Wer ist Helene Fischer? Im Zweifel geht das nur Helene Fischer etwas an. Die Dokumentation "Helene Fischer. 15 Jahre im Rausch des Erfolgs" geht dieser Frage trotzdem nach – zumindest ein bisschen. Denn der Fokus der Doku liegt auf Fischers beruflichem Werdegang von der Musical-Schülerin zur Mega-Entertainerin. Ein paar Innenansichten fallen trotzdem ab.
"Sag doch einfach: Das geht dich gar nüscht an!" Es ist erst ein paar Wochen her, da sitzt
Eigentlich ein ganz guter Rat, denn wer sagt denn, dass Helene Fischer über ihr Privatleben Auskunft geben muss, nur weil sie überdurchschnittlich viele Tonträger verkauft hat? Helene Fischer ist in erster Linie Sängerin und Entertainerin, da muss es reichen, wenn sie singt und unterhält. Deshalb ist es legitim, wenn Fischer Privates nur preisgibt, wenn sie auch Privates preisgeben will. Eigentlich. Denn natürlich funktionieren Helene Fischer und ihr Erfolg nicht nur über ihre Musik, sondern auch über ihre Person.
Aber wer ist Helene Fischer? Wer diese Antwort stellt, bekommt schnell aufgezählt, wie viele Platten sie denn verkauft und wie viele Zuschauerrekorde sie gebrochen hat. Doch das sagt weniger etwas über Fischer als viel mehr über Mainstream-Musikgeschmack aus. Wer all diesen unwichtigen Kram über Helene Fischer wissen will, der kann bei Wikipedia nachsehen, wer etwas mehr über die Sängerin erfahren will, der muss sich andere Wege suchen. Zum Beispiel die Dokumentation "Helene Fischer. 15 Jahre im Rausch des Erfolgs", die am Samstagabend bei Vox zu sehen war.
Helene Fischer mit 20: Kein Anhimmeln, aber Anerkennung
Zumindest könnte sie der richtige Weg sein, denn schließlich wirbt die Dokumentation damit, dass sie "die bislang größte" sei, mehr als 30 Wegbegleiter zu Wort kommen, Fischer "exklusive Einblicke in ihren Alltag" gewährt und ein "intimes Interview" mit
Das erste menschliche Zeichen bekommt der Zuschauer nach wenigen Sekunden. Aus dem Archiv des Hessischen Rundfunks sieht man einen Videoschnipsel aus dem Jahr 2004, in dem die damals 20-jährige Fischer erzählt, dass sie nicht davon träumt, als Star angehimmelt zu werden. Stattdessen ist es ihr wichtiger, dass "ihre Kunst oder das, was ich mache, anerkannt wird". Da stellt sich natürlich die Frage, wessen Anerkennung ihr wichtig ist. Die der Fans? Der Kollegen? Der Kritiker?
Von ihren Fans bekommt sie beides, das Angehimmeltwerden und die Anerkennung. Aber das sind eben ihre Fans. Doch wie sieht es mit Kollegen und Kritikern aus? Geben die ihr die fachliche Anerkennung? Jein. "Ultra professionell" nennt Robbie Williams Fischer in der Doku, Nico Santos lobt ihre Bühnenpräsenz und Thomas Gottschalk sieht Fischer "auf Augenhöhe mit Britney Spears und
Helene Fischer: von der Musical-Schülerin zur Mega-Entertainerin
Die Dokumentation beginnt mit Fischers Ausbildung zu Musical-Darstellerin. Fischer erzählt, wie unvorbereitet sie bei der Aufnahmeprüfung war. Etwas, das so gar nicht mehr ins heutige Image der disziplinierten Profi-Entertainerin passt. Entdeckt wird Fischer dann in einer Show von Florian Silbereisen, als jemand für einen Operetten-Part gesucht wurde. Helen Fisher heißt sie da für kurze Zeit, weil Helene zu bodenständig klang. Die ersten Angebote kommen aber nicht wegen des Namens, sondern wegen ihrer Ausstrahlung und so geht sie los, die Karriere der Helene Fischer.
"Sie hätte gerne Popmusik gemacht und ich hab ihr gesagt: Wir wollen eine möglichst große, breite Masse erreichen, wir wollen ja Erfolg haben. Und ich hab ihr gesagt: Lass uns mal kommerzielle Musik machen. Das muss ja nichts Doofes sein. (…) Dann hat sie gesagt: okay, dann probieren wir das", erzählt ihr langjähriger Produzent Jean Frankfurter. Man könnte sagen: Chance genutzt, man könnte auch sagen: gegen sich selbst entschieden. Denn, wie sie selbst sagt, war sie anfangs nur Interpretin, wollte aber irgendwann musikalische Türen für sich öffnen und "von Herz zu Herz sprechen".
Und so erzählt die Dokumentation Fischers Weg von der Musical-Schülerin zur Interpretin, die ein bisschen mehr mitreden kann, bis hin zur Mega-Entertainerin, die mehr macht, als nur Lieder zu singen. "Ich versuche, mich nicht zu wiederholen", erklärt Fischer ihren Drang, sich weiterzuentwickeln. Und auch wenn das irgendwann jemandem nicht gefällt, macht sie es dennoch: "Ich hör einfach noch mehr auf mich selbst und in mein Innerstes hinein."
