Die 14-jährige Talia hat einen Mörder überrascht. Aber der ist nicht das einzig Unheimliche, das das Mädchen sieht. Der neueste Fall für die Dresdner "Tatort"-Kommissarinnen ist ein gelungener Mystery-Thriller mit Horrorelementen.
Wer dachte, der "Tatort" letzte Woche war gewagt, mit Professor Boernes Ausflug in die Hölle, der kann sich auf etwas gefasst machen: Zombies! Geister! Und Dämonen!
Der Dresdner "Tatort: Parasomnia" ist ein herrlich gruseliger Novemberkrimi, mehr "Para" als "Somnia", eher übersinnlich als schläfrig – wenn man sich darauf einlässt. Nämlich darauf, dass die 14-jährige Talia tagsüber zwar Tote sieht, wie es sich für einen ordentlichen "Tatort" gehört, aber nachts Gespenster. Bleiche Gesichter spiegeln sich in dunklen Fensterscheiben, dürre Frauenhände greifen in kalten Kellern nach ängstlichen Mädchengesichtern und nachts im Garten feiern die Toten Auferstehung.
"Tatort" aus Dresden: Talia erschafft sich ihre eigene Welt
Parasomnien sind Schlafstörungen, bei denen es zu Aktivitäten der Schlafenden im Bett und außerhalb kommt – sowohl Albträume als auch Schlafwandeln gehören dazu. In Talias Fall sind es die erwähnten Begegnungen der unheimlichen Art. Die Halbwaise hat vor Jahren bei einem Unfall ihre Mutter verloren, seitdem verdrängt sie alles, was sie nicht wahrhaben will. Und das kommt nun, wie es sich für das Schauergenre gehört, in vom Unterbewusstsein schrecklich veränderter Gestalt zurück.
Meistens geschieht das nachts, im Schlaf. Aber zu Beginn des "Tatort" ist Talia am helllichten Tag auf eine tatsächliche Leiche gestoßen. Im Haus ihrer Kindheit, in das sie gerade mit ihrem Vater Ben Schröder (
Die Kommissarinnen
Im Stil eines skandinavischen Nachkriegsdramas
Talia fasst umgehend ein kindliches Urvertrauen zu Leonie Winkler, weil diese sie an ihre tote Mutter erinnert. Die Kommissarin wehrt sich anfangs gegen die unheimliche Zuneigung – mit zu viel Nähe und Emotionalität kann Winkler bekanntlich nicht besonders gut umgehen, zumal sie ihre eigenen Ängste hat, die ihr folgen. Die 20-jährige Hannah Schiller meistert die schwierige Rolle eines traumatisierten Teenagers – nur das hilflose Entlein, als das sie Kommissarin "Leo" so treu hinterhertapst, ist ein bisschen dick aufgetragen.
Apropos dick: Auch die herbstliche Landschaft und das heruntergekommene Herrenhaus spielen in dieser Gruselgeschichte überzeugende Hauptrollen. Vater und Tochter wirken wie aus der Zeit gefallen, Talias Krankheit und Ben Schröders Geldsorgen seit dem Tod der Mutter haben sie zu Außenseitern gemacht. Aber die dicken Norwegerpullis und Wolljacken, in denen sie die ganze Zeit herumlaufen, lenken in ihrer Auffälligkeit eher ab: Ja, es ist kalt, und ja, das alte Gemäuer ist teuer zu heizen, aber wir sind hier doch nicht in einem skandinavischen Nachkriegsdrama in Schwarzweiß, in dem nur noch das Klagen einer dürren Kuh im Morgengrauen fehlt.
"Parasomnia": Ein fesselnder Mystery-Thriller mit Horrorelementen
Karin Gorniak verfolgt derweil mit Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) eine Spur, die mit dem alten Haus zusammenhängt und in die Stasi-Vergangenheit der DDR führt. Und dann sind da noch die reizenden Nachbarn, Herr und Frau Steinmann. Die leben in einem ordentlichen Haus und sehen Dinge am helllichten Tag – weil sie genau aufpassen, was in der weniger aufgeräumten Welt da draußen so vor sich geht. Aber macht das ihre Beobachtungen zuverlässiger als Talias Visionen?
Sebastian Marka und Erol Yesilkaya sind ein preisgekröntes "Tatort"-Gespann ("Die Wahrheit" aus München, "Meta" aus Berlin). Für "Parasomnia" hat Markas Regie Yesilkayas Drehbuch in einen visuell überzeugenden und fesselnden Mystery-Thriller mit Horrorelementen verwandelt – so überzeugend und fesselnd, dass empfindsamere Gemüter (wie die Rezensentin ...) das ein oder andere Mal hinter dem Sofakissen Zuflucht suchen dürften.
"Parasomnia" erzählt von selektiver Wahrnehmung und Verdrängung – ein Motiv, für das sich Horrorfilme mit ihrer Symbolik hervorragend eignen. Denn eigentlich gibt es natürlich keine Geister, es gibt nur persönliche Dämonen, die uns jagen – oder?
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