gunst des Volkes verlieren könnten, sieht der Adelsexperte derweil nicht. Im Gegenteil: "Dieses eine Viertel, was Dreiviertel an Geld einspart, wird glamourös, pompös und königlich zugleich sein. Es wird so mit Familien- und PR-Power gefüllt, dass die Menschen nichts vermissen werden." Der 6. Mai 2023 werde als weiteres Jahrhundertereignis, als Freudenfest in die Geschichte eingehen. "Ich bin mir sicher, dass wir ähnlich viele Menschen auf der Straße sehen werden wie bei der Beisetzung der Queen", blickt er voraus.
Die goldene Kutsche ist für den neuen König gesetzt
Laut Begasse muss der König "die richtige Balance finden". Auf der einen Seite sei die Monarchie seit über 1000 Jahren dafür bekannt, mit Pomp und Gloria samt goldener Kutsche Inthronisierungen zu feiern. Auf der anderen Seite haben sich die Zeiten geändert: "1953, als die Queen gekrönt wurde, hat niemand die Frage gestellt, wie viel die Zeremonie kostet. Damals war die Monarchie unantastbar."
Heute, im Jahr 2022, müsse sich der König gegenüber der Öffentlichkeit, dem Steuerzahler und der Politik rechtfertigen. Diesen Spagat traut Begasse Charles III. definitiv zu – auch dank kleiner, kluger Schachzüge. Einer davon sei die Fahrt in der goldenen Kutsche, die der Öffentlichkeit wichtiger sei als die Krönung an sich.
Dieses Wissen wird sich der 73-Jährige zunutze machen, wie Begasse prognostiziert: "Charles will dem Volk zeigen, dass der neue König sichtbar ist. Wie könnte man das besser beweisen als in einer goldenen Kutsche, aus der er Hunderttausenden zuwinken kann und die – mit Ausnahme von Sicherheitsvorkehrungen – nichts kostet?" Diese goldene Kutsche möge zwar antiquiert erscheinen, für Charles aber sei sie gesetzt.
Charles III. greift in die historische Trickkiste
Damit greift der Nachfolger der Queen in die historische Trickkiste. Denn das, was Charles plane, sei nach Meinung des Adelsexperten im Prinzip die Fortsetzung dessen, was bereits der Ehemann von Königin Victoria, die von 1837 bis 1901 regierte, gemacht habe.
Sehen und gesehen werden! Diesem Credo hat sich auch Charles III. verschrieben, der die Zeichen der Zeit erkannt zu haben scheint – in enger Absprache mit seinem Sohn und Thronfolger Prinz William (Stichwort: Tandem-Lösung). "Die Gestaltung der Krönung ist eine Familienentscheidung, von der die Zukunft der britischen Monarchie mit abhängt. William wird das Rad nämlich nicht mehr zurückdrehen können, wenn er eines Tages als junger, moderner König den Thron besteigt", erklärt Begasse.
Verschlankung dringend notwendig: "Alles andere wäre nicht zeitgemäß"
Auch vor diesem Hintergrund ist die geplante Verschlankung der Inthronisierung, mit deren Organisation übrigens der Herzog von Norfolk (Begasse: "Ein royaler Eventplaner, der die Traditionen und Bräuche am besten kennt") beauftragt wurde, ein richtiges und wichtiges Zeichen. "Alles andere wäre nicht zeitgemäß und der Bevölkerung nicht zu verkaufen gewesen", analysiert der Experte.
Dennoch gebe es keinen Zweifel daran, dass der staatlich zwingend notwendige Akt der Inthronisierung eine PR-Kampagne sei: "Diese Inszenierung ist die Hauptaufgabe von Charles III., der ja keine politische Macht hat. Er muss durch Präsenz glänzen."
Mit Sichtbarkeit in eine goldene Zukunft?
Oder um es mit dem 1861 verstorbenen Ehemann von Queen Victoria zu sagen: Charles muss "visible" sein. Das war früher so, und das ist heute immer noch so – mit einem entscheidenden Unterschied: Er muss und will zeigen, dass die Royal Family auch sparen kann, ohne dabei an Glamour einzubüßen.
Gelingt dieser Spagat, haben Charles, Camilla, William, Kate und Co. die Chance, das Erbe der verstorbenen Queen Elizabeth II. fortzuführen und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Nur dann wird sie das Volk auf lange Sicht mit den "erlesensten Gaben überschütten" – getreu der Nationalhymnen "God Save the Queen" (die am 2. Juni 1953 gespielt wurde) sowie "God Save the King" (die am 6. Mai 2023 gespielt wird): "Thy choicest gifts in store on him be pleased to pour."
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