- "Meine ganz große Zeit waren die Neunziger", sagt Uwe Hübner, der in besagtem Jahrzehnt als Moderator der "ZDF-Hitparade" zu einem der bekanntesten TV-Gesichter avancierte.
- Heute zieht er als Mitbegründer des Dance-Schlagers, Branchen-Kenner und Manager hinter den Kulissen die Fäden.
- Anlässlich seines 60. Geburtstag hat unsere Redaktion mit ihm über Buchpläne, die Medienwelt und die "heile Schlager-Familie" gesprochen, die laut Hübner nie wirklich heile war – und es bis heute nicht ist.
Herr Hübner, 2019 feierte die "ZDF-Hitparade" 50-jähriges Jubiläum, 2021 feiern Sie Ihren 60. Geburtstag. Die "Hitparade" gibt es längst nicht mehr, Sie hingegen sind in der Branche nach wie vor vertreten. Haben Sie sich – im Gegensatz zu der Kult-Show – rechtzeitig neu erfunden?
Uwe Hübner: Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Früher war alles besser. Da halte ich es lieber mit dem Satz: Jede Zeit hat ihre Helden. Und meine ganz große Zeit waren halt – für Millionen Menschen – die Neunziger. Danach habe ich, mittlerweile auch schon wieder 20 Jahre lang, mehr für die Branche und ganz bewusst hinter den Kulissen gearbeitet. Und mit großem Spaß und Einfluss, den man mir von Seiten der Plattenfirmen zugebilligt hat, neue Promotion-Plattformen erfunden, offene, ehrliche und vor allem transparente, nicht manipulierbare Charts an den Start gebracht, selbst neue Künstler gemanagt, ganz allgemein den Schlager fit gehalten und modern gemacht.
Sie haben sogar einen neuen Trend gesetzt …
Stimmt. Wie man es in den Fachmedien nachlesen kann, haben erstklassige Kollegen (unter anderem im "Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband", Anm. d. Red.) und ich den "Dance-Schlager" entwickelt. Internationale Sounds à la
Es ist immer wieder von der großen Schlager-Familie die Rede. Wie harmonisch ging es hinter den Kulissen wirklich zu?
Meinen Sie damals oder heute? Nun, früher gab es bei weitem schon nicht so diese "heile Welt", wie sie oft beschrieben oder auch heftig kritisiert wurde. Ich habe viele Kollegen kennengelernt, die die Ellenbogen ausgefahren haben. Und harte Bandagen benutzten. Ich als Harmonie-Mensch war bei sehr vielen Spielchen außen vor, habe geradezu naiv nicht mitgemacht. Sonst wäre ich heute auf der Karriereleiter gewiss weiter oben gelandet, hätte aber auch mächtig Nerven und Federn gelassen. Und wäre bestimmt auch vor Gericht gelandet – wie viele andere. In meinen 35 Jahren im TV- und Musik-Showbiz war ich es aber eben nicht. Für mich gab es immer andere Lösungen: Handschlag-Verträge und Gentlemen’s Agreement, die für mich bindend waren. Und notfalls mal ein lautes, reinigendes Gewitter. Danach gibt's Sonnenschein.
Und heute?
Ist im Grunde alles schlimmer. Die Kluft zwischen den Großen und den Kleinen ist enorm geworden – und zwischen denen, die für Qualität sorgen wollen und denen, die schon mit einer Wohnzimmer-Produktion zufrieden sind. Aber auch das ständige Gerede, Nörgeln, Besserwissen und Wichtigmachen von wegen "Ich weiß Bescheid und verrate Euch, was wirklich los ist" sorgt übers Netz für so viele Fake-News und psychologische Spielchen vermeintlicher Fachleute, dass man am liebsten abschalten würde. Gott sei Dank lassen sich nicht alle Fans von diesen Rattenfängern einkassieren und wägen die Argumente ziemlich gut und klug ab. Noch.
Sie haben bis heute so viele Stars begleitet und Geschichten erlebt, kennen die Mechanismen am besten. Wäre der 60. Geburtstag nicht ein guter Zeitpunkt, um das alles aufzuschreiben und in Buchform unter die Menschen zu bringen?
Das Problem ist, dass die Menschen in der Tat ein Anrecht darauf haben, die Wahrheit zu erfahren. Die sie ja auch unbedingt wissen wollen, wie man mir immer wieder beteuerte. Wie das alles hinter den Kulissen wirklich funktioniert. Und wie gerne und gängig zu Tricks gegriffen und auch so einiges "gekauft" wird. Wenn ich das alles aber dem Leser zuliebe outen oder für Schlagzeilen sorgen wollen würde, nur damit sich das Buch besser verkauft, hätte ich gewiss schnell so manche einstweilige Verfügung am Hals – und Shitstorms an der Backe. Nicht, dass ich mich davor scheuen würde, im Gegenteil, es reizt mich sogar, dies zu tun. Denn man könnte auch viel Gutes damit bewirken, damit so manche eben Bescheid wissen und gewarnt sind, in welche Fallen sie besser nicht treten sollten. Oder wie man ehrlich, aufrichtig, mit Werten wie Disziplin, langem Atem, Respekt vor dem Publikum aufwartet oder auch wie man klug mit den Kollegen als Medien-Multiplikatoren umgeht.
Was hindert Sie dann daran?
