Das Messer-Attentat von Mannheim beschäftigt in dieser Woche auch Oliver Pocher in seinem Podcast. Er sorgt sich um seine Kinder und findet sogar Sympathien für Donald Trump.

Eine Kritik
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Für einen Moment war da wieder die Befürchtung: Wird sich Oliver Pocher auch in dieser Woche in seinem Podcast an "den Medien" abarbeiten, wie schon in den vergangenen Ausgaben, als er seinen vermeintlichen "Mobbing-Skandal" thematisierte?

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Oder das Video aus Sylt, wo eine feiernde Menge "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" skandierte? Denn genauso steigt er in "Die Pochers - Frisch recycelt" ein: mit der "Chronologie einer Aufregungskultur".

Nein, die Reihenfolge ist diesmal: sein Auftritt, Sylt und das Messer-Attentat von Mannheim, das die Schlagzeilen über Sylt ablöste. Zunächst macht Pocher Witze über den Mann im Video im "Pony"-Club auf Sylt, der mit zwei Fingern einen Hitler-Bart andeutete. Er stellt sich vor, wie der am nächsten Tag mit einem mächtigen Kater in seinem Bett aufwacht, um dort 88 Nachrichten in Abwesenheit zu finden.

"Warst du gestern auf Sylt?" "Haben die da auch 'L’amours toujours' gespielt?" "Du, der Olaf Scholz hat gerade etwas zu dir in der Tagesschau gesagt", lachen sich Oliver Pocher und Ex-Frau Sandy Meyer-Wölden kaputt. Ist es jetzt schon zu früh, darüber Witze machen? Egal, um solche Fragen hat sich Oliver Pocher nie groß gekümmert.

Männergruppen und Messerangriffe

Weniger zum Lachen zumute ist ihm bei dem Attentat von Mannheim. Nahtlos knüpft er hier an. Am 31. Mai griff ein 25-jähriger Mann bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) mehrere Menschen an. Er verletzte sechs Männer, darunter einen Polizisten. Der 29-jährige Beamte erlag am 2. Juni seinen Verletzungen, der Täter handelte laut Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) "islamistisch-extremistisch motiviert".

Pocher beschreibt daraufhin ein Unwohlsein, das er und Sandy Meyer-Wölden in den vergangenen Wochen immer wieder in ihrem Podcast thematisierten. Dass sie sich abends nicht sicher fühlten in der Stadt, da dort eigentlich nur noch Männergruppen unterwegs seien.

Zum Attentat in Mannheim sagt er: "Heute nehmen die Messer-Straftaten rasant zu. Jeden Tag hast du einfach drei bis vier Messer-Attacken. Das kann so einfach nicht weitergehen. Es muss eine Lösung für das Problem geben." Emotional geht es weiter: "Es fängt langsam an, atmosphärisch und stimmungstechnisch zu kippen. Das macht mir schon auch Sorgen und Gedanken, wenn man selber auch Kinder hat. Du kannst unsere Tochter ja gar nicht durch die Gegend laufen lassen."

Den Täter, der den Polizisten tötete, würde er sofort abschieben. Das führe sogar dazu, dass er Sympathien für Donald Trump entwickle. Der läge in der Retrospektive inhaltlich gar nicht so falsch, was die Themen China, Migration und "America first" betreffe.

Gefühlte Wahrheit sind nicht Fakten

Das ist eine legitime Meinungsäußerung. Man darf nur nicht vergessen, dass sich Pocher nicht auf Fakten stützt, sondern auf ein "Gefühl". Und gefühlte Wahrheit ist etwas anderes als Fakten.

Der Täter von Mannheim kam 2013 mit 14 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland, 2014 wurde sein Asylantrag abgelehnt, wegen seines Alters erließ das Ausländeramt ein Abschiebeverbot. Er heiratete 2019 eine Deutsche und hat zwei Kinder mit ihr, 2023 erhielt er eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Er war also nicht illegal im Land. Radikalisiert hat er sich nach heutigem Ermittlungsstand als Einzeltäter in Deutschland. Hier zu verallgemeinern und einen Bogen zu allen möglichen Messerattacken zu spannen, ist mindestens schwierig.

Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen

Laut Bundeskriminalamt (BKA) gab es 2022 8.160 Messerangriffe, 2023 waren es 8.951. Diese Statistik wird aber erst seit 2021 erhoben. Und das BKA fragt dabei nicht die Herkunft der Täter ab. Es lässt sich also nicht ableiten, wie viele der Täter deutsche Staatsbürger sind, wie viele nicht, wer einen Migrationshintergrund besitzt, wer Asyl beantragt hat oder wer illegal im Land ist. Geschweige denn, ob die Taten politisch oder extremistisch motiviert sind. Da aber nur letztere einen Nachrichtenwert besitzen, also berichtet werden, entsteht schnell ein allgemeines "Gefühl".

Womit wir genau bei der von Oliver Pocher angesprochenen "Chronologie einer Aufregungskultur" wären. Dass das Video aus Sylt in der medialen Aufmerksamkeit direkt von dem aus Mannheim abgelöst wurde, ist kein Zeichen einer "Aufregungskultur", sondern simpler Nachrichtenjournalismus. Das nächste Thema ist immer das neueste. Und die Kombination aus Migrationshintergrund, Islamismus und Attentat ist berichtenswerter als ein Raubüberfall mit Messerangriff. Diese Mechanismen müsste auch ein Oliver Pocher kennen, versorgte er doch den Boulevard über Monate hinweg täglich mit neuen Schlagzeilen zu seiner Trennung von Amira Pocher.

Ob die simple Forderung nach Abschiebung die von Pocher gefühlte Wahrheit bessert, ist fraglich. Die Tat in Mannheim ist schrecklich, lässt sich aber nicht mit einfachen Schlagworten lösen. Dafür sind die zugrunde liegenden Probleme zu vielschichtig. Die komplexe Thematik der Migration und Kriminalität muss differenzierter betrachtet werden, anstatt pauschalisierende Aussagen zu treffen. Aber Oliver Pocher ist eben auch kein Wissenschaftler, sondern Komiker.

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