Detlef Buck als "Der Mann, der in den Dschungel fiel" ist ein Vergnügen. Warum der "Tatort" aus Münster trotzdem auf die Nase fällt.
Hotte Koslowski ist ein Mann zum Fremdschämen. Nennt sich Stan Gold und steht stotternd auf der Bühne des Stadttheaters. Halb Münster hat sich versammelt, um dem neuen Stadtschreiber zu gratulieren. Hippie Hotte ist nämlich mit einem Flugzeug über dem Dschungel von Paraguay abgestürzt, hat zehn Jahre bei einem Eingeborenenstamm gelebt und darüber ein Buch geschrieben.
Jetzt ist er Bestsellerautor und stammelt eine Dankesrede, bei der die Ex und ihre Tochter tief in ihren Sitzen versinken. Auch Frank Thiel kann nicht glauben, was aus seinem dauerkiffenden ehemaligen Mitschüler geworden ist: "Hotte und ein Buch schreiben", schüttelt er den Kopf. Eher gewinne St. Pauli die Champions League.
Aber alles dreht sich an diesem Abend um Stan Gold. Seine Literaturagentin (Eva Verena Müller) schmollt, weil er ihr in seiner Dankesrede nicht gedankt hat. Seine Ex Gisela (Nicole Johannhanwahr) wirft ihm dann doch verdächtig liebevolle Blicke zu, ihr Ehemann (Thomas Fehlen) ist misstrauisch. Ein "Chaot und Sitzenbleiber" sei Hotte immer gewesen, wird der Apotheker später sagen. Auch er war auf derselben Schule.
Und dann liegt Stan Gold röchelnd auf dem Boden seiner Garderobe. Professor Boerne darf ihm den Kugelschreiber in die Luftröhre rammen und mit der beliebten Vorabendserien-Methode schön dramatisch das Leben retten.
Das alberne Trio wird gut gelaunt in Szene gesetzt
Aber war das tatsächlich eine allergische Reaktion auf einen Bienenstich? Oder ein Mordversuch? Kommissar Thiel ermittelt, während Boerne hin und weg ist von und mit Stan Golds enthusiastischer Agentin – und ihrer Idee, seine rechtsmedizinischen Erinnerungen ebenfalls in einen Bestseller zu verwandeln.
Detlef Buck spielt Horst Koslowski als eine Mischung aus Boss Hoss und Deutschlehrer, ein gealterter Rocker im Cordjackett. Sein Hotte ist liebenswert und nervtötend zugleich – eine tolle Besetzung, die Axel Prahl (als Kommissar Frank Thiel) und Jan Josef Liefers (Karl-Friedrich Boerne) glatt an die Wand spielt.
Die scheinen das dem Kollegen aber nicht übelzunehmen und tanzen, wie von Thorsten Wettckes Drehbuch vorgesehen, gefügig um den Gaststar herum. Regisseur Till Franzens Filmteam setzt das alberne Trio gut gelaunt in Szene.
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Dieser "Tatort" zieht sich zäh in die Länge
So verspricht "Der Mann, der in den Dschungel fiel", ein vergnüglicher Münsteraner "Tatort" zu werden. So unterhaltsam wie die Edgar-Wallace- und Frances-Durbridge-Straßenfeger der sechziger Jahre, auf die der Vorspann anspielt: Rätselkrimis mit überschaubarem Plot, dramatischen Streichern und einer expressiven Mimik, die direkt aus der Stummfilmzeit herübergerettet worden zu sein schien. (Auch) sie waren kriminalistische Kuriositätenkabinette nach simplem Whodunit-Muster.
Doch anders als diese Film-gewordenen Groschenhefte zieht sich "Der Mann, der in den Dschungel fiel" zäh in die Länge. Es liegt an der Natur der eher speziellen Auflösung dieses Falls, dass viel geredet werden und relativ wenig passieren muss. Dabei interessiert sich das Drehbuch nicht wirklich für die Figuren. Die exaltierte rothaarige (!) Agentin Sabina Kupfer (!) wird pflichtgemäß übertrieben gezeichnet und gespielt, sie gerät zur typischen Münsteraner "Tatort"-Karikatur.
Thiel und Boerne benötigen als Standardinventar minimale Aufmerksamkeit und müssen ihren Rollen nichts Neues hinzufügen. Wenigstens darf Boerne gegen Ende überraschend Schwäche zeigen. Das erinnert an Wettckes emotional berührenderen Münsteraner "Tatort: Des Teufels langer Atem" vom letzten Jahr.
Hier gilt die volle, geradezu verliebte Konzentration eben Detlef Buck als Hotte Koslowski/Stan Gold. Doch in der Natur dieser Figur wiederum liegt es, dass er irgendwann einfach nur noch nervt. Zur Anteilnahme kommt es nicht. Wenigstens ist das absurde Ende dadurch mehr Erleichterung als Ärgernis.
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