Bei einer Verkehrskontrolle werden zwei Polizisten erschossen. Die Flucht des Täters löst eine Kettenreaktion aus, die nicht nur das Dresdner "Tatort"-Team aufwühlt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In der Garage steckt der tote Bruder in Pappkartons. Fotos, Sporttrophäen, eine alte Wolldecke. Sein Auto unter einer Plane. Im Handschuhfach ein Zippo. Leonie Winkler greift nach dem Feuerzeug und klickt den Deckel auf. Und zu. Auf und zu. Auf und zu.

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Das Klicken weckt Erinnerungen. An Rauchpausen. Selfies. Viel Gelächter bei gemeinsamen Polizeieinsätzen. Aber kurz vor seinem Tod ging es Martin nicht gut. Da war was, ist sie sich sicher. Doch in der Familie spricht man nicht über Gefühle. Man trauert nur um den toten Bruder.

Bislang schwang Leonie Winklers Familiengeschichte im Dresdner "Tatort" immer nur im Hintergrund mit. Der Vater ein angesehener Polizist, der den Tod seines Sohnes nie verwunden hat. Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) eine erfolgreiche Kommissarin, aber für ihren Vater ist sie immer nur die, die überlebt, die den Tod des Bruders nicht verhindert hat.

"Unter Feuer" enthüllt, was damals wirklich passierte. Es ist ein melancholischer Herbstkrimi (Regie: Jano Ben Chaabane, Buch: Christoph Busche), der seine Geschichte in stimmungsvollen Bildern erzählt.

Ein Polizist wird erschossen

Los geht es mit einer Verkehrskontrolle auf einer einsamen Landstraße irgendwo bei Dresden. Ein Polizist wird erschossen, der andere schwer verletzt. Die zwei verbleibenden Polizistinnen flüchten in Panik. Der Täter verschwindet zu Fuß. Leonie Winkler war ganz in der Nähe und ist als Erste am Tatort. Eigentlich war sie mit einem Unbekannten verabredet.

Im Auto des geflüchteten Schützen liegt ein Handy. Als Leonie es untersucht, stellt sich heraus, dass der Mann sie von diesem Handy aus angerufen hat: Er war ihre Verabredung. Er habe Informationen zum Tod ihres Bruders, hatte er gesagt. Bei dem Polizeieinsatz, bei dem Martin Winkler ums Leben kam, sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Leonie Winkler weiß, dass sie nur wenig Zeit hat, bevor die Spurensicherung das Handy findet und sie von dem Fall abgezogen wird. Sie ermittelt auf eigene Faust.

Schnell stellt sich heraus, dass die angeschossenen Polizisten Kollegen ihres Bruders waren. Aber außer ihr scheint das niemand seltsam zu finden. Auch nicht, dass die beiden eine Verkehrskontrolle auf einer gottverlassenen Landstraße angesetzt haben. Nicht der Revierleiter Jens Riebold (Andreas Lust), der damals Martins Vorgesetzter war, und auch nicht Martins Vater Otto Winkler.

Wenn Kollege Riebold nichts Ungewöhnliches feststellen kann, dann sei da auch nichts Ungewöhnliches, sagt Otto Winkler. Genau das hat er Leonie auch vor neun Jahren gesagt, als sie sich Sorgen um den Bruder machte. Und dann war Martin tot.

"Tatort: Unter Feuer" aus Dresden ist eine Familiengeschichte

"Unter Feuer" ist in mehrfacher Hinsicht eine Familiengeschichte. Es geht ja nicht nur um die Wunden, die Martins Tod der Familie Winkler zugefügt hat. Es geht auch um den unbedingten Korpsgeist auf Riebolds Wache. Nicht nur Leonie hat das Gefühl, gegen die eigene Familie ermitteln zu müssen: Bei der Suche nach dem geflüchteten Täter sind Kollegin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) auf eine Serie ungelöster Einbrüche gestoßen.

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Seit elf Jahren kommt es in der Region zu erstaunlich professionell ausgeführten Diebstählen, ohne dass jemand gefasst wurde. Bei einem Arbeitsfrühstück mit dem zuständigen Beamten spricht Karin Gorniak es aus: "Könnten Polizisten im Spiel sein?" Der Kollege verschluckt sich am Kaffee, Schnabel brüllt: "Wie könne sie es wagen! So eine pietätlose Unterstellung! Angesichts der Schüsse auf Kollegen! Auf 'uns'!"

Aber was ist dieses "uns", wer ist dieses "wir"? Der Mord auf der Landstraße wühlt alles auf, was als solide und beständig galt: Die Freundschaft zwischen Schnabel und Otto Winkler (Uwe Preuss) zum Beispiel, oder das Ersatzvater-Verhältnis zwischen Schnabel und Leonie. Aber auch das Beziehungsgeflecht im Ort, wo die Grenzen zwischen Polizeiwache und Kneipe fließend scheinen.

Von den Kosten und Folgen, die eine blinde Loyalität haben kann, erzählt "Unter Feuer" auf eindringliche, schwermütige Weise, ohne jemals langsam oder langweilig zu werden. Es ist ein dicht erzählter, psychologisch spannender Kriminalfilm, der das Dresdner Team wieder einmal zu einem Highlight der "Tatort"-Reihe macht.

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