• In seinem neuen Fall steht Kommissar Frank Thiel nach einer durchzechten Nacht unter Mordverdacht, kann sich aber an nichts erinnern.
  • Sein Kollege Boerne versucht, ihm zu helfen, indem er Thiel hypnotisiert und dabei sein Krafttier entdeckt haben will.
  • Aber die eigentliche Lösung liegt im Titel des neuen "Tatort" - was hinter diesem steckt und weitere Hintergründe zum neuen Tatort.

Mehr Infos zum "Tatort" finden Sie hier

Was steckt hinter des Teufels langem Atem? (Achtung: Spoiler)

Der Episodentitel bezieht sich auf einen Spitznamen für die Droge Scopolamin, die unter dem Namen "Devil's breath" gelegentlich für Schlagzeilen sorgt. Scopolamin kann aus verschiedenen Nachtschattengewächsen gewonnen werden, die vor allem in Südamerika beheimatet sind. Dazu gehört eine in Kolumbien wachsende Art der Engelstrompete, die dort auch "Borrachero-Strauch" genannt wird, was so viel heißt wie "betrunken machender Strauch". Von indigenen Völkern werden die pulverisierten Samen, Blätter und Wurzeln vergorenen Getränken beigemischt oder als Tee zubereitet und als Halluzinogene seit Jahrhunderten zu magisch-kultischen Zeremonien genutzt.

Wird man tatsächlich zum Zombie? (Spoiler)

Zu den urbanen Mythen unter Rucksacktouristen in Südamerika gehört, dass den Opfern - wie Frank Thiel im "Tatort" – zerstäubtes Scopolamin ins Gesicht geblasen wird, oder dass eine Visitenkarte damit präpariert wurde, die Reisenden in die Hand gedrückt wird. Durch den Hautkontakt dringe die Droge in den Blutkreislauf ein und versetze die Betroffenen in einen (wie auch Vater Thiel es nennt) "zombieartigen" Zustand, in dem sie willenlos auf jeden Befehl gehorchen.

Laut der (wissenschaftlich zertifizierten) Webseite drugs.com handelt es sich dabei aber um wenig plausible Übertreibungen. Wissenschaftler bezweifeln, dass die Menge für eine derart starke Wirkung ausreichend wäre. Scopolamin könne zwar tatsächlich – wie viele andere Betäubungsmittel – als enthemmende Droge kriminell eingesetzt werden, allerdings erfolgt die Zugabe als Pulver in Getränken.

"Es würde einen völlig umhauen", erklärte die Pharmakologieprofessorin Valerie Curran dem englischen "Guardian" in einem Interview 2015, "aber Verlust des freien Willens - ich weiß nicht. Es setzt einen außer Gefecht, weil man sich so schläfrig fühlt, dass man sich nicht daran erinnern kann, was los ist. Aber das wäre auch bei großen Mengen an Alkohol oder an anderen Drogen wie Valium oder anderen Benzodiazepinen der Fall."

In der Medizin wird gering dosiertes Scopolamin als (verschreibungspflichtiges) Pflaster gegen Reiseübelkeit eingesetzt, weil es wegen seiner lähmenden Wirkung das Gleichgewichtsorgan beeinflusst und Brechreiz unterdrückt.

Wie sieht Professor Boernes Krafttier aus?

Als Frank Thiel unter Hypnose von einem Wildschwein spricht, sieht Professor Boerne darin sein "Krafttier". Krafttiere stammen aus der Tradition ethnischer (also mündlich überlieferter) Religionen vieler indigener Völker. Dort sind sie Schutz- und Hilfsgeister, die Tiergestalt angenommen haben und dem Einzelnen in Trancezuständen erscheinen. Schamanen dienen sie als Verbindung zur Natur und Tierwelt.

Mitunter werden Krafttiere auch als die Seelen Verstorbener interpretiert, die die Hinterbliebenen in ihrer neuen Gestalt begleiten. In der Esoterik und im modernen Schamanismus wird die Idee aufgegriffen, indem Anhänger ermutigt werden, in Trance oder Träumen (ähnlich Thiel) das persönliche Krafttier zu finden, das dem Einzelnen (einem treuen Haustier nicht unähnlich) beisteht und in schwierigen Situationen Kraft gibt.

J.K. Rowling greift die Tradition in ihren "Harry Potter"-Romanen auf, wenn die Helden mithilfe eines Zaubers ihren "Patronus" heraufbeschwören können, ein Tier, das sie bei Gefahr beschützt.

Darsteller Jan Josef Liefers hat anlässlich der "Tatort"-Folge darüber spekuliert, was das Krafttier seines Professor Boerne wäre: "Es wäre natürlich eine Kreuzung aus dem geschmeidigen Panther und einem edlen, starken Lipizzaner-Hengst!"

Was steckt hinter Kommissar Thiels Flashbacks?

Nach seiner im Rausch verbrachten Nacht kehren die Ereignisse langsam als Erinnerungsfetzen zurück. Regisseurin Francis Meletzky (die 2011 auch den Münsteraner "Tatort: Zwischen den Ohren" inszenierte) hat mit Kamerafrau Bella Halben dafür den Effekt der Solarisation angewendet, eine Technik, die in den Anfängen der Fotografie zufällig durch versehentliche Überbelichtung des Films entdeckt und später als Stilmittel eingesetzt wurde. Dabei erscheint das Motiv in verschiedenen Schwarz- und Graustufen und bekommt einen Lichtrand, der Effekt erinnert an Röntgenbilder.

"Die Idee der Solarisation entstand erst kurz vor dem Dreh", so Francis Meletzky, "und ist, wenn wir noch Film belichten würden, eine Art ,Negativ'. Was dadurch mit dem Material passiert, ist ziemlich nah an den Beschreibungen Betroffener einerseits und filmisch war es eine neue Erfahrung für uns. Dazu kam, dass ich den Gedanken des ‚Negativs‘ inhaltlich mag für eine so positive Figur wie Thiel."

Was hört Professor Boerne?

In mehrern Szenen lauscht Musikliebhaber Karl-Friedrich Boerne dem "Requiem" von Wolfgang Amadeus Mozart. Das passt zur Geschichte, die von einem perfiden Racheplan erzählt. Das berühmte Requiem ist eine der Vertonungen der Totenmesse. Der Satz Lacrimosa ("tränenreich"), der am Ende des "Tatort" zu hören ist, beinhaltet die Strophe "Ein Tränentag, jener Tag,/ an dem aus dem Feuerbrand aufsteht/ der schuldige Mensch zum Gericht". Sie gehört zum mittelalterlichen Hymnus Dies irae – "Tag des Zorns", der vom Jüngsten Gericht handelt, von Gottes fürchterlichem Urteil über die sündige Menschheit und der flehenden Bitte um Vergebung.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.