Steven Gätjen ist das Gesicht der Oscars in Deutschland. Seit Jahren ist der Moderator regelmäßig am roten Teppich, wenn in Los Angeles die begehrten Statuen vergeben werden. Auch 2019 versucht er wieder Promis wie Rami Malek oder Bradley Cooper ans Mikrofon zu bekommen. Im Interview mit unserer Redaktion erzählt Steven Gätjen warum "Mission: Impossible - Fallout" eine Nominierung für den "Besten Film" verdient hätte und warum die Idee einer Kategorie für den besten Populärfilm für ihn Sinn macht.
Steven, du berichtest seit Jahren immer wieder vor Ort von den Oscars. Wie läuft dein Tag bei der Preisverleihung ab?
Am roten Teppich sehen wir uns noch mal die uns zugewiesene Position an und checken die Technik und die Verbindung nach Deutschland. Bald darauf geht es dann schon mit der Berichterstattung vom roten Teppich los. Da stehen wir dann schöne vier Stunden.
Und wie läuft die Arbeit dann genau ab?
Im Endeffekt geht es darum, dass die Stars länger bei uns stehen bleiben und mit uns sprechen. Damit das klappt, muss man schon mit der ersten Frage einen Treffer landen. Im Prinzip gehen wir deshalb immer unsere Top-Fünf-Fragen durch, die wir aber natürlich auch anpassen.
Bevor die Promis über den Teppich laufen, kommen immer deren Manager und Presseagenten vorbei. Bei denen machen wir schon Werbung für unseren Sender und versuchen sie davon zu überzeugen, dass sie die jeweilige Berühmtheit bei uns vorbeischicken.
Wenn anschließend die richtigen Stars kommen, steigt man in eine Art Brüllwettbewerb ein, um sich bemerkbar zu machen. Deswegen stelle ich mich auch immer den Teams links und rechts von mir vor und versuche diese zur Zusammenarbeit zu bewegen.
Wir schieben dann quasi unsere Promis an die Kollegen und umgekehrt. Wenn gegen Ende die Star-Dichte immer höher wird, macht es das nämlich einfacher, die Promis zum Stehenbleiben zu bewegen.
Du bist ja nicht nur als Reporter, sondern auch als leidenschaftlicher Filmfan vor Ort. Wenn du dir einen Film aussuchen und ihm die Trophäe für den "Besten Film" verleihen könntest, welcher wäre das?
Das Problem ist, dass ich echt viele Filme sehe. Die Oscars erinnern mich dann auch oft daran, was in dem Jahr so lief.
Von den nominierten Filmen fand ich "Green Book" wirklich toll und beeindruckend. Die darin thematisierte Diskriminierung von Schwarzen durch Weiße ist ja leider immer noch ein großes Problem.
Einige werden bestimmt sagen, dass der Film zu kitschig und oberflächlich ist. Das stimmt zum Teil auch, aber ich finde das schön, weil Themen in diese Richtung fast immer sehr dramatisch erzählt werden.
"Green Book" zeigt hingegen, wie leicht es eigentlich ist, menschlich zusammenzuwachsen. Außerdem sind Mahershala Ali und Viggo Mortensen zusammen einfach der Hammer.
"Green Book" ist ja unter anderem für den "Besten Film" nominiert. In dieser Kategorie hat besonders ein Film für Diskussionen gesorgt. Kritiker werfen der Academy vor, den Superhelden-Film "Black Panther" nur wegen seiner politischen Botschaft nominiert zu haben. Wie siehst du das?
Ich glaube, das eigentliche Problem ist die Nachvollziehbarkeit der Nominierungen. Das war auch in den letzten Jahren schon schwierig. Der beste Actionfilm des letzten Jahres ist meines Erachtens nach "Mission: Impossible - Fallout" . Warum ist der nicht als "Bester Film" nominiert? Ist ja schließlich der beste Actionfilm.