Was treibt Helene Fischer an?
Aber was ist das, ihr Innerstes? Warum macht sie das, was sie macht? "Ich kann nicht so gut stehen bleiben. Ich genieße den Stillstand vielleicht auch nicht so sehr. (…) Weil ich sonst irgendwann das Gefühl habe: Ich bin jetzt stehen geblieben. Man muss doch auch mal gucken dass es noch weitergeht", erzählt Fischer, aber das erklärt nur den Antrieb, sich von der Interpretin zur Entertainerin weiterentwickeln zu wollen, aber es erklärt nicht das Warum. Warum erfüllt sie das, was sie tut? Sie hätte ihren Ehrgeiz ja auch in den Aufbau eines Bratwurstimperiums stecken können.
Eine Antwort auf diese Frage muss man in der Doku ein bisschen suchen. Ist es der Wunsch, sich mit Musik auszudrücken, dieses "von Herz zu Herz sprechen"? "Helene verarbeitet in ihrem neuesten Album mehr als je zuvor persönliche Erlebnisse und sehr private Momente", behauptet der Off-Sprecher in einer Szene, ohne dass der Zuschauer erfährt, was genau das bedeutet. Die Behauptung, ein Album sei das wohl persönlichste eines Künstlers, gehört inzwischen zu den PR-Standardtextbausteinen, mit denen ein Album vermarktet wird, so dass so ein Satz jede Bedeutung verloren hat.
Gleichzeitig kommen Fischer in einer Szene, in der sie ihren Song "Luftballon" aufnimmt, im Studio die Tränen und man ist als Zuschauer unentschlossen zwischen der Aussage des Off-Sprechers, es sei "einer ihrer persönlichsten Songs" und der Information, sie habe diesen Song "mit geschrieben". Ein Team zu haben, dass an den Songs mitarbeitet, ist nichts Ehrenrühriges, sondern Normalität. Aber es nimmt doch ein bisschen die Unmittelbarkeit dieses Persönlichen. Es bleibt ein Fragezeichen.
Was bleibt von "Helene Fischer. 15 Jahre im Rausch des Erfolgs"?
Hält die Doku trotzdem was sie verspricht? Ja und nein. Es kommen in der Tat sehr viele ihrer Weggefährten zu Wort. Von Bülent Ceylan über ihre Produzenten bis hin zu Robbie Williams. Und alle loben ihre Disziplin und Professionalität genauso wie ihre Wärme und Freundlichkeit. Aber was ist mit Menschen, die Fischer und das, was sie tut, kritisch sehen? Die kommen schlicht nicht zu Wort. Am kritischsten ist da noch Musikjournalist Jan Stremmel, wenn er über Fischers Arbeit sagt: "Ich finde es wahnsinnig faszinierend, wie Schlagermusik mit Sehnsüchten spielt. Und wie ein Helene-Fischer-Album die perfekte Antwort ist, auf das, was sich ganz viele Leute wünschen, die in ihrem Alltag gefangen sind."
Und das "intime Interview"? Da durfte man zuvor sehr skeptisch sein, denn Interviewerin Janin Ullmann und Fischer begrüßen sich für ein kritisches Interview ein bisschen zu herzlich und erzählen sich dann auch noch gegenseitig, wie gut die jeweils andere doch aussieht. Dementsprechend wird das Interview dann auch nicht kritisch oder spricht unangenehme Themen an. Trotzdem entlockt Ullmann Fischer doch die eine oder andere interessante Antwort. Das Gefühl, wirklich "Intimes" über Fischer erfahren zu haben, hat man nach dem Interview dennoch nicht.
Was bleibt also von dieser Helene-Fischer-Doku? Vor allem anderen ist "Helene Fischer. 15 Jahre im Rausch des Erfolgs" eine gut gemachte Retrospektive, wie sich Fischer in diesen Jahren als Künstlerin entwickelt hat und wie sie dabei den Schlager ganz neu definiert hat. Mit harter Arbeit, aber auch dadurch, dass viele mithalfen, sie zum Superstar zu machen. Neben dem beruflichen Werdegang fällt aber in der Tat auch die eine oder andere persönliche Info ab. Dennoch bleibt das Innerste der Helene Fischer verborgen.
"Sie ist im direkten Wettbewerb mit sich selbst. Sie denkt immer ans Gewinnen, weil sie das absolute Maximum aus sich herausholen will", erzählt Musikproduzent Billy Mann über Helene Fischer. Aber im Zweifel macht dieses Streben nach immer Besserem, immer Extremeren, das, wofür sie als 20-Jährige Anerkennung wollte, nicht besser, sondern nur extremer. Daher passen die Schlussworte von Thomas Gottschalk ganz gut zu ihrem Wettbewerb mit sich selbst, wenn er sagt: "Ich wünsche ihr, dass sie nicht zu früh verglüht."
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