In der neuesten Ausgabe seines Podcasts arbeitet sich Oliver Pocher erneut an "den Medien" ab. Und gibt ihnen einen Teil der Schuld, dass sich die rechten Parolen von Sylt verbreiten. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Viel Zeit lässt sich
Kurz zur Aufklärung für alle, die die vergangenen Tage in einer Berghütte ohne Fernsehen, Radio und Internet verbracht haben. Im "Pony"-Club auf Sylt, einem exklusiven Ort für den Nachwuchs der Reichen und Wohlhabenden, filmte sich eine feiernde Menge, wie sie über den Song des italienischen DJs "Deutschland den Deutschland, Ausländer raus" grölte.
Einer von ihnen hob die Hand zum Hitlergruß und legte dabei seine beiden Finger auf die Oberlippe. Kurz nach Auftauchen des Videos wurden die ersten Beteiligten identifiziert und von ihren Arbeitgebern entlassen, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Männer und eine Frau wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.
Oliver Pocher interessiert bei dem Zwischenfall aber vor allem "die mediale Hetzjagd auf diese Kollegen". "Die werden Jahre Probleme haben, dieses Ding gerade zu ziehen." Er führt aus, dass "die Floskel" "Deutschland den Deutschland, Ausländer raus", heute gar nicht mehr so geläufig und jetzt durch die Berichterstattung wieder in aller Munde sei.
Obwohl es in den sozialen Medien sehr viel schlimmere Bilder gäbe, etwa den Angriff der Hamas auf das Supernova Festival am 7. Oktober 2023, hätten "die Medien" nur noch über dieses Thema berichtet. Die Zutaten seien einfach zu verlockend: Sylt, Reiche, Nazis.
Diese verallgemeinernde Medien-Kritik passt in Pochers Schema, an dem er sich bereits in der vergangenen Woche in seinem Podcast "Die Pochers - Frisch recycelt" abarbeitete. Da stand er selbst im Fokus "der Medien", weil er bei einem Auftritt auf einem SWR-Festival eine Frau beleidigt und vorgeführt haben soll. Er bestreitet das, heizte die Schlagzeilen aber selbst an, weil er das betreffende Video online ließ und immer wieder nachlegte.
Bis die Nazi-Parolen auf Sylt das Interesse daran und somit an ihm zum Erliegen brachte. "Das hat medial alles totgemacht, auch mein versuchtes Mobbing", sagt er dazu in seinem Podcast. "Dann gibt es immer noch Menschen, die schlimmer sind als ich. Glück gehabt", so sein Kommentar. Der Zwischenfall auf Sylt sei ein Beispiel dafür, dass "jeder ganz schnell auf der richtigen Seite stehen kann".
Reich und rechts, das geht auch
Natürlich hat Pocher insofern recht, als das Echo von Medien und Öffentlichkeit enorm war. Überall erschienen immer neue Artikel und Berichte. Gigi D’Agostinos wurde aus der Musiker-Rente geholt, um sich zu dem Vorfall zu äußern. Das Oktoberfest, das sich 2023 mit bereits Sexismus-Vorwürfen wegen des Wiesn-Hits "Layla" auseinandersetzen musste, verbot "L’amour toujours" prophylaktisch für dieses Jahr.
Sogar der sonst so wortkarge Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich und bezeichnete die Parolen als "ekelig" und "nicht akzeptabel". Die Kritik daran an "den Medien" festzumachen ist aber genauso verallgemeinernd wie falsch und übrigens auch ein häufig genanntes Argument der neuen Rechten.
Es gibt weder "die Deutschen", noch "die Grünen", "die Gen Z" oder "die Medien". Sie alle sind heterogene Gruppen, die in gewissen Bereichen Gemeinsamkeiten haben und in vielen anderen nicht. Das gleichzusetzen, ist eine unzulässige Vereinfachung und erklärt letztlich nichts.
Rechte Ideen überall in der Gesellschaft
Was neben den Zutaten aus reichen Menschen, Neid und Sylt als Insel der Wohlhabenden den Vorfall im "Pony"-Club für "die Medien" so interessant gemacht hat, ist offenbar für viele die überraschende Erkenntnis, dass rechte Ideen nicht nur in strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland Fuß fassen, sondern überall in der Gesellschaft. Eine bedrohliche Entwicklung, die auch Oliver Pocher sieht, der erklärt, dass der Hass auf Juden in den vergangenen Wochen noch einmal "dramatisch schlimmer geworden ist". Das nicht zu akzeptieren, ist ein wichtiger Schritt.
Denn entgegen Oliver Pochers Aussage dürfte sich jeder, der in den 90er-Jahren aufgewachsen ist, noch sehr genau an die Fernsehbilder der brennenden Asylbewerberheime in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen erinnern, mit dem braunen Mob davor, der "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" skandiert. Dass diese Parolen nun zurückkehren, ist ein bedrohliches Zeichen.
Die Aussage, dass "jeder ganz schnell auf der richtigen Seite stehen kann" ist deswegen auch kein Widerspruch. In diesem Fall gibt es nur eine richtige Seite.
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