Im Januar dieses Jahres verabschiedete sich Judith Rakers nach 19 Jahren von der "Tagesschau". In Rente ging sie aber natürlich nicht – im Gegenteil.
Seit ihrem Abschied vom Nachrichtenpult ist Judith Rakers als Unternehmerin tätig, vor allem die Themen Selbstversorgung und Homefarming liegen ihr am Herzen. Sie veröffentlicht Bücher, Spiele und Podcasts und weiterhin auch ihre abendfüllenden Reisereportagen.
Nun hat
Judith Rakers als Synchronsprecherin – das hörte sich zunächst außergewöhnlich an, dann aber doch logisch und eigentlich fragt man sich: Warum nicht schon längst? Wie kamen Sie dazu?
Judith Rakers: Es war tatsächlich ein Kindheitstraum von mir. Schon als Kind wollte ich einer Zeichenfigur meine Stimme geben. Ich hab nie davon geträumt, Schauspielerin zu werden - aber Zeichentrickfilme habe ich geliebt. "Dumbo, der fliegende Elefant" war mein Lieblingsfilm. "Bernhard und Bianca", "Feivel, der Mauswanderer" – ich habe immer gedacht, wie toll das wäre. Letztendlich bin ich dann ja weder Schauspielerin noch Synchronsprecherin, sondern Journalistin geworden, habe aber trotzdem viel mit meiner Stimme gearbeitet.
Und schließlich die Rolle von Roz in "Der wilde Roboter" ...
Ich wurde angefragt – und zwar schon für einen anderen Film, vor ein paar Monaten. Es ging um eine Nebenrolle und ich habe ein Casting mitgemacht. Ich war sehr aufgeregt und dachte: Mein Traum wird wahr! Der Regisseur sagte noch nach dem Casting: "Du warst die Beste, wir geben das mit einer Empfehlung nach Amerika weiter." Nach sechs Wochen kam dann aber die Antwort, dass sie sich für jemand anderen entschieden haben.
Auch die deutsche Stimme wird in Hollywood entschieden? Orientierten Sie sich daher eng am Original? Die Figuren werden ja von echten Hollywoodstars [als Sprecher sind unter anderem Lupita Nyong'o, Pedro Pascal, Catherine O'Hara und Bill Nighy dabei; Anm.d.Red.] gesprochen und die Latte hängt hoch.
Ja. Während des Synchronsprechens wird die Szene des Originals vorgespielt, Take für Take. Und man muss dann versuchen, die Emotionalität und Tonalität des Originals zu treffen. Denn es soll möglichst so klingen wie in der Originalversion. Meine Rolle wird im Original von Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong'o gesprochen. Das war auch die Herausforderung, dass ich Roz nicht als Judith sprechen konnte, sondern als Lupita – nur eben auf Deutsch.
Judith Rakers als "Sprechroboter 08/15" betitelt
Für jeden, der mit seiner Stimme arbeitet, ist "Du sprichst wie ein Roboter" wohl die härteste Kritik. Dann ausgerechnet so eine Figur als erster Synchronjob ...
Ich musste auch ein bisschen lachen. Als ich bei der "Tagesschau" anfing, da gab es mal eine ganz böse Kritik in der "taz". Zwei Männer haben geschrieben, ich sei ein "Sprechroboter 08/15". Auch wenn es in den letzten 20 Jahren durchaus böse Kritiken gab, war das eine, die hängengeblieben ist: So wirst du also wahrgenommen! Es hat mich schon traurig gemacht, aber ich musste auch ein bisschen schmunzeln, weil ich die Typenbezeichnung immerhin kreativ fand. Bei diesem Film dann habe ich gedacht: Das gibt es doch nicht – endlich wirst du deiner Bestimmung gerecht und kannst einen Roboter sprechen! (lacht)
Haben Sie es als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und immer perfekt aussehen muss, genossen, auch mal ungeschminkt zur Arbeit zu kommen?
Ich lebe ja gar kein Leben, in dem ich immer perfekt aussehen muss. Meinen Hühnern ist es herzlich egal, wie ich aussehe, Hauptsache, ich habe Futter dabei. (lacht) Und auch beruflich spielt sich bei mir nicht alles vor der Kamera ab: Ich schreibe Bücher, gebe ein Online-Magazin heraus und entwickle nachhaltige Gartenprodukte und Kinderspiele. Für die Vertonung meiner Reportagen und die Produktion von Podcasts bin ich auch regelmäßig in Tonstudios – ich habe immer viel Wert auf eine gesunde Mischung gelegt, die nicht nur von Oberflächlichkeiten bestimmt wird. Und ich glaube, das hat mir sehr gutgetan.
