Ex-Fußballprofi und "Let's Dance"-Sieger Hans Sarpei spricht im Interview mit unserer Redaktion über sein heutiges Leben, die Herausforderungen im Kampf gegen Rassismus und die Gefahren von Social Media.
In der Bundesliga lief er für Wolfsburg, Leverkusen und Schalke auf, bei "Let's Dance" tanzte er sich in die Herzen der Fernsehzuschauer und der Jury. Mittlerweile hat
Im Interview mit unserer Redaktion gewährt der 48-Jährige einen Einblick in sein heutiges Leben. Der TV-Star verrät, wie er sich in einem Boxclub fit hält und warum er vor allem junge Menschen unterstützt, die in schwierige Verhältnisse hineingeboren worden sind. Zudem erklärt der zweifache Vater, wie er seine Töchter vor den Gefahren von Social Media schützt.
Herr Sarpei, die EM 2024 in Deutschland ist zu Ende. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Hans Sarpei: Grundsätzlich hat mir die Stimmung sehr gut gefallen. Schade war nur, dass das Wetter während der EM häufig nicht so schön war. Mit besserem Wetter wäre draußen auf den Straßen noch mehr gefeiert worden. Dennoch haben die Fans das Beste daraus gemacht und mit ihrer Begeisterungsfähigkeit geglänzt. Alle hatten Bock auf dieses Turnier. Auch das DFB-Team hat sich hervorragend verkauft. In Spielen zweier großer Nationen entscheiden oft Kleinigkeiten – und so war es auch im Viertelfinale. Die Spanier haben gemerkt, dass es etwas anderes ist, gegen Deutschland zu spielen als gegen die Mannschaften, auf die sie zuvor getroffen sind.
Immerhin ist Deutschland gegen den Europameister ausgeschieden. Warum hat Spanien den Titel verdient?
Spanien hat den EM-Titel verdient, weil sie den schönsten und attraktivsten Fußball gespielt haben – vom ersten Gruppenspiel bis zum letzten Spiel, dem Finale gegen England (2:1; Anm. d. Red.).
Natürlich wurde während der EM wieder fleißig gewettet. Sie sind Markenbotschafter des Verbraucherschützers "Gamesright". Warum machen Sie sich für diesen Dienstleister stark?
Die Firma prüft die Rückforderungen von Verlusten aus unlizenzierten Spielangeboten. Viele Menschen haben ihr Geld verloren, indem sie in der Vergangenheit Online-Wetten bei Wettanbietern platziert hatten, die mangels einer gültigen Lizenz illegal auf dem deutschen Markt tätig waren. "Gamesright" hilft diesen Verbrauchern dabei, ihr Geld zurückzuholen – und zwar ohne, dass sie in Vorleistung gehen müssen. Ich unterstütze dieses Modell, weil ich einige Menschen kenne, darunter auch Ex-Spieler, die in die Spielsucht gerutscht sind. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was das mit den Betroffenen und deren Familien gemacht hat. Wenn die Verluste nicht rechtens waren, dann ist es meiner Meinung nach nur fair, das Geld zurückzuholen.
Neben der Spielsucht ist die Social-Media-Sucht ein Problem unserer Zeit. Warum ist es Ihnen ein Anliegen, die Menschen auch hier zu sensibilisieren?
Wenn wir über Sucht sprechen, denken wir zunächst an Drogen oder Alkohol. Doch auch mit Blick auf Social Media besteht die Gefahr einer Abhängigkeit, die sich oft schleichend entwickelt. Jeder beschäftigt sich täglich mit seinem Smartphone, postet etwas auf seinen sozialen Kanälen. Einige können damit umgehen, andere wiederum fühlen sich unter Druck gesetzt, ihrer Community jeden Tag etwas bieten zu müssen. Das fängt mittlerweile schon im jungen Alter an.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Ich selbst hatte das Glück, dass ich mit Social Media erst relativ spät in Berührung gekommen bin. Das müsste in der Zeit meines Karriereendes als Profifußballer, ungefähr mit 35 Jahren, gewesen sein. Ich habe das Leben noch von einer anderen Seite kennenlernen dürfen. Diese Perspektive fehlt vielen jungen Menschen heutzutage. Mittlerweile merke ich das selber: Wenn deine Bildschirmzeit bis zu zehn Stunden – oder sogar noch mehr – beträgt, dann bist du gefährdet. Da ist aber auch das direkte Umfeld gefordert, da man selbst meistens gar nicht merkt, wie viel Zeit man mit dem Handy in der Hand verbringt. Es ist wichtig, Freunde und Verwandte auf dieses Problem anzusprechen und mit der Frage "Ist das eigentlich noch gesund?" zu konfrontieren. Es geht darum, das Bewusstsein zu schaffen.
Wie schützen Sie Ihre Kinder vor einer möglichen Social-Media-Abhängigkeit? Sie sind selbst Vater von zwei Töchtern.
