Lego ist aus vielen Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken. Auch die 7-jährige Charlotte aus den USA spielt damit. Doch das Mädchen ist unzufrieden: Sie findet, dass Lego-Mädchen ein viel langweiligeres Leben haben als Lego-Jungs. Ihr offener Brief im Internet mit der Forderung, das Mädchen-Spielzeug abenteuerreicher zu gestalten, löst nun eine Diskussion über Geschlechterrollen bei Spielzeug aus.
Sie sitzen an Milchshake-Bars, spielen mit ihren Tieren und fahren im Buggy zum Strand. Sie reiten und finden ein Rehkitz im Wald. Lego-Mädchen haben wahrlich ein schönes Leben. Wenig Arbeit und viel Spaß in Pink - und genau das störte die kleine Charlotte. Sie war gelangweilt vom Lego-Angebot für Mädchen und beschwerte sich in einem Brief.
Charlottes Aktion schlug im Netz hohe Wellen, viele stimmten den Vorwürfen der 7-Jährigen zu. So auch Dr. Stevie Schmiedel von der Organisation Pinkstinks. Seit 2012 setzt sie sich mit ihrem Team gegen limitierende Geschlechterbilder ein. Bei Spielwaren bemängelt die Dozentin für Genderforschung an der Universität Hamburg vor allem die "Pinkifizierung", also die starke Geschlechtertrennung.
"Mädchen werden von Naturwissenschaften weg- und zu überholten Schönheitsbildern hingelenkt", so die Mutter zweier Kinder. Schaut man sich Lego-Bausets für Jungen an, wird tatsächlich schnell klar: Sie sind in der Regel anspruchsvoller zu bauen und fördern so logisches Denken.
Fakt ist auch: Das Selbstvertrauen von Schülerinnen in naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathe ist erschreckend gering. Dies ging aus der Pisa-Studie 2013 hervor. Trotz fast gleicher Punktezahlen gaben Mädchen an, kein Vertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten und sogar Angst vor dem Fach zu haben. Das liegt laut Schmiedel auch daran, dass Spielzeug für Mädchen sie in diesen Bereichen nicht fordert.
Die Abenteuer, die Jungs mit ihren Spielsachen erleben, sind zumeist auch weitaus spannender und actionreicher. Dies fängt schon bei anderen Spielwaren für Kleinkinder an: "Captain Sharky erlebt Abenteuer, Prinzessin Lillifee kümmert sich um ihre Tiere." Immer nur gerettet werden, selbst kaum Gefahren überstehen: Eine derartige Trennung der Geschlechter sende eine gefährliche Botschaft, so Schmiedel: "Das schwächt das Selbstbild der kleinen Mädchen". Das sei "wie im Arbeitsmarkt, die Frau haut nicht auf den Tisch".
Viel Tempo in die falsche Richtung
Gender-Marketing beschreibt die auf männliche und weibliche Bedürfnisse zugeschnittene Herstellung von Produkten. Lego war laut Schmiedel einer der Vorreiter auf diesem Gebiet. Früher gab es keine Sets der Marke, die auf Geschlechter zugeschnitten waren. Doch dann versuchte Lego sich durch eine sehr große Action-Spezialisierung, beispielsweise mit "Star Wars"- und "Indiana Jones"-Figuren, auf kleine Jungs als Zielgruppe zu spezialisieren. Dies wurde auch in der Lego-Werbung deutlich. Mädchen waren kaum noch mit den Figuren und Bauklötzen zu sehen.
Irgendwann besann sich der Spielzeughersteller aber auch wieder auf Mädchen als Zielgruppe und führte mehrere geschlechterspezifische Sets ein. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war 1994 "Lego Belville": Diese Reihe war größer als gewohnt, hauptsächlich in Lila oder grellen Farben gehalten und hatte Feen und Fantasy zum Thema. "Lego Belville" war der Vorgänger des vielfach kritisierten, 2012 eingeführten "Lego Friends", das der Auslöser für Charlottes Brief war.
Warum die Hersteller das machen, ist klar: "Alles muss zweifach gekauft werden", sagt Schmiedel. Getrenntes Spielzeug für Mädchen und Jungs schafft Profit.
Konfrontation schon im Kindergarten
Maßnahmen gegen ein überholtes Geschlechterbild müssten schon im Kindergarten ergriffen werden. "Man muss betonen, was den Geschlechterstereotypen widerspricht", so Schmiedel. Beispielsweise wenn ein kleines Mädchen einen kleinen Jungen haue. "Mädchen sind nicht immer süß, wie in vielen Kinderbüchern dargestellt."
Vielleicht kümmert sich in Zukunft dann ja auch mal Captain Sharky um die Tiere, während Prinzessin Lillifee die großen Abenteuer erlebt.
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