Je dämlicher der Mörder, desto lustiger das Morden: Im "Tatort: Der letzte Schrey" wird ein Strickwarenunternehmer entführt und Weimar liegt wieder besonders dicht an Fargo.
Heißa, ist das wieder eine Freude, wie der Fleischhammer schwingt und das Blut spritzt. Tote Täterin im Jauchetümpel. Aber der vorletzte Schrey, der Unternehmer Gerd Schrey nämlich, ist immer noch verschwunden. Und sein Sohn Maik, "Der letzte Schrey" also, ist voller Sorge um den armen Papa.
Papa liegt im Kofferraum eines Lieferwagens, gefahren von Zecke, der anderen Hälfte des Entführerduos. Weil aber Zecke entschieden weniger smart ist als die von ihm sehr bewunderten Smartphones, gibt es keinen Grund zur Sorge – außer natürlich die, dass Zecke nochmal durchdreht und wieder zum Fleischhammer greift.
Wobei, der Hammer liegt ja im Jauchetümpel, neben Zeckes Komplizin Freya. Sie war auch nicht gerade die Hellste, aber voller Liebe zu Zecke. Unerwidert, leider. Deshalb der ganze Mist.
"Tatort" aus Weimar besonders dicht an Fargo
In diesem "Tatort" liegt Weimar, Thüringen, wieder besonders dicht an Fargo, North Dakota. Die Drehbücher für die Kommissare Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) pflegen ja die eher lockere Herangehensweise an Mord und Totschlag, für die die amerikanischen Gebrüder Coen mit ihren Krimis in der amerikanischen Provinz berühmt geworden sind.
Dem Stil bleibt Autor Murmel Clausen auch im ersten Drehbuch treu, das er ohne den Kollegen Andreas Pflüger geschrieben hat. Denn der will sich stärker auf seine erfolgreichen Kriminalromane konzentrieren.
Regisseurin Mira Thiel trägt in wiederum ihrem ersten "Tatort" gekonnt ihren Teil dazu bei, das Beunruhigend-Bizarre der Geschichte zu bebildern. Das geht gleich mit der starken Anfangssequenz los: Nahaufnahmen einer Strickmaschine, ein neugieriger Schoßhund im lachsrosa Partnerlook mit Frauchen, eine Pistole, ein Hammer, dazu die harte Percussion von Dürbeck & Dohmen (oft für den Weimarer "Tatort"-Sound zuständig) - und schon läuft im Hause Biedermann die Mordmaschine an.
Eigentlich sollten Gerd und Marlies Schrey entführt und vom Sohn Maik zwei Millionen Euro Lösegeld gefordert werden. Schrey ist Strickwarenhersteller, Marlies war seine zweite Frau, besagte Schreckschraube und als Strickdesignerin in Thüringen weltberühmt.
Weil außer Gerd niemand Marlies leiden konnte, schon gar nicht ihr Stiefsohn Maik, und weil es dem Unternehmen gar nicht gut geht, und weil die Schreys außerdem noch eine Versicherung abgeschlossen haben, die im Entführungsfall zahlt, kommt schnell der Verdacht auf, dass die ganze Angelegenheit inszeniert wurde. Von Maik. Vielleicht auch von Papa. Um mit dem Lösegeld die Schrey’sche Strickerei zu retten. Oder haben die beiden etwa gemeinsam einen Plan geschmiedet?
Schwieriges Verhältnis zwischen Vater und Sohn
Unwahrscheinlich – dass Vater und Sohn ein schwieriges Verhältnis haben, fällt
"Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und Söhnen. Liebt Ihr ihn nicht mehr, so ist diese Abart auch Euer Sohn nicht mehr", heißt es in den "Räubern", wo zwei Brüder um die Liebe des Vaters konkurrieren. Hier sind es eben ein Kind und ein Kläffer.
Lessing kümmert sich fortan geradezu väterlich um den verlassenen Maik, während sich Kira Dorn aus Ärger über das neue französische Au-pair besonders schlecht gelaunt durch "Der letzten Schrey" kalauert. Dafür parliert Lessing wiederum besonders charmant auf Französisch – wieder ganz die moderate, moderierende, moralische Mitte, der Mann.
Mit der Vaterliebe hat es Gerd Schrey nicht so, umso verzweifelter hechelt Maik ihm hinterher. Was hätte man aus diesem Duo mit mehr Mut zur Karikatur machen können!
Stattdessen will sich "Der letzte Schrey" das Mitgefühl der Zuschauer für die doch eigentlich so herrlich absurde Story sichern, indem die Vater-und-Sohn-Beziehung mit lauwarmem Ernst behandelt wird: Ein bisschen komisch, ein bisschen traurig - und dadurch ähnlich erfolgreich wie Maiks Bemühen um Papa.
Sympathischer und dämlicher Täter Zecke
Derweil haben wir längst Zecke in unser Herz geschlossen, eine Figur ganz nach dem Geschmack von Coen-Fans: Ein ebenso sympathischer wie dämlicher Täter, den Christopher Vantis voll ausspielen kann, während man sich bei Julius Nitschkoff als Maik ständig wünscht, dass er mal von der Leine gelassen wird.
Ex-"Tatort"-Kommissar Jörg Schüttauf als Gerd Schrey hätte auch mehr Gelegenheit verdient, die Komik seiner Figur subtiler als mit verknebelten "Hmpfhhhpfhfhhs" und an den Füßen gefesseltem Durch-die-Gegend-Gehoppel im Bademantel rüberzubringen.
Der Weimarer "Tatort" eignet sich ja eher selten zu kriminalistischem Fachgesimpel, sondern regt eher zu Humor- und Stilanalysen an. Und entsprechend lautet die abschließende Frage nicht: War die Suche nach dem Mörder realistisch? Sondern: Hat’s trotzdem Spaß gemacht? Ja, hat Spaß gemacht.
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