Sie erwähnen gerade einen Teil ihrer Projekte – woher nehmen Sie die Energie für das alles?
Woher die Energie kommt, weiß ich nicht. Ich denke, es ist die Leidenschaft für die Dinge, die ich tue, die mich hier antreibt. Neulich saß ich nach einer langen Dienstreise noch am Schreibtisch und habe getextet und meine Mitarbeiterin sagte zu mir: "Du bist ja ein Cyborg, wie kannst du dich jetzt noch konzentrieren?" Bei mir ist es so: Es gibt nur "An" oder "Aus". Und wenn ich "aus" bin, dann schlafe ich. Aber wenn ich "an" bin, habe ich einen Produktivitätsdrang. Ich kann mich dabei aber auch entspannen, etwa bei den Gartenarbeiten.
Gartenarbeit empfinden sicher viele als entspannend. Das aber auch noch als Unternehmerin zu verwerten, macht ja den Unterschied.
Das hat sich einfach so ergeben, einen Masterplan gab es nicht. Ich versuche da immer mit dem Flow zu gehen.
Und immer die nächste Chance zu ergreifen?
Ja, genau. Wenn eine Chance oder das Glück an die Tür klopft, muss man sie auch reinlassen. Und man muss auch mal mutig sein und alte Zöpfe abschneiden, wie etwa die "Tagesschau". Hätte ich da weitergemacht, hätte ich die Projekte, die ich dieses Jahr alle gemacht habe, nicht durchziehen können. Wir haben den Deutschen Spielzeugpreis gewonnen für meinen Kinder-Experimentierkasten und den Goldenen Blogger für mein Online-Gartenmagazin. Ich freue mich riesig über diese Auszeichnungen, aber natürlich steckt auch viel Arbeit hinter dem Erfolg.
Also kennen Sie den Blick zurück mit einem "Ach, hätte ich doch"-Gefühl eher nicht?
Nein, das nicht. Aber ich hatte Angst vor diesem Gefühl. Als ich noch bei der "Tagesschau" war, habe ich immer gedacht: Wenn ich das jetzt nicht mache, wenn ich nicht mutig bin und Platz schaffe für die Dinge, die mir jetzt gerade wichtiger geworden sind, dann denke ich in spätestens 20 Jahren sicher: Hättest du mal! Was wäre gewesen, wenn? Und ich habe mir immer gesagt: Ich möchte mir niemals im Leben diese Frage stellen müssen. Lieber machen – und hinterher denken: Na, das war dann doch nichts.
Sprecher und Sprecherinnen von News oder Videos und natürlich auch die Tätigkeit im Synchronstudio sind stark von KI bedroht. War das ein Thema bei den Aufnahmen?
Natürlich. Ich habe darüber auch mit der Synchron-Crew gesprochen – die machen sich schon Sorgen. Die Frage ist natürlich, ob es in naher Zukunft noch einer deutschen Synchronisation bedarf oder ob da eine KI spricht – mit der originalen Stimme. Das wird wahrscheinlich kommen und ist in Vorstufen ja auch schon Realität. KI wird die Arbeitswelt stark verändern. Aber eines kann die KI nicht: emphatisch handeln und echte Gefühle zeigen, so wie Roz in "Der wilde Roboter" – hier beginnt die Fiktion und ein spannendes Abenteuer, das sich am Ende auch mit der Frage beschäftigt: Wer triumphiert? Haben wir in all unserer Unterschiedlichkeit und unseren Unzulänglichkeiten eine Chance gegen die perfekte, intelligente Technik? Eine spannende Frage in einem Film für die ganze Familie, der großen Spaß macht und zum Nachdenken anregt.
Über die Gesprächspartnerin
- Judith Rakers ist Journalistin und Moderatorin. Bekannt wurde sie vor allem als Sprecherin der "Tagesschau" von 2005 bis 2024. Seit ihrem Abschied von der Nachrichtensendung widmet sie sich dem Homefarming, brachte Bücher, Spiele und Podcasts raus.
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