Die Woche endet, wie sie begonnen hat. Mit einem brutalen Rückschlag für Armin Laschets Kanzler-Ambitionen. Geschwächt vom Schock der gemeinen Kinderreporter und extra trainierter Aktivistinnen-Fragen kann Laschet auch das dritte Triell nicht für sich entscheiden. Olaf Scholz holt das Triple!
Laut Meinungsforschungsinstituten sogar ziemlich eindeutig. Und das, obwohl der mit Abstand größte Fauxpas in einer wiederholt von Fettnapf-Momenten reich beschenkten Woche für
In einem zumindest in Deutschland beispiellosen Fall von Instrumentalisierung der Justiz veröffentlicht ein Staatsanwalt aus Osnabrück (zufälligerweise aktives CDU-Mitglied) eine Pressemeldung, die (vollkommen anders, als es im eigentlichen richterlichen Beschluss zu finden war) den Eindruck vermittelt, es gäbe eine Razzia im Finanzministerium, bei der
Doch trotz dieses Themen-Vorteils kann selbst eine Triell-Moderatorin, die zuvor das offizielle CDU-TV präsentiert hatte, den Eindruck nicht wegmanipulieren, Armin Laschet fiele auch in diesem dritten Kräftemessen im Kanzler-Casting kein einziges Argument FÜR seine politischen Ideen ein, sondern ausschließlich Aussagen darüber, was die andern vermeintlich falsch machen. Eine auch im Diskurs-Paradies Social Media sehr beliebte Argumentations-Strategie: Davon ablenken, dass man es selbst nicht besser kann, indem man den anderen in Grund und Boden pöbelt.
Wer zuletzt lacht …
Aber wer jetzt schon champagnertrunken Olaf Scholz zum neuen Kanzler aufruft, dem sei gesagt: Olaf Scholz wird nicht Kanzler. Ja, es stimmt. Ich bin selbst erschüttert. Jedoch: Ich habe in die Zukunft gesehen. Dank einer noch geheimen Innovations-Technologie, die
Und dieser Ausflug im politischen deLorean brachte mich zurück in die Zukunft: In der kommenden Woche wird tatsächlich die von vielen Redaktionen schon lange ersehnte und fleißig mit abenteuerlichen "Fakten" herbeigeschriebene Trendwende tatsächlich noch stattfinden. Armin Laschet fängt Olaf Scholz auf der Ziellinie ab.
Aber mal der Reihe nach. Kurz nach dem Triell am späten Sonntagabend, freudetrunken und gut gelaunt, streife ich durch die klare Nacht und male mir eine Zukunft aus, die von Respekt und sozialem Zusammenhalt geprägt ist. Den lauen Spätsommerwind im Haar landet plötzlich Frank Thelen mit seinem Flugtaxi vor mir und lässt mich einen Blick darauf werfen, wie die kommenden Tage ablaufen werden. Hier mein exklusiver Zukunftsbericht. Für mich steht zweifelsfrei fest, dass es genauso kommen wird.
Headlines + Deadlines
Ab heute erleben wir die Renaissance des Machtjournalismus. Die Anti-Scholz-Kampagne verfängt tatsächlich noch gerade früh genug vor der Wahl. Gesteuert aus einigen ehemals liberalen Chefredaktionen, legt das Image von Armin Laschet einen Endspurt hin, gegen den selbst David gegen Goliath wie ein Kräftemessen auf Augenhöhe wirkt. Klar, Journalisten sollen eigentlich un-bequem sein, nicht un-ehrlich.
Aber das spielt keine Rolle, wenn die WhatsApp-Standleitung in die Geheimtreffen der Regierungsbosse abzureißen droht, nur weil die Wähler der CDU plötzlich doch nicht zutrauen, relevante Probleme wie den Klimawandel nicht nur ernst genug zu nehmen, sondern auch erfolgreich zu bekämpfen. Da wird das eigene Rückgrat auch schon mal kurzzeitig zu einer Schwimmnudel.