Um Kinder und Jugendliche zu schützen, muss man deren Bildschirmzeit regulieren. Meine Töchter sind acht und elf Jahre alt. Sie leben zwar nicht bei mir, aber ich schaue natürlich genau hin. Unsere älteste Tochter darf aktuell eine Stunde am Tag am Handy verbringen. Wir haben eine Familiengruppe bei WhatsApp, bei Instagram und Co. sind meine Kinder noch nicht angemeldet. Das wird von ganz alleine kommen – je später, desto besser. Man kann und sollte es nicht verbieten, aber es ist wichtig, ein Auge darauf zu haben. Die Zeit müssen sich Eltern zum Wohl ihrer Kinder einfach nehmen.
Social Media bietet einen Nährboden für Cyber-Mobbing und Alltagsrassismus. Was ist zu tun, um dieses Problem besser in den Griff zu bekommen?
Unsere Gesellschaft befindet sich in einer sehr gefährlichen Phase. Mein Eindruck ist, dass es an klaren Regeln mangelt. Alles ist Wischiwaschi. Wer Mobbing betreibt oder Menschen rassistisch beleidigt, muss wissen, dass ihn eine bestimmte Strafe erwartet.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, das verdeutlicht, in welchen Bereichen ein Umdenken stattfinden muss?
Nehmen wir den Fußball: Wenn ein Spieler rassistisch beleidigt wird, kann es nicht sein, dass der Verein via Social Media Floskeln postet – und dann war es das. Immer wieder lese ich Sätze wie "Wir stehen hinter dir" oder "Wir sind gegen Rassismus". Das alleine hilft den Spielern kein bisschen. Als damals Dietmar Hopp (Mäzen der TSG Hoffenheim; Anm. d. Red.) von den gegnerischen Fans angefeindet worden ist, hat man das Spiel unterbrochen – mit dem Verweis, dass ein weiterer Vorfall den Spielabbruch zur Folge hätte. Ich habe diese Vorgehensweise als richtig empfunden. Aber: So etwas hat es im deutschen Fußball bei rassistischen Beleidigungen noch nie gegeben.
Mit welchem Gefühl sind sie zu Ihrer aktiven Zeit bei Auswärtsspielen aufgelaufen?
Damals war es noch krasser. Bei manchen Spielen hat es sich so angehört, als würde das gesamte Stadion Affengeräusche machen. Zu meiner Zeit konnte man es kaum kontrollieren oder reglementieren.
Und heute?
Wie viele Kameras stehen mittlerweile in den Stadien? Und die wollen uns erzählen, dass es nicht möglich ist, die Personen zu identifizieren, die Spieler rassistisch beleidigen oder entsprechende Plakate in die Höhe recken. Das ist doch Blödsinn! Meines Erachtens ist das keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Manche wollen diese Szenen vielleicht herunterspielen. Natürlich weiß ich, dass es sich in der Regel um Einzelfälle oder kleine Gruppierungen handelt, die den einen oder anderen aber mitziehen. Genau diese Gruppierungen müssen wir im Keim ersticken.
Wie kann das gelingen – vor allem im alltäglichen Leben, wo vielleicht nicht überall eine Kamera aufgestellt ist?
Wir haben doch ständig unsere Smartphones in der Hand. Aber darum geht es mir gar nicht in erster Linie, sondern darum, dass wir eine Gemeinschaft sind. Dass wir zusammenstehen und uns einander unterstützen. Ich glaube, es kommt darauf an, dass wir das Positive in den Vordergrund rücken. Es muss nicht immer erst etwas passieren, bevor wir Flagge zeigen. Wir sind bunt und vielfältig. Das müssen wir leben – nicht mit T-Shirts, sondern mit Aktionen. Treten wir als Einheit auf, werden wir als Gesellschaft auch dann nicht wackeln, wenn mal etwas passieren sollte. Und derjenige, der keine Flagge zeigt, ist für das andere.
Wie kontraproduktiv war vor diesem Hintergrund die vom WDR in Auftrag gegebene Umfrage kurz vor dem EM-Start, in der sich die Befragten zu Aussagen über die Hautfarbe der Nationalspieler positionieren sollten?
Mit Blick auf diese Umfrage und den Zeitpunkt, an dem sie veröffentlicht worden ist, habe ich mich schon gefragt: Wollt ihr überhaupt, dass wir eine Gemeinschaft sind? Denn alleine mit der Fragestellung wurde ja geschürt, dass mehr weiße Nationalspieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen sollten. Du kannst die Frage doch auch ganz anders stellen. Es hat den Anschein, dass hier – wie so häufig – versucht worden ist, das Negative in den Vordergrund zu stellen, um Sensationsklicks zu generieren. So etwas hilft niemandem.
Was würde stattdessen helfen?
Die Art und Weise, wie die EM-Nominierungen verkündet worden sind. Das war ein guter Ansatz, davon braucht es mehr. Der eine Nationalspieler wurde zum Beispiel von einem Dönermann "berufen" (Antonio Rüdiger), der andere im Rahmen eines Konzertes bekannt gegeben (Florian Wirtz). So etwas schafft Gemeinschaft.
