Während der Sommerpause zeigt das Erste gewöhnlich Wiederholungen älterer "Tatort"-Folgen. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Krimireihe darf in diesem Jahr das Publikum jede Woche aus einer Liste von 50 Folgen aus 20 Jahren per Online-Wahl entscheiden, was gezeigt wird. Wir schließen uns den Festlichkeiten an und feiern den Sieger mit fünf frohen Ferienfragen.
Warum hat nicht ein "Tatort" aus Münster gewonnen?
Weil der Titel des Münchner "Tatorts" interessanter ist und Thiel & Börne nicht immer gewinnen können. Allerdings kam "Wenn Frauen Austern essen" zwar mit 12.360 Stimmen auf Platz eins, lieferte sich aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Team aus Münster, das mit den Folgen "Fangschuss" (12.321 Stimmen) und "Schwanensee" (11.912 Stimmen) auf dem zweiten und dritten Platz landete.
Insgesamt beteiligten sich 143.997 Zuschauerinnen und Zuschauer aus Deutschland und Österreich an der ersten Abstimmungsrunde. Weil jede Woche wieder aus allen noch nicht gezeigten Folgen der Liste gewählt werden darf, bekommen Kommissar Thiel und Rechtsmediziner Börne also nächsten Sonntag eine neue Chance.
Was passiert, wenn Frauen Austern essen?
Kommt darauf an. Im Münchner "Tatort" haben sie einen feuchtfröhlichen Abend, der für eine tödlich endet: Eine mächtige Literaturagentin hat ihre erfolgreichsten Bestsellerautorinnen zu einem Abendessen eingeladen. Angeblich, weil sie einer von ihnen einen lukrativen Millionenvertrag über drei Bücher vermitteln will.
Stattdessen endet eine von ihnen vergiftet im Gästezimmer. Als wenig später die nächste mit einem Samuraischwert ermordet wird, lesen sich die von den Powerfrauen sichtlich überforderten Kommissare
Im "Tatort" wird das Gift der tödlichen Auster von außen zugesetzt – realistischer ist ein anderes Übel: Laut dem Apothekerportal aponet.de liegt die Gefahr, nach dem Verzehr roher Austern an Durchfall zu erkranken, bei neun Prozent und ist somit wahrscheinlicher, als sich den gefürchteten Norovirus zum Beispiel auf einer Kreuzfahrt einzufangen (0,5 Prozent).
Zitronensaft degeneriert den Virus übrigens: Wer das rohe Fleisch damit beträufelt, "bis der Zitrusgeschmack den Austerngeschmack übertrifft, hat größere Chancen gesund zu bleiben". Dann könnte man allerdings gleich gesalzenen Zitronensaft trinken, ist billiger.
Nicht belegt ist die lustfördernde Wirkung von Austern, auf der natürlich auch die beschwipsten Schriftstellerinnen im "Tatort" anspielen. Zwar enthalten Austern außergewöhnlich viel Zink, das der männlichen Testosteronproduktion förderlich ist, eine aphrodisische Wirkung lässt sich aber eher auf den ausgeprägten Placeboeffekt zurückführen, der vor allem in Kombination mit Kerzenlicht und Champagner eintritt.
Greift man allerdings zur ländlichen Variation der Auster in Amerika, dürfte wenig Romantik aufkommen: Bei der liebevoll Rocky Mountain Oyster genannten Delikatesse handelt es sich um Stierhoden.
Ich möchte auch einen Roman schreiben. Brauche ich eine mörderische Agentin?
Besser ist’s. Zwar hat sich der Buchmarkt mit der Popularität von E-Books, die mit relativ wenig Aufwand im Eigenverlag veröffentlicht werden können, stark verändert, und es gibt die gelegentliche Erfolgsstory von Fan-Fiction, die im Internet populär und dann zum Millionenseller wird ("Fifty Shades of Grey").
Wer aber eine sensible Dichterseele ist, sein Buch in einem "richtigen" Verlag und gedruckt sehen will, für den übernimmt eine Literaturagentin die geschäftliche Seite: Wenn eine Agentin (ein paar Männer gibt es natürlich auch) eine Autorin (ein paar Männer gibt es natürlich auch) unter ihre Fittiche genommen hat, sucht sie für ihren Schützling einen passenden Verlag und handelt die besten Vertragskonditionen aus – da Literaturagenten keine Gebühr verlangen, sondern prozentual beteiligt sind, liegt ihnen schon in eigenem Interesse an einer soliden Bezahlung ihrer Autorinnen.
In den USA werden praktisch alle Schriftsteller von Agenten vertreten, in Deutschland war der Beruf 2003 noch recht unbekannt und hatte keinen guten Ruf, weil traditionellen Verlagen die Kombinationen von Geist und Geld seit jeher Bauchschmerzen bereitet.
Was war 2003 noch so los?
Gerhard Schröder war seit fünf Jahren Bundeskanzler, und im von den USA besetzten Irak herrschten nach dem Ende des zweiten Irakkriegs im Mai bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Erstausstrahlung des "Tatort" fand am 12. Oktober statt. Damals sahen 6,98 Millionen Menschen zu und bescherten der ARD laut tatort-fundus.de einen Marktanteil von 25,5 Prozent.
Am selben Tag wurde Michael Schumacher zum sechsten Mal Formel-1-Weltmeister, die Frauen-Fußballnationalmannschaft wurde zum ersten Mal Weltmeister, die amerikanische Essayistin Susan Sontag bekam den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Weitere literarische Ereignisse des Jahres 2003: Der Literatur-Nobelpreis ging an den Südafrikaner J. M. Coetzee. Am 8. November erschien "Harry Potter und der Orden des Phönix", der fünfte Band der Fantasy-Reihe von Joanne K. Rowling. Bereits im Juni hatte das englische Original es als erster englischsprachiger Roman auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste geschafft.
Und war dieser "Tatort" jetzt eine gute Wahl?
Nein. Der 35. Fall für Batic und Leitmeyer ist nicht gut gealtert – die Anzüglichkeiten im Drehbuch von Peter Probst würden heutzutage keine Redaktionssitzung überleben ("Die Frauenbewegung", witzelt Batic einmal, "von der du ein großer Anhänger warst, solange sie rhythmisch und anhaltend gewesen ist"). Die Klischees erinnern an sämtliche "Superweib"-Romane des in den neunziger Jahren so heiß geliebten wie heftig ausgelachten Frauenroman-Genres von Autorinnen wie Gaby Hauptmann, Hera Lind & Co..
Aber für eine Satire tun sie es nicht intelligent genug, da helfen auch die Agatha-Christie-Anspielungen nicht. Stattdessen mussten wir einen verwirrenden, manierierten Zickenkrieg voller sexhungriger, durchgeknallter eitler Hühner durchleiden – Frauenliteratur als Männerphantasie. Dann doch lieber die Kasper aus Münster.
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