• "Schattenleben" spielt in der linken Szene Hamburgs und behandelt das heikle Thema Polizeigewalt. Deshalb kam es bereits während der Dreharbeiten zu Spannungen.
  • Aber sie sind nicht der Grund, warum die Regisseurin seitdem ein gefragter Gast auf Podiumsdiskussionen ist.
  • Hintergründe zum Hamburger "Tatort: Schattenleben".

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Beruht "Schattenleben" auf einem wahren Fall?

Die Geschichte um eine verdeckte Ermittlerin, die Gefallen an der alternativen Lebensweise findet, ist von den Fällen zweier junger Polizistinnen inspiriert, die linke Szenen Hamburgs ausspioniert hatten und 2015 aufflogen. Umstritten war dabei die Legimität der Methoden beider, die auch sexuelle Beziehungen in der Szene eingegangen waren.

Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Hamburger Polizeiakademie, beriet bei den Dreharbeiten und erklärt auf "daserste.de" die Faszination solcher Arbeit für verdeckte Ermittler: "Es gibt eine Lust daran, genau das Gegenteil von dem zu tun, wofür man seinen Diensteid geleistet hat, Szenen ausspionieren, Leute aushorchen, Dinge tun, die sonst verpönt und amoralisch sind. Bei verdeckten Ermittlungen im Rotlichtmilieu erleben wir auch immer wieder, dass Polizisten von der Gegenseite fasziniert sind."

Besonders problematisch werde die Grenzwanderung bei sexuellen Beziehungen, weil es fast unmöglich sei zu klären, ob diese seitens der Beamten authentisch waren oder aus taktischen Gründen eingegangen wurden: "Bei einer verdeckten Ermittlung können Dinge geschehen, die bürokratisch oder juristisch nicht zu steuern sind. Sich verlieben zum Beispiel, was ja in keiner Weise strafbar ist. Können wir es einer Polizistin verdenken, dass sie sich in ihrer Rolle noch menschlich verhält? Oder müssen wir davon ausgehen, dass alles berufsrollenmäßig durchgetaktet war ... Das ist der tragische Moment dabei. Wie beim sexuellen Missbrauch liegt die Beweislast auch hier bei den Opfern."

Was bedeutet FLINTA?

Im "Tatort" wird von FLINTA gesprochen, als das Wohnprojekt Attacke beschrieben wird, das innerhalb der "cis hetero männlich"-geprägten Gesellschaft einen Schutzraum bieten will. Das Akronym steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen (mit agender – also "a-geschlechtlich" – werden Menschen bezeichnet, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen und das Konzept oft generell ablehnen).

Die Schreibweise FLINTA* (mit Stern) soll zusätzlich jene einschließen, die sich in keiner dieser Gruppen wiederfinden, aufgrund ihrer Geschlechtsidentität aber in einer patriarchalen Mehrheitsgesellschaft ebenfalls marginalisiert werden.

Im Unterschied zur bekannteren Bezeichnung LGBTQ+, die Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung als die heterosexuelle beschreibt, weist FLINTA* auf eine andere Geschlechtsidentität als cis hetero männlich hin.

Lesben gehören genau genommen also nicht dazu, wurden aber in FLINTA aufgenommen, um die feministischen Errungenschaften ihrer Bewegung zu würdigen.

Warum gab es Ärger um den Drehort?

"Schattenleben" wurde im Mai 2021 unter anderem im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg gedreht. Das Gebäude, in dem "Attacke" beheimatet ist, steht in der Mokrystraße und ist auch in Wirklichkeit ein linksalternatives Wohnprojekt. Im GoMokry leben knapp 50 Menschen.
Die "Bild"-Zeitung berichtete im Mai 2021, GoMokry werde vom Verfassungsschutz beobachtet, weil es "eindeutige Bezüge in die linksextremistische Szene" gebe. Daraufhin veröffentlichte der NDR eine Stellungnahme: Die Wahl des Motivs habe Kritik hervorgerufen, "denn nach Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg wird die Einrichtung gelegentlich von der linksextremen Szene genutzt. Grundlage für diese Einschätzung sind vor allem Verlinkungen auf der Homepage des Vereins, die zu anderen Hausprojekten führen. Der Verein oder auch das Objekt selbst stehen nach Aussage des Verfassungsschutzes jedoch nicht unter Beobachtung."

Das GoMokry-Kollektiv veröffentlichte ein Statement zum "Tatort": "Wir sehen es sehr kritisch, dass Polizeigewalt mit diesem Format salonfähig gemacht wird und die Polizei durch dieses Format überwiegend in ein positives Licht gestellt wird." Die rund 3000 Euro Einnahmen durch den Dreh würden "für die Unterstützung von Menschen, die u.a. von Polizeigewalt betroffen sind, genutzt."

Was bewirkt der Inclusion Rider?

Als Regisseurin Mia Spengler angeboten wurde, nach "Die goldene Zeit" einen zweiten Hamburger "Tatort" zu drehen, sagte sie unter der Bedingung zu, dass ein Inclusion Rider (zu Deutsch etwa: "Einbeziehungsparagraf") in den Produktionsvertrag eingefügt werden muss.

Dabei handelt es sich um eine Klausel, wonach gesellschaftliche Gruppen entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung auch an der Herstellung eines Films beteiligt sein sollen. Dazu gehören zum Beispiel Schwarze, Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung und Angehörige der FLINTA- und LGBTQ+-Community. Der Inclusion Rider geht auf eine Idee der amerikanischen Professorin für Medien- und Genderstudien Stacy Smith zurück, die 2016 kritisiert hatte, dass US-Produktionen überproportional von Weißen dominiert werden, was nicht der Realität der amerikanischen Bevölkerung entspreche.

Wie erfolgreich ist die Klausel?

Einer breiteren Bevölkerung – auch in Hollywood – wurde der Inlusion Rider erst im März 2018 bekannt, als ihn die Oscar-Preisträgerin Frances McDormand ("Three Billboards Outside Ebbing, Missouri") in ihrer Dankesrede erwähnte. Die Preisverleihung stand unter dem Einfluss der #metoo-Bewegung. Frances McDormand forderte mit ihren Worten ihre Kolleginnen und Kollegen dazu auf, ihren Einfluss dazu zu nutzen, in Verträgen auf dem Paragrafen zu bestehen: Damit ermöglichen Berühmtheiten auch marginalisierten Bevölkerungsgruppen eine Anteilnahme an Hollywood. Stars wie Matt Damon und Ben Affleck folgten ihrem Beispiel.

Allerdings berichtete die "New York Times" 2019, nur wenige Filmstudios seien zu dem Inclusion Rider bereit – mit dem Bezug auf künstlerische Freiheit oder der Begründung, ihre Verträge enthielten bereits ähnliche Gleichberechtigungsparagrafen.

Regisseurin Mia Spengler erzählt, seit diesem "Tatort" werde sie "mindestens dreimal die Woche zum Thema Inclusion Rider angerufen und nach meinen Erfahrungen und Kontakten gefragt. Und ich kann mich vor Panel-Anfragen kaum retten." Man habe "mit dem Projekt eine Nachfrage an den Markt gestellt. Jetzt geben wir dem Markt ein bisschen Zeit, darauf zu reagieren."

Verwendete Quellen:

  • daserste.de: Prof. Dr. Rafael Behr ist Professor für Polizeiwissenschaften mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie
  • bild.de: "Tatort" zahlt 3.000 Euro für linke Extremisten
  • ndr.de: Einsatz für mehr Vielfalt: Inclusion Rider beim neuen NDR "Tatort"
  • nytimes.com: Inclusion Rider? What Inclusion Rider?
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