Was für eine Woche für Fans des royalen Adels-Zirkusses. In Wimbledon erhebt sich das gesamte Stadion jubelnd für den ersten Auftritt der Prinzessin von Wales, seit sie ihre Krebs-Diagnose veröffentlichte. An ihrer Seite: Ihre Tochter, die 2015 geborene Charlotte of Wales. Der leicht unterschwellige Rollenklischee-Sexismus des Königshauses bleibt dabei unbemerkt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Zeitgleich zum Wimbledon-Finale in London stehen nämlich die Three Lions, das englische Fußballnationalteam, in Berlin im EM-Finale. Dort hält derweil William, Prince of Wales nebst dem Thronfolgerfolger, Prince George of Wales, die britische Stellung. Tennis für die Frauen, Fußball für die Männer. Der Buckingham Palace ist von konservativer Geschlechtereinordnung offenbar stärker abhängig als Donatella Versace von plastischen Chirurgen.

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Diese Woche bleibt dieser genderrelevante Fauxpas jedoch weitestgehend unkommentiert. Andere, positive Dinge dominieren das Sportwochenende. Mit der neunjährigen Charlotte scheint in England eine neue royale Figur mit besonderer Aura heranzuwachsen. Ich hatte es an anderer Stelle schon vor zwei Jahren prognostiziert: Prinzessin Charlotte wird die neue Lady Di. Eine versöhnende, herzensgute, liebevolle Figur, nach der sich die Monarchisten im Königreich schon so lange sehnen. Ein Job, den Protagonisten wie Camilla Parker-Bowles oder Prinz Andrew sicher nicht erledigen können.

Aber auch Charlottes kindlich royaler Charme kann nicht verhindern, dass Spanien dieses Wochenende in den Finalspielen abräumt. In Berlin siegt die "Rote Bestie" gegen England, in Wimbledon triumphiert Carlos Alcaraz. Europameister Spanier, Wimbledonsieger Spanier. Das gab es zuletzt 2008. Vor 16 Jahren gewann ebenfalls Spanien die EM, Carlos Alcaraz allerdings war erst fünf Jahre alt. Für die Spanier, die dank ihres Sieges über Deutschland im Viertelfinale nun auch noch Mallorca behalten dürfen, holte damals Rafael Nadal den Titel auf dem heiligen grünen Rasen im südwestlichen London. Er fand damals - und ich bitte im Vorfeld für diesen Gag um Entschuldigung - anscheinend den Nadal im Heuhaufen.

Viva Espana

Womit wir beim nächsten Königshaus wären. Auf der Tribüne im Berliner Olympiastadion wohnt traditionell auch der spanische König Felipe VI. dem Finale bei. Artig jubelt er am Ende mit der spanischen Gewinnertruppe um den zwei Tage zuvor 17 Jahre alt gewordenen Lamine Yamal und den 21-jährigen Nico Williams. Felipe sieht immer ein bisschen so aus wie Mel Gibson nach der Reha und kann trotzdem nicht verhindern, dass der hochgelobten Harry Kane mit minusrekordverdächtigen elf Ballberührungen und einer Gelben Karte in 61 Minuten zu sowas wie dem Anti-Matchwinner wird. Nicht auf den Rängen zu sehen übrigens: Sofía de Borbón y Ortiz, Felipes Tochter - die Charlotte von Spanien.

Für glamourösen weiblichen Nachwuchs ist somit auf royaler Ebne gesorgt. Welche Lieblingslieder Charlotte und Sofía haben, ist mir nicht bekannt. Eines von meinen war aber immer "Erste Schritte" von Max Herre und seiner Band Freundeskreis. In diesem Song kommt eine Zeile vor, die mir nicht aus dem Kopf geht, seit ich sie das erste Mal hörte. Sie lautet: "Silvester mit Sasche in Westberlin, auf der Bergmannstraße kauf´ ich Love Supreme". Zu dem Song habe ich eine besondere Verbindung. Lange Jahre war ich überzeugt, Max Herre berichtet in diesem Song, er habe mit 15 Jahren "Love Supreme" gekauft - also musste "Love Supreme" bestimmt eine fancy Droge sein, die man damals dringend ausprobieren musste, wenn man aus dem verschlafenen Stuttgart nach Westberlin kam. Immerhin ist Max Herre schon über 50 Jahre alt und es muss so ungefähr 1979 gewesen sein, als er mit 15 Jahren Silvester in Kreuzberg feierte, wie er in "Erste Schritte" sprechsingt. Und Herre ist ja Rapper, da liegt es nahe, ihm eine besondere Affinität für den Konsum bewusstseinserweiternder Substanzen zu unterstellen.