Der Redaktionsplan der einschlägigen Laschet-Lobby-Zeitungen wirft noch mal alle verbliebenen Moral-Fragmente über Bord und reißt das Stimmungsruder im Wahlkampf mit folgenden Titelseiten in der Woche vor der Wahl noch mal rum:
- Dienstag: "Wenn Scholz Kanzler wird: USA bereiten sich auf Atomschlag gegen Deutschland vor!"
- Mittwoch: "Wenn Scholz Kanzler wird: Alle Vermögen über 100.000 Euro werden enteignet und an Saskia Esken und Kevin Kühnert übergeben. Beide entscheiden dann im neuen Umverteilungs-Ministerium, welche Antifa-Aktionen mit den so eingezogenen Milliarden finanziert werden!"
- Donnerstag: "Ist Olaf Scholz ein Roboter, der von
Dietmar Bartsch ferngelenkt wird? Und damit von Erich Honecker? Und damit von Josef Stalin?" - Freitag: "Geheimplan aufgetaucht: SPD-Schattenkabinett mit Rezo (Justizminister), Jan Böhmermann (Verkehrsminister), Georg Restle (Innenminister) und Luisa Neubauer (Klimaministerin) – so treibt Scholz Deutschland als Kanzler ins Verderben!"
- Samstag: "Wenn Scholz Kanzler wird: 97% aller deutschen Arbeitgeber planen Firmenumzug ins Ausland – 40 Millionen Arbeitsplätze weg? Armut für alle? Nackensteak aus Massentierhaltung verboten?"
- Sonntag: "Komm, ist jetzt auch egal: Heute Armin Laschet wählen!"
Mit diesem genialen Propaganda-Programm schaffen sie es: Armin Laschet steht am Samstag vor der Wahl plötzlich bei 38% und holt am Tag danach den sicheren Wahlsieg. Katerstimmung natürlich bei SPD, Grünen und der überwältigenden Mehrheit der Deutschen. Ich werde am Sonntagabend persönlich im Willy-Brandt-Haus vor Ort sein und mir die verheerende Niederlage der SPD hautnah ansehen. Quasi Katastrophentourismus.
Eigentlich hatte ich geplant, nach der ersten Hochrechnung um 18:01 Uhr gemeinsam mit den White Stripes, Lars Klingbeil (Gitarre) und Hubertus Heil (Drums) auf die Bühne zu steigen und zehn Minuten lang auf "Seven Nations Army" "Armin Laschet kein Kanzler" zu skandieren. Aber das wird jetzt wohl nichts, denn jeder weiß nach dieser Demonstration der Steuerungsmechanismen unserer Republik: Die Edelfedern der Hauptstadt-Liberalen in den Schaltzentralen der mit Pulitzerpreisen überhäuften Großverlage haben eine Wirkungsmacht, die Kanzler kürt – oder eben verhindert. Schade, Olaf Scholz.
Der Mark regelt das
So werden wir dann also vier Jahre Armin Laschet als Kanzler bekommen. Gemeinsam selbstverständlich mit
Die Republik wird mit Mark Foster Wahlplakaten und dem Claim "Der Mark regelt das" zugepflastert, Mark Foster erklärt bei "Markus Lanz", Christian Lindner hätte ihm verraten, dass man den Klimawandel gänzlich ohne Verzicht hinbekommt und weiterhin mit seinem Verbrenner-SUV mit 280 über die Autobahn brettern kann, denn irgendwer wird irgendwann etwas erfinden, das Co2 per Knopfdruck aus der Luft zaubert.
Die TV-Spots für "Der Mark regelt das" laufen von Donnerstag bis Sonntagabend im Zehn-Minuten-Takt auf allen TV-Sendern. Finanziert von Frank Thelen, der sich aus Angst vor Rot/Grün bereits sicherheitshalber einen Hangar in Schottland gekauft hatte, wo er mit seinem Flugtaxi "Floerke 2.0" auf der Flucht zwischenlanden wollte. Aufatmen jetzt natürlich bei deutschen Comedians: Laschet, die Faktenliebhaber aus den Hauptstadt-Redaktionen und Lindner obsiegen gegen den sozialistischen Gefährder Olaf Scholz und eine Flucht ist nicht mehr nötig: Frank Thelen bleibt! Und mit ihm die durch den 27%-Höhenflug der Sozialdemokratie schon beinahe im Wind of Change verblasste Panik vor 12 Euro Mindestlohn und Rentensicherheit.