Auch bei "Bohemian Rhapsody" ist die Nominierung nicht völlig verständlich. Das ist ein toller Film, aber wie viel Kritik hat der einstecken müssen, weil er die Geschichte von Freddy Mercury und Queen nicht akkurat nacherzählt? Oder "BlacKkKlansman" von Spike Lee. Das ist für mich genauso ein politischer Film wie "Black Panther".
Zwischenzeitlich hat die Academy ja über eine "Best Popular Movie"-Kategorie (bester Populärfilm) diskutiert. Glaubst du, dass die Nominierung von "Black Panther" ein Überbleibsel dieses Plans ist? Schließlich ist es der einzige "Blockbuster" unter den Nominierten.
Auf jeden Fall. Angesichts der sinkenden Quoten und im Nachklang von "OscarsSoWhite" und "MeToo" stehen die Oscars 2019 an einem Wendepunkt. Es geht darum, ihnen eine generelle Relevanz sowie eine Relevanz für die breite Masse zu verleihen.
Deswegen fand ich die Kategorie "Best Popular Movie" auch super. Warum ist ein populärer Film denn schlecht und nicht nominierungswürdig, wenn den Millionen Menschen sehen? Nur weil Kritiker ihn, aus was für Gründen auch immer, nicht gut finden, kann sich das Publikum ja nicht völlig irren.
Und im Fall von "Black Panther" wurde der Film auch bei den SAG-Awards von anderen Schauspielern für das beste Ensemble ausgezeichnet. Der Film scheint also für die Leute in dem Beruf ein wichtiges Statement nach außen zu sein.
Auch eine weitere geplante Maßnahme hat es nach Protesten letztlich nicht geschafft: Vier Oscars sollten während der Werbepausen vergeben werden. Zahlreiche Filmschaffende haben das als Beleidigung empfunden. Was hältst du von dieser Idee?
Ich glaube, dass sich die breite Masse nicht dafür interessiert, wer den Oscar für die "Beste Kamera" oder den "Besten Schnitt" gewinnt. Aus der Sicht eines Fernsehmachers kann ich also nachvollziehen, dass man die Verleihung straffen will, um wieder höhere Quoten zu bekommen.
Deswegen finde ich es gut, dass man versucht hat, an die Verleihung heranzugehen, um zu schauen, was man besser machen kann. Ich halte es aber auch für richtig, alle Filmschaffenden auszuzeichnen.
Schließlich wird durch diese Menschen der Film erst zu dem, was er ist. Deswegen halte ich den Protest von Leuten wie Quentin Tarantino für absolut verständlich. Letztlich hat dieser ja auch dazu geführt, dass man das Konzept verworfen hat.
Wäre es, angesichts der Krise, in der die Oscars stecken, nicht sinnvoll für die Academy, sich mehr für die Inhalte von Streamingplattformen zu öffnen? Damit beispielsweise "Roma" für den besten Film nominiert werden konnte, musste Netflix ihn extra einige Tage alibimäßig ins Kino bringen.
Ja absolut. Ein Film wie "Roma", der unfassbar schön und sehr ruhig gefilmt ist, hätte es bei einem anderen Verleiher nie ins Kino geschafft. Und obwohl er quasi durch die Hintertür bei den Oscars reingerutscht ist, hat er nun einen riesigen Erfolg.
Immer mehr Geschichten werden ja auch bei den Streamingdiensten erzählt. Zudem eröffnen sie zahlreiche Chancen für Menschen. Wie lange wurde zum Beispiel die Serien- und Filmproduktion in Deutschland, die jetzt auch durch Netflix aufflammt, stiefmütterlich behandelt?
Wir leben in einem Zeitalter mit gefühlt 35 "Tatort"-Duos, aber Serien wie "Dark" oder "4 Blocks" zeigen, was für ein unfassbares Potenzial an tollen Schauspielern, Regisseuren und Drehbuchautoren in unserem Land steckt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.