Love Supreme, die Jazzdroge

Als ich Jahre später aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in Berlin benötige und bei einer guten Freundin ein WG-Zimmer am Platz der Luftbrücke beziehe, wird die Bergmannstraße für eine Weile zu meinem eigenen Kiez. Fast täglich flaniere ich dort zwischen In-Restaurants und Gentrifizierung hin und her. Max Herre, der inzwischen auch in Berlin leben soll, treffe ich dort nie. Ihn sehe ich erst, als ich 2022 nach Charlottenburg ziehe und regelmäßig um den Lietzensee spaziere. Auf der Bergmannstraße kaufe ich nie "Love Supreme", sondern lediglich unzählige Latte Macchiato mit Hafermilch und dutzende vegane Currywürste von "Curry 36" am Mehringdamm um die Ecke.

Das ist aber auch gut so, denn von einheimischen Alt-Kreuzbergern, die gerne von den besseren Zeiten an der Bergmannstraße erzählen, als noch nicht alle Wohnungen saniert und nur noch bei AirBnB statt am hart umkämpften Wohnungsmarkt feilgeboten wurden, erfahre ich beim Smalltalk im Umami X-Berg, dass "Love Supreme" keineswegs eine in den 70er Jahren beliebte Marihuana-Version ist, sondern ein Kultalbum von John Coltrane. Im Prinzip ist Max Herre damit für eine der größten Enttäuschungen meiner Suche nach Zugang zur Bergmannkiez-Kultur verantwortlich. Aber ich denke, das ist nur fair, denn gleichzeitig hat Max Herre mit zarten 15 Jahren in Westberlin lediglich nach Weltklasse Jazz gesucht und nicht nach einem Sinne raubenden Drogendelirium, wie ich es ihm so viele Jahre unterstellt hatte.

Keine Frage also, dass ich mir diese Woche die Chance nicht entgehen ließ, mich bei Max Herre zu entschuldigen. Für etwas, das er nicht wusste und das ihm auch egal sein dürfte. Aber ich bin eine Turniermannschaft und Wettschulden sind Ehrenschulden. Mein Glück: Im Drive Volkswagen Forum an der legendären Prachtallee "Unter den Linden" fand diese Woche ein Revival der besonderen Art statt. Der "Iconic Music Talk" mit dem Thema "VIVA". Als "VIVA", also der TV-Sender, nicht das Kreuzfahrtschiff, 1993 an den Start geht, ist Charlotte von Wales noch lange nicht geplant. Selbst ihre Mutter Herzogin Kate ist erst elf Jahre alt. Die Ikonen des Popmusikfernsehens sind damals unbekannt, gehören heute aber - zumindest teilweise - noch immer zu den größten Stars des Landes. Heike Makatsch etwa. Matthias Opdenhövel, Mola Adebisi, Aleksandra Bechtel, Nilz Bokelberg oder Stefan Raab.

Max Herre, es tut mir leid

Im Laufe der 25 Jahre, in denen "VIVA" existiert (eingestellt 2018), stoßen mit Annemarie Carpendale, Milka Loff Fernandes, Klaas-Heufer Umlauf, Gülcan Kamps, Markus Kavka, Johanna Klum, Jan Köppen, Sarah Kuttner, Enie van de Meiklokjes, Minh-Khai Phan-Thi, Oliver Pocher, Palina Rojinski, Charlotte Roche, Jessica Schwarz, Tobi Schlegl, Janin Ulmann und Collien Ulmen-Fernandes einige Namen hinzu, die bei "VIVA" das TV-Handwerk lernen.

Einige dieser alten "VIVA"-Kollegen findet sich diese Woche zum "Iconic Music Talk" zwischen Promi-Wirtshaus Borchardt und Nobel-Herberge Adlon ein. Hochkarätig besetzt, würde man als herkömmlicher Musik- und Medienjournalist jetzt wohl schreiben, so wie man als ordentlicher Sportmoderator vor jedem großen Spiel "es ist angerichtet" zu sagen hat, als wären das Revierderby, das Pokalfinale oder der German Classico ein Kochduell.

Als ich also am Abend des "Iconic Music Talk" gegenüber einem meiner Berliner Lieblingsplätze, dem legendären, vegetarisch-veganen Sternerestaurant Cookies & Cream, über den Roten Teppich stolziere und mich mit Smalltalk bei den Fotografen einschleime ("Milka Loff Fernandes war ein paar Jahre vor mir auf meinem Gymnasium in Hamburg!", als würde ein Hauch ihres Erfolges damit auf mich quasi abfärben) hoffe ich, meine wirklich fesselnde "Love Supreme" Story endlich auch Max Herre erzählen zu können. Wird nichts, denn Max Herre ist den Abend über schwer beschäftigt. Erst philosophiert er mit Markus Kavka und Denyo (Ahn mal: von den Beginnern) über die gute alte Zeit, anschließend singt er mit Joy Denalane ein paar alte Klassiker wie "1ste Liebe" oder "Esperanto".

Die von Volkswagen kuratierte "Iconic" Ausstellung übrigens ist noch bis Ende des Jahres kostenfrei im Drive Volkswagen Forum zu sehen. Falls Ihr also mal in Berlin seid und die Geschichte genau dort spüren wollt, wo ich beinahe Max Herre meine Drogenverschwörungstheorie gebeichtet hätte: Viel Spaß!

