Die Rede der künftigen Königin Schwedens am Volkstrauertag im Deutschen Bundestag war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. RTL-Adelsexperte Michael Begasse erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, inwiefern Victorias Auftritt am Sonntag königlich war und warum sie als Kronprinzessin die Ansprache gehalten hat – und nicht König und Staatsoberhaupt Carl Gustaf.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Dennis Ebbecke sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Sie hat an die Opfer der Kriege in der Ukraine und in Nahost erinnert, von Verantwortung und Pflicht gesprochen sowie ihre "innigen und tiefen Gefühle für Deutschland" geschildert: Die Gedenkrede der schwedischen Kronprinzessin Victoria anlässlich des Volkstrauertages im Deutschen Bundestag hat Eindruck hinterlassen – und zwar nicht nur, weil die Tochter der in Heidelberg geborenen Königin Silvia von Schweden diese in fließendem Deutsch gehalten hat.

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Adelsexperte über Victorias Rede: "Da sprach die erste Garde der Zukunft"

Wir haben Michael Begasse um eine Analyse des Auftritts der 46-Jährigen in Berlin gebeten. Der RTL-Adelsexperte hatte die Thronfolgerin bereits am Freitag persönlich zum Interview getroffen. "Victoria von Schweden hat mit ihrer sehr aktuellen und dezidierten Rede im Bundestag absolut überzeugt. Wir haben eine Kronprinzessin gesehen, die aus meiner Sicht zum allerersten Mal die Rolle der künftigen Königin ausgefüllt hat. Da sprach nicht etwa die zweite Garnitur, sondern die erste Garde der Zukunft", sagt Begasse.

Kronprinzessin spricht im Bundestag – eine Entscheidung des Hofes

Doch warum wurde der Kronprinzessin eine Aufgabe zuteil, die doch eigentlich Staatsoberhäuptern vorbehalten ist? Denn anstelle von König Carl Gustaf, der im September sein 50. Thronjubiläum gefeiert hatte, reiste Tochter Victoria nach Deutschland. Zur Einordnung: Der Volkstrauertag 2023 stand unter der Schirmherrschaft der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und wurde gemeinsam mit dem diesjährigen Partnerland Schweden begangen. Darauf hatte auch Wolfgang Schneiderhan, seines Zeichens Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., in seiner Rede im Bundestag noch einmal hingewiesen.

Der eingetragene Verein ist unter anderem dafür zuständig, am Volkstrauertag an die Toten der Weltkriege zu erinnern und die zentrale Gedenkstunde zu organisieren. "Da in diesem Jahr Schweden das Partnerland ist, war klar, dass ein Repräsentant oder eine Repräsentantin aus dem Königreich sprechen würde. König Carl Gustaf hat diese Aufgabe seiner Tochter übertragen und sie gebeten, den Auftritt im Bundestag an ihre vorherigen Termine in Frankfurt und Wiesbaden dranzuhängen", erläutert der Adelsexperte.

Es sei eine Entscheidung des Hofes gewesen, nicht den König, sondern die Kronprinzessin nach Deutschland zu entsenden, die eines Tages ohnehin in Amt und Würden sein werde. "Ich würde diese Entscheidung also unter dem Motto 'Warmlaufen für den Thron' verbuchen." Um die enorme Bedeutung dieses Staatsbesuches zu unterstreichen und seiner Frau bei ihrer wichtigen Rede im Bundestag zur Seite zu stehen, ist Ehemann Daniel seiner Victoria hinterher gereist.

Thronfolgerin hat in die royale Spur gefunden

Begasse hat das Auftreten der künftigen Königin in Berlin genau beobachtet und fühlt sich nun einmal mehr darin bestärkt, dass Victoria von Schweden längst in die royale Spur gefunden hat. "Wenn ich sie so sehe, erinnere ich mich immer mehr an Königin Silvia vor rund 30 Jahren – optisch und von der Haltung her. Die beiden sind wirklich aus einem Guss." Die Tochter der Königin, die am Tag vor Heiligabend 80 Jahre alt wird, hielt ihre Rede am Sonntag dem Anlass "Volkstrauertag" und der aktuellen Weltlage entsprechend ("Die Stimmung in der Welt ist so eisig, wie schon lange nicht mehr") im schwarzen Kleid und mit größtenteils ernster Miene. Victoria von Schweden nannte in ihrer politisch geprägten Ansprache ganz bewusst Russland und die Hamas beim Namen und wies deutlich auf das Existenzrecht Israels hin.

Politische Rede mit privaten Einblicken

Neben ihren "klugen politischen Einordnungen" gewährte die zweifache Mutter (Tochter Estelle und Sohn Oscar) laut Begasse auch "überraschende private Einblicke". An zwei Stellen habe sie nämlich ihre Eltern zitiert. "Victoria hat deutlich gemacht, dass sie sehr viel von ihrer Mutter über Deutschland gelernt hat, insbesondere mit Blick auf die Nachkriegsgeschichte. Zudem habe ihr Vater ihr beigebracht, dass Pflicht auch eine schöne Seite haben könne – in Hinblick darauf, dass man damit Größeres erreichen könne. Diese Sätze erinnerten natürlich an die Zeit, als die junge Kronprinzessin Victoria unter eben dieser Pflicht gelitten hatte und in die Magersucht gegangen war."

Begasse erläutert die Körpersprache der künftigen Königin

Von diesen für sie persönlich schwierigen Zeiten ist die künftige Königin heute weit entfernt. Das hat ihr Auftritt im Deutschen Bundestag eindeutig gezeigt, bei dem sie von Minute zu Minute sicherer wurde. Dass sie diesen Termin als große Ehre empfunden hat, war auch ihrer Körpersprache abzulesen. Begasse: "Zu Beginn ihrer Rede sah man noch ein paar nervöse Blicke und leicht krampfende Hände. Sie arbeitete zudem stark mit dem Kiefer. Doch diese erste Anspannung konnte sie schnell abschütteln. Danach wirkte sie ganz entspannt, hatte einen klaren Blick. Der Applaus von den anwesenden Vertretern im Bundestag am Ende sprach Bände." Victoria habe alles richtig gemacht, das Warmlaufen für den Thron sei in vollem Gange.

Wie bei Besuch von Charles: Schulterschluss der gemeinsame Nenner

In Erinnerung bleibt "ein Staatsbesuch der guten Laune und der freundschaftlichen Partnerschaft zwischen Deutschland und Schweden", wie es Begasse formuliert. Ähnlich wie König Charles III., der Ende März vor dem Bundestag gesprochen hatte, stand auch bei Victorias Deutschland-Reise der "Schulterschluss der großen, demokratischen Länder in diesen schwierigen Zeiten" im Vordergrund. "Meine Generation ist mit dem Fall der Mauer aufgewachsen. Ich glaube an die Werte dieser Zeit", sagte die künftige schwedische Königin in Berlin. Genau diese Werte wird sie in absehbarer Zeit als Staatsoberhaupt weitergeben.

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