Ich müsste, um alles korrekt aufzudröseln, wahrscheinlich einige Arrivierte dissen müssen. Und da sagt selbst mein Rechtsanwalt: "Tu dir das nicht an. Genieße dein perfektes Privatleben, die verdiente Ruhe. Und wenn, schreibe nur die schönen Dinge auf. Oder die, über die man schmunzeln kann." Ich bin also echt in einer Zwickmühle gerade.
So sind Sie auch hin- und hergerissen, ob es ein Comeback der "ZDF-Hitparade" geben sollte oder nicht? Wie oft wurde Ihnen diese Frage bereits gestellt?
Gefühlt 1.000 Mal. Und immer habe ich alles abgelehnt. Weil der Fame dieser Kult-Show einfach nicht mehr zu wiederholen ist. Die Art und Weise, wie wir heute Musik konsumieren, hat sich grundlegend geändert. Jeder hört "seine" Songs beziehungsweise sieht sie dann, wie es zeitlich in seinen Alltag passt. Meistens einfach mal zwischendurch. Da bekommst du nicht mehr die gesamte Familie vor den Bildschirm. Aber das machte den Zauber der "ZDF-Hitparade" immer aus. Davon abgesehen würden große Namen gar nicht gegeneinander antreten – was es aber für einen Sender quotenmäßig erst so richtig interessant machen würde. Nein, es muss ein anderes Format her.
Haben Sie eine Idee – eine, die Sie sogar moderieren würden?
"Bio's Bahnhof" habe ich geliebt. Da mischten sich echte Stars mit vielen wirklich interessanten Newcomern. Es wurde live gesungen und wahres Talent gezeigt. Das hatte Emotionen und viel Menschliches. Und da dürfte, sollte es neu aufgelegt werden, der Moderator sogar graue Haare haben – wie ich inzwischen (lacht). Nein, Spaß beiseite: Es müsste echte Lebenserfahrung zählen, Kern-Kompetenz und Kontakte, eine hohe Kreativität, alles zu verbinden, aber auch eine angenehm charmante Gelassenheit.
All das bringen Sie ja aktuell als Manager ein … bei Ihrem neuen Schützling Vivien Gold.
Eigentlich hatte ich das Management vor ein paar Jahren zur Seite gelegt. Zugegeben auch etwas enttäuscht. Weil mir die Familien der Künstler, die ich zu betreuen hatte, am Ende dann doch zu viel reingeredet haben. Aber da war ich selbst schuld dran. Hatte ich doch zugelassen, dass sie demokratisch mitgestalten dürfen. Ein echter Fehler. Bei Vivien ist nun alles anders. Wir beraten sie lediglich. Aber das ist das richtige Verhältnis. Sie hört genau zu und sich alles an, ist nicht beratungsresistent, wägt klug ab – und entscheidet am Ende selbst und alleine. Wir haben großes Vertrauen zueinander. Na ja, und dazu ist sie nicht nur ein ganz lieber und herzlicher Mensch, sondern auch hochtalentiert, hat alle ihre Texte selbst geschrieben, mitkomponiert, ihre Homepage und das eigene erste Album komplett selbst gestaltet, sogar das Video selber gedreht und geschnitten. Aus der Corona-Not heraus also alles richtig gemacht. Ohne Plattenfirma, wohl gemerkt. Ich lerne sogar von ihr, vor allem was Social Media angeht. Sie zündet meine Kreativität an. Und das ist exakt das, was ich liebe.
Apropos "Fehler": Gab und gibt es weitere von Ihnen? Und wenn ja, welche haben Sie bereut?
Eine ganze Menge. Ich würde, mit den Erfahrungen, die ich heute im Rücken habe, einiges nicht noch mal so machen, wie ich es getan habe. Lange Zeit etwa immer nur Everybody's Darling sein zu wollen, ständig den Harmonie-Menschen rauszukehren, keine strategischen Pläne geschmiedet zu haben, sondern mehr spontan aus dem Bauch heraus gelebt und gehandelt zu haben, das waren sehr wohl Stolpersteine in meiner Medien-Karriere.
Was haben Sie hingegen besonders richtig gemacht?
Für Dany, meinen Seelenhund, den ich 15 Jahre ständig an meiner Seite hatte, mehrere reizvolle Angebote von Platten- und TV-Produktionsfirmen abgelehnt zu haben. Denn man erlaubte mir nicht, sie mitnehmen zu dürfen. Meinen grenzenlosen Optimismus behalten zu haben und dennoch dazwischen ganz bewusst hinterfragende Stunden voller Pessimismus eingelegt zu haben, das erdet. Dass man bei mir immer mit Argumenten landen konnte. wenn man mich vom Gegenteil überzeugen wollte. Auch wenn mein Gegenüber stets verdammt gute Argumente zu liefern hatte (lacht).
Welche Ziele verfolgen Sie mit Blick auf das, was da noch kommt?
Alles hat vor allem mit dem Privatleben zu tun. Als Erstes steht auf dem Plan: Spanisch lernen, Hunde retten, Natur erleben, wilde Strände erkunden, den klaren Sternenhimmel vom Pool aus bestaunen, Palmen beschneiden lernen, hochwertiges Sushi zubereiten, alle nur möglichen Cocktail- und Kaffee-Rezepte mit Licor 43 ausprobieren – und dabei mir wahre Freunde einladen und sie bewirten. Dabei mich am liebsten mit lebenserfahrenen Menschen unterhalten und, falls sie es wollen, den Jungen, Nachdrängenden die richtigen Ratschläge geben – damit sie später mal Spaß und Interesse daran haben, mich mit dem Rollstuhl durch den Park zu schieben.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.