Journalisten des "Boston Globe" decken einen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche auf, ihre Recherchen haben weltweite Folgen. Das ist genau der Stoff, aus dem ein Oscar-Film gemacht ist - und Regisseur Tom McCarthy und seine herausragend guten Schauspieler liefern mit "Spotlight" genau das!
Ein Priester vergeht sich an einem Kind, doch anstatt ihn zu bestrafen oder den Behörden zu übergeben, nimmt ihn die Kirche in Schutz und versetzt ihn einfach in eine andere Pfarrei. Ein Einzelfall? Leider nicht, wie Journalisten des "Boston Globe" zu Beginn des Jahrtausends herausfanden.
Über 100 Geistliche in Boston missbrauchten ihre Position und vergingen sich an ihren Schutzbefohlenen. Und die Kirche sah nicht nur weg, sondern schützte ihre Priester auch noch. Die Journalisten stoßen mitten in ein Wespennest.
Die Ermittlungen des "Boston Globe" zu den Vorkommnissen in der katholischen Kirche hatten weltweite Folgen: In mehreren Ländern meldeten sich Missbrauchsopfer, die jahrelang geschwiegen hatten; schnell wurde klar, dass die Kirche nicht nur in Boston, sondern unter anderem auch in Deutschland oder Österreich sexuellen Missbrauch über Jahrzehnte gedeckt und vertuscht hatte.
Die "Spotlight"-Redaktion des "Boston Globe" ermittelte monatelang, bis sie endlich genug Beweise zusammen hatte, um lückenlos belegen zu können, in wie vielen Fällen die Kirche diese Vertuschungen vorgenommen hatte.
Und das im erzkatholischen Boston, wo es zum guten Ton gehört, in die Kirche zu gehen und Ehrfurcht vor dem Bischof und seinen Untergebenen zu haben. Wo Missbrauch eher den Opfern angekreidet wird als den Tätern. Wo die Kirche über genug Geld verfügt, um etwaige Anzeigen mit Abfindungen abzuwenden.
Regisseur Tom McCarthy führt in "Spotlight" ein herausragendes Schauspieler-Ensemble durch die Monate der ernüchternden Ermittlungen. Michael Keaton, Rachel McAdams,
Schauspieler veredeln "Spotlight"
Der Rest ist Geschichte: Hunderte Opfer weltweit trauten sich endlich, sich an die Behörden zu wenden und dem bösen Spiel ein Ende zu bereiten.
Die Inszenierung von "Spotlight" ist klassisch im besten Sinne und erinnert an große Vorbilder wie den Watergate-Film "Die Unbestechlichen" (1976).
Das Bemerkenswerteste: McCarthy schafft es, eine Geschichte von Kindesmissbrauch fast komplett ohne Kinder zu erzählen. Welche Wunden die Opfer erlitten haben, sieht man an den inzwischen erwachsenen Menschen, die auch Jahrzehnte später noch mit den Folgen zu kämpfen haben.
"Spotlight" ist genau der Stoff, für den die Oscars gemacht sind - und so gilt der Film auch als einer der großen Favoriten auf die Auszeichnungen als bester Film und für das beste Drehbuch.
Die Schauspieler werden dagegen wohl leer ausgehen - obwohl sowohl McAdams als auch Ruffalo als beste Nebendarsteller nominiert sind. Sie stellen sich aber ebenso wie ihre Kollegen voll in den Dienst des Films, so dass niemand herausragt, was die Ensemble-Leistung dafür umso bemerkenswerter macht.
Die echte Geschichte hatte im Übrigen alles andere als ein Happy End - zu schwer die Verfehlungen der katholischen Kirche, zu zaghaft die Bestrafungen. So musste der Bischof, der jahrelang die schützende Hand über seine fehlgeleiteten Diener Gottes hielt, seinen Posten in Boston zwar räumen. Als Ersatz gab es aber einen gutbezahlten und einflussreichen Posten im Vatikan.
"Spotlight" läuft ab dem 25. Februar in den Kinos. Die Oscars 2016 werden in der Nacht zum 29. Februar verliehen.
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