Dieser Kontrollverlust über die Futtertröge des Landes hatte die Vorfreude auf weitere Selbstbereicherungs-Orgien á la Maskendeals in der Union schon ziemlich runtergedrosselt. Aber Gott ist zum Glück doch kein DJ, sondern ein Korruptions-Katalysator. Thelen, Laschet und Lindner geben der Nation somit etwas, was sie dringend gebraucht hat in dieser Zerrissenheit der vergangenen Monate: Hoffnung auf ein richtig innovatives "Weiter so!" – Und das macht mich sehr glücklich, denn unser Land braucht Sicherheit!
Das Laschet-Wunder
Wie aber haben die Giganten des geschriebenen Wortes diese Husarenleistung fertiggebracht? Wie konnte eine auf 19% abgerutschte Partei mit einem Kandidaten, den sich um die 70% der Bevölkerung nicht als Kanzler vorstellen können, diese Aufholjagd starten? Immerhin schlidderte der Spitzenkandidat täglich so enthusiastisch zwischen Peinlichkeiten, Fremdschäm-Momenten und Fettnäpfchen hin und her, dass im Konrad-Adenauer-Haus einige Etagen voller hochbezahlter PR- und Wahlkampfberater rund um die Uhr damit beschäftigt waren, Schadensbegrenzung in Form von Richtigstellungen, Interpretationsalternativen und Beschwichtigungen zu betreiben.
Im Prinzip muss man attestieren: Die wichtigsten Steigbügelhalter für die Rückwärts-Politik der Union finden sich nicht auf der Payroll der Union. Wenn man sich mal die Mühe macht, das Geschriebene und Gesagte der vergangenen Wochen mal etwas genauer zu analysieren, muss man beschämt feststellen (und das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik), dass es in den Berliner Verlagstürmen einige Chefredakteure gibt, die sich einen Sieg von Armin Laschet ziemlich unverhohlen deutlich mehr wünschen als beispielsweise ein Markus Söder.
Der große Fußball-Philosoph Rudi Assauer sagte mal den legendären Satz: "Wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Kacke liegt." Eine Feststellung, die nicht nur für die schönste Nebensache der Welt gilt, sondern auch für die Geschichte. Die wirklichen Hintergründe, Zusammenhänge und Beweggründe für viele einschneidende Geschehnisse der Zeitgeschichte zeigen sich erst viele Jahre später.
Insofern dürfte sich die Kanzlermacher aus der schreibenden Zunft nach dem Wahljahr 2021in jedem Fall auf einen prominenten Platz in den Geschichtsbüchern freuen. Wenn auch womöglich nicht in dem Kontext, den sie sich gewünscht hätte und in dem sie sich ziemlich eindeutig auch selbst einordnen würden.
Aufatmen: Sozialismus verhindert!
Nun ist also Armin Laschet Kanzler. Ein orgastischer Schrei der akustischen Selbstbeweihräucherung hallt durch die Herrentoiletten zwischen Grill Royal, Borchardt und Paris Bar. Die panische Angst vor politischer Neuorientierung, vor Greta Thunberg und einer jungen Generation, für die Korruption, Lobbyarbeit und Vetternwirtschaft nicht zwangsläufig zum wichtigsten Rüstzeug für gelungene Regierungsarbeit gehören, ist erstmal für drei Jahre verflogen.
Man kann sich wieder in Ruhe den Schwarz-Weiß-Bildern von Christian Lindner und Til Schweiger kümmern. Im Kanzleramt wird ja jetzt vier Jahre nicht viel passieren. Und dann, zum Wahlkampfauftakt in dreieinhalb Jahren, da sehen wir uns ja dann schon alle wieder. Also, zumindest wenn wir von allzu vielen Wetterkatastrophen verschont bleiben. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Diese Kolumne bleibt. Jeden Montag serviere ich Ihnen meine ganz persönlichen Eindrücke der vergangenen Woche. Also jedenfalls so lange, bis Armin Laschets Bundespresseamt mir kein Berufsverbot auferlegt. Bis dann!
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.