Auch der neue Teil der "John Wick"-Reihe mit Keanu Reeves ist eine Orgie aus Blut und Action. Wer sich daran erfreut und auf Logik wenig Wert legt, dürfte ab heute großen Spaß im Kino haben.
Mehr Action-Szenen als je zuvor und Gegner auf der ganzen Welt: In "John Wick: Kapitel 4" wird der Titelheld fast drei Stunden lang hart rangenommen. Okay, wesentlich härter trifft es seine Gegner, von denen so gut wie keiner die 169 Minuten Laufzeit überlebt. Doch auch für den Killer geht es um nicht weniger als Erlösung oder Tod. Letzteres ist wohl selbsterklärend; Erlösung bedeutet in seinem Fall nur die Rente.
Und das gibt schon einen ziemlich guten Einblick in das Seelenleben Wicks. Der eigentlich will nur die Pistole an den Nagel hängen und seine Ruhe. Doch ist ein Rückzug ins Private für einen Mann seiner Profession kein einfacher Schritt. Um seinen Frieden zu finden, muss er rund um den Globus – in der Wüste Jordaniens ebenso wie in Berlin, Osaka oder Paris – gegen die Hohe Kammer kämpfen.
Oberboss dieser Organisation der Unterwelt ist der Marquis de Gramont (in jeder Szene wie aus dem Ei gepellt: Bill Skarsgård), der seine tödlichen Helferlein gegen Wick aussendet. Allen voran den blinden Caine (ultracool: Donnie Yen), der diesen Job jedoch nicht freiwillig übernimmt und daher jederzeit vor einem Seitenwechsel steht.
Auf Wicks Seite wie gewohnt Laurence Fishburne, der seinen Freund mit schicken kugelsicheren Kevlar-Anzügen ausstattet. Und auch Hotel-Manager Winston (Ian McShane) steht mit der Kammer auf Kriegsfuß. Er sucht Vergeltung für den Verlust seines Hotels und seines Freundes und Concierge Charon (der noch vor der Kinopremiere verstorbene charmant-unterkühlte Lance Reddick).
"John Wick 4" – mehr Videospiel als Film
"John Wick: Kapitel 4" ist brutaler als seine Vorgänger und wirkt weniger wie ein klassischer Film. Vielmehr ist er eine Aneinanderreihung stilistisch voneinander abgegrenzter Action-Szenen und ähnelt einem Computerspiel. Die Szenen sind visuell einfach umwerfend – technisch mal mehr, mal weniger überzeugend. Sinn und Logik darf man freilich weder suchen noch erwarten.
Oder gäbe es tatsächlich irgendeinen Grund, sich nach einem gewaltigen Gemetzel blutend in die U-Bahn von Osaka zu schleppen? Keinen – außer den, dass der perfekt ausgeleuchtete und komplett leere (!) Waggon eine großartige Kulisse für ein letztes Gespräch zwischen Wick und der supercoolen Hotelmanager-Tochter Akira (Rina Sawayama) bildet.
Oder die wilde Verfolgungsjagd um den Pariser Triumphbogen? Natürlich kann man sich daran abarbeiten, wie albern es ist, dass die anderen Autofahrer trotz des Kugelhagels weiter munter im Kreis fahren. Mehr Spaß bringt es bei diesen und anderen Szenen, sich einfach über den erweiterten Wick-Kosmos zu freuen. Ja, der stille Killer ist nicht nur wieder aufs Pferd gestiegen, sondern jagt die Bösewichte nun auch im Muscle-Car und kämpft mit Nunchakus.
Höhepunkt des Videospiel-Feelings ist dann auch die Schießerei auf der Treppe zum Sacre Coeur kurz vor dem großen Finale. Wick arbeitet sich Stufe um Stufe hoch, einen Auftragskiller nach dem anderen ausschaltend, nur um kurz vor dem Ziel hinunterzupurzeln und wieder von vorne anzufangen. Ja, das ist auch albern – aber mit coolem Sound macht auch gerade diese Szene einfach verdammt viel Spaß. So wie der ganze Film. Fans der Reihe kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.
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