Vor einigen Tagen rief die Schauspielerin Anna Brüggemann auf Facebook die Bewegung #nobodysdoll ins Leben. Ihr Ziel: Weniger Rollenklischees, mehr Individualismus auf dem roten Teppich - aber auch überall sonst. Und zwar abseits von Geschlechternormen. Doch ist die Bewegung wirklich notwendig?
Nobody's doll - Niemandes Püppchen, das möchte Anna Brüggemann sein.
Kein hübsches Ding, keine Sache, die man einfach nur gerne ansieht, sondern eine vollwertige Person. Deshalb hat die Schauspielerin die Initiative #nobodysdoll ins Leben gerufen.
In einem längeren Text auf Facebook erklärt sie, was sie damit bezwecken will.
Rechtzeitig zur Red Carpet-Saison möchte sie ihre Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass es bei den meisten Events der Filmbranche eben doch noch eine gewisse unausgesprochene geschlechtsspezifische Kleiderordnung gibt. Die Damen in Abendkleid und Heels, die Herren im Anzug.
Dieser ordnen sich zu viele Menschen unter, wie sie findet. Das möchte sie gerne ändern.
"Balancieren auf dünnen Absätzen"
"Die Frauen zwängen sich in enge Röcke, zeigen Dekolleté, balancieren auf sehr hohen, sehr dünnen Absätzen, und die Männer versuchen, möglichst markant und nonchalant ihre Bodies zu präsentieren. Dabei haben es die Männer noch immer signifikant leichter. Wer einmal den Unterschied zwischen einem Abend im schützenden Sakko und Sneakern oder leichtem Kleidchen und High Heels am eigenen Leib erlebt hat, weiß, wovon ich spreche."
Dieser Auszug aus ihrem Text auf Facebook beschreibt die von ihr wahrgenommene Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, sobald es um Kleidung geht. Sie merkt außerdem an, dass Frauen sich oft immer noch gewissen Erwartungshaltungen beugen würden, wenn es um ihr Aussehen geht.
Nach Brüggemanns Meinung herrschen immer noch festgefahrene Rollenklischees vor, die es aufzubrechen gilt. Dabei betont sie aber, dass sie Mode an und für sich gerne mag.
Ein Problem hat sie jedoch damit, Leute in gewisse Rollen zu zwängen, in denen sich diese vielleicht gar nicht wohl fühlen:
"Fühlen wir uns zum Beispiel wirklich alle in High Heels wohl? Und muss eine Frau immer geschminkt sein? Gibt es wirklich nur eine Sorte Mann, den wir in Filmen sehen wollen?"
Der rote Teppich als modische Vorbildfunktion?
Die Präsentation auf dem roten Teppich sei in erster Linie deswegen so wichtig, da sich viele Menschen an der dort zur Schau gestellten Kleidung ein Vorbild nähmen. Stil-Ikonen aus Film und Fernsehen beeinflussten die Menschen in ihrem Ästhetik-Empfinden, meint Brüggemann.
Wenn man dort nur schlanke Frauen in engen oder weit ausgeschnittenen Kleidern und auf hohen Schuhen zu sehen bekäme, dann würde sich das Empfinden für Schönheit auf diesen Typus Mensch reduzieren. Schädlich für die Wahrnehmung von Attraktivität, findet Brüggemann.
Interessanterweise können gerade Männer aus ihrem Umfeld wenig mit der Aktion anfangen, raten ihr dazu, doch einfach ganz pragmatisch etwas anderes anzuziehen.
Anna Brüggemann geht es aber nicht um sich selbst im Speziellen, sondern um das Frauenbild im Allgemeinen – in der Filmbranche aber auch außerhalb davon. Sie will weg von der Definition von "männlich" und "weiblich" und hin zu einem offeneren Begriff.
Ein Zeichen setzen
Auf der Berlinale (15.02.-25.02.) will sie mit Kolleginnen gemeinsam ein Zeichen setzen. Ob man sie deswegen auf eine Stufe mit der #metoo-Bewegung stellen sollte, ist aber fraglich. Dafür wirkt ihre Kampagne zu aufgesetzt und wenig durchdacht.
So scheint sie zu vergessen, dass vor allem die roten Teppiche dieser Welt in Modefragen eine Bühne bieten für selbstbewusste Extravaganz. Da sind Jeans und Sneaker oft genau so vertreten, wie im Alltag absolut untragbare Haute Couture.
Hier werden also vielmehr Dinge getragen, weil man sie hier tragen kann und nicht, weil man sie tragen muss.
Dass trotzdem viele Frauen zur altbewährten Abendgarderobe greifen, ist zudem wohl weniger dem Rollenzwang geschuldet, als der Tatsache, dass man zu feierlichen Anlässen eben auch mal gerne etwas Elegantes anzieht. Wieso sollte das bei Stars auf roten Teppichen anders sein als bei normalen Menschen auf Taufen und Hochzeiten?
Mit ihrem Text auf Facebook unterstellt Brüggemann in gewisser Weise den Frauen eine Naivität und Fremdsteuerung, die in dieser Pauschalität konstruiert wirkt.
Was also die #metoo-Bewegung mit ihrem wichtigen Hinweis auf sexuelle Belästigung und Missbrauch geleistet und ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat, wird Brüggemanns Kampagne mit ihrer diffusen Kritik nicht leisten können.
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