Nicht nur der Fußball, sondern auch das Tanzen kann Menschen miteinander verbinden. Sind Sie dieser Passion, die Ihnen vor fast zehn Jahren den Sieg in der TV-Show "Let's Dance" eingebracht hat, bis heute treu geblieben?
Leider nicht. Ich tanze nicht mehr und ich kicke auch nicht mehr. Mein Knorpelschaden im Knie lässt diese schnellen Bewegungen einfach nicht mehr zu. Ich laufe ab und zu, trainiere aber vor allem in dem Boxclub eines Kumpels. Er ist darüber hinaus Yogalehrer und hält mich mit seinem individuellen Personal-Training fit. Ich bin mittlerweile ja auch schon 48 Jahre alt. Wenn man sich nicht fit hält, verliert man an Muskulatur.
Fühlen Sie sich dennoch nach wie vor als Teil der "Let's Dance"-Familie?
Jeder, der an dieser Show teilgenommen hat, hat seinen Platz in dieser "Let's Dance"-Familie sicher – egal, ob du gewonnen hast oder nicht. Die Reise bist du eh gegangen. Viele Kandidaten blicken auf eine gute Zeit zurück. Andere Teilnehmer, die von Joachim Llambi häufig kritisiert worden sind, sehen das vielleicht ein bisschen anders (lacht). Grundsätzlich ist das Format sehr familiär, alle Generationen können sich an dieser Tanzshow erfreuen. Auch ich schalte ab und zu ein, verfolge die Sendung aus Zeitgründen aber nicht mehr ganz so intensiv.
In den vergangenen Jahren haben Sie u.a. im TV getanzt, die Gefängnis-Elf der JVA Darmstadt gecoacht und sind in der Sozial-Doku "Abgestempelt" (RTLzwei) an Ihre Grenzen gegangen. Gehen Sie als Ex-Fußballer gerne da hin, wo es wehtut?
Es hat eher etwas mit meiner Herkunft zu tun. Ich bin in einem Viertel aufgewachsen, in dem man kämpfen musste, um dort rauszukommen. Daher kann ich die Leute ganz gut verstehen. Über die TV-Formate möchte ich den Jugendlichen mit auf den Weg geben: Da geht noch mehr! Ich weiß, dass sie Fehler gemacht haben. Aber ich weiß auch, dass sie sich ändern können. Zudem möchte ich den TV-Zuschauern vor Augen führen, dass es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht und die in schwierige Verhältnisse hineingeboren worden sind. Diesen Menschen müssen wir als Gesellschaft helfen, wir müssen sie an die Hand nehmen – auch wenn es manchmal schwerfällt und einen an die eigenen Grenzen bringt. Es ist wichtig, den Background zu hinterfragen, bevor man jemanden vorverurteilt.
Lesen Sie auch
Wollen Sie heute der Mensch sein, den Sie sich in Ihrer eigenen Kindheit und Jugend an Ihrer Seite gewünscht hätten?
Sicherlich spielt meine eigene Story da mit hinein. Viele Leute kennen mich als ehemaligen Profifußballer und "Let's Dance"-Sieger. Ja, das stimmt. Aber diejenigen waren nicht dabei, als ich im Kindesalter in Chorweiler mit meinen Freunden umhergezogen bin und auch mal etwas geklaut habe. Es war ein Prozess. Auch ich war mit drei Jahren nicht der Fußballstar.
Aber es war von Anfang an klar, dass Hans Sarpei Liegestütze ohne Hände und Zwiebeln zum Weinen bringen kann …
(lacht) Sie spielen auf die Hans-Sarpei-Sprüche an, die vor fast 15 Jahren via Facebook entstanden sind. Diese Sprüche, angelehnt an die berühmten Chuck-Norris-Facts, haben mich quasi in die Social-Media-Welt gebracht. Aus dem Spruch "Das L steht für Gefahr" wurde letztlich der Titel meiner damaligen Fernsehsendung abgeleitet: "Hans Sarpei: Das T steht für Coach". Auf dieses Format, das sich dem Amateurfußball gewidmet hat, werde ich noch heute oft angesprochen.
Über den Gesprächspartner
- Mit seinem Buch "Hans Sarpeis Fußballküche" möchte er Freizeit- und Profifußballern zur Topform verhelfen. Zudem ist Hans Sarpei seit dem 15. Juli wieder als Teamchef von Eintracht Spandau im Einsatz, um mit dem Klub nach der Trophäe des neuen, innovativen Hallenfußball-Formats "Baller League" zu greifen. Titel hat der frühere Nationalspieler Ghanas (36 Länderspiele) sowohl auf dem Fußballplatz als auch auf dem Tanzparkett gewinnen können: 2011 wurde er mit Schalke 04 DFB-Pokalsieger, vier Jahre später siegte er in der achten Staffel von "Let's Dance".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.