Jeder Hotzo seine Momente

Der größte Aufreger der Woche, der nicht positiv konnotiert werden kann, ist vermutlich das vermeintliche Attentat auf Donald Trump. Kaum per Streifschuss am Ohr getroffen, ranken sich die wildesten Gerüchte um den wohl am stärksten polarisierenden, naja, Politiker des aktuellen Zeitgeschehens. Vermutlich aus panischer Angst, die noch immer wie keine andere Nation an Heldenepen glaubenden Amerikaner würden Trump nun auf jeden Fall zum Präsidenten machen, blühen Verschwörungstheorien auf, wie es sie seit Corona nicht mehr gegeben hat. Der Mann, der gegen Corona das Trinken von Desinfektionsmittel empfahl und in seiner vierjährigen Präsidentschaft bei 20.000 dokumentierten Lügen erwischt wurde, bringt offenbar das Schlechteste in vielen Menschen zum Vorschein. Aus allen Lagern.

Kaum war Trump in Sicherheit, wurden Flugbahnen analysiert, fehlendes Blut auf seinem blütenweißen Hemd angemahnt und in Frage gestellt, warum ein Schütze mit einem Gewehr auf ein Dach steigen und auf einen Ex-Präsidenten schießen konnte, während hunderte mit modernster Überwachungstechnik bestückte Sicherheitsbeamte für dessen Wohlergehen sorgen sollten. Ein interessantes Phänomen. Statt Größe zu zeigen, Donald Trump schnelle Genesung zu wünschen und daran zu erinnern, dass Gewalt auf keinen Fall ein Mittel der Meinungsfreiheit ist, eilte man an die Tastaturen und zeigte sich wenig versöhnlich mit Donald Trump, der dieses Mal sehr wahrscheinlich tatsächlich mal das Opfer war.

Kann es sein, dass die Bubble, die Trump verachtet, letztendlich mit denselben Reflexen reagiert, wie die hart rechte Idiotencombo, die bei jedem Amoklauf in Deutschland inständig hofft, der Täter möge bitte Mohammed heißen und bloß nicht Klaus? Ist es nicht genau das Verhalten, das man der so genannten anderen Seite vorwirft, wenn man nach einer Extremsituation umgehend damit beginnt, Opfer zu verhöhnen oder Täter zu verharmlosen? Klar, Trump hatte bei Attentaten wie etwa auf den Mann seiner demokratischen Widersacherin Nancy Pelosi selbst kein Mitgefühl gezeigt. Aber wenn wir jetzt plötzlich wieder bei Auge um Auge sind, dann können wir ja auch gleich die Todesstrafe wieder einführen.

Beide Richtungen, also die Trump-Fans und die Trump-Hater, haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, wie der Volksmund so schön sagt. Als plakatives Beispiel mag der offiziell als Satiriker firmierende "El Hotzo" gelten. Ein umstrittener Gagschreiber, der vornehmlich durch Twitter bekannt und, das behaupten jedenfalls zahlreiche Kritiker, durch das ZDF reich wurde. So umstritten, dass er zuletzt bei Jan Böhmermann in Ungnade gefallen sein soll. Eventuell, so geht das Gerücht, weil er hart antisemitische Tweets für gut befindet. Jener "El Hotzo" also kommentierte den missglückten Mordversuch an Trump mit zwei Tweets. Im ersten bedauert er, dass der Schuss auf Trump daneben ging. Im zweiten, wohl in erklärender Absicht verfasst, erläutert er, es sei durchaus okay, den Tod von Faschisten zu bejubeln.

Nun kann man zu "El Hotzos" Humorqualität unterschiedlicher Meinung sein. Ich selbst kann mir kein Urteil erlauben, da er mich auf Twitter schon seit Jahren blockiert hat und ich daher nichts von ihm mitbekomme. Andere Zugänge zum Werk von "El Hotzo" habe ich nicht. Ich kann also weder behaupten, ich hätte schon immer gesagt, er wäre gar nicht so lustig, wie ihn wokedurchtränkte Dauerstudenten finden, noch das Gegenteil. Vielleicht ist seine Comedy grandios, vielleicht intellektueller Brechdurchfall. Ich kann es nicht sagen. Seine Tweets zu Donald Trump jedenfalls waren nur so mittelgrandios. Das scheint er auch selbst erkannt zu haben - und löschte eilig seine Unmutsbekundung darüber, dass Trump noch lebt.

Ob es die Debattenkultur auf ein besseres Niveau hebt, ihn dafür nun übel zu beschimpfen, kann ich nicht wissenschaftlich bewerten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Verbalentgleisungen wie "der Fettsack sieht aus wie eine 70-Jährige adipöse, lesbische Zahnarzthelferin" oder "El Kotzo" dazu führen, dass wir uns zukünftig auf einem intellektuell hochwertigeren Diskursniveau bewegen, tendiert allerdings gegen Null. Ganz im Gegenteil zu dieser Kolumne, die früher oder später vermutlich für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird.

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