Viele, die sich an Sepp Maier (80) als die "Katze von Anzing" erinnern, sind bereits gehobeneren Alters. Dabei war "der Maier Sepp" einst eine bundesweite Legende, die auf und neben dem Platz beinahe jedes Kind in Deutschland kannte - und ganz sicher diejenigen, die auf den Bolzplätzen die Tore hüteten. In den letzten Jahren wurde es ruhiger um den heute 80-Jährigen, in der Öffentlichkeit hörte man vom größten deutschen Torhüter aller Zeiten zuletzt häufiger im Zusammenhang mit traurigen Nachrichten, etwa den Verlusten seiner Weggefährten Gerd Müller (1945-2021) und Franz Beckenbauer (1945-2024). Zeit, daran zu erinnern, warum auch Sepp Maier eines Tages eine Statue vor dem Münchener Stadion errichtet werden wird.
Als Josef Dieter Maier ein Jahr vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 28. Februar 1944, im bayerischen Metten zur Welt kam, war an die große Fußballerkarriere für kaum jemand in Deutschland zu denken. Und auch nachdem seine Eltern nach Ende des Krieges ins nahegelegene Haar zogen, wo Sepp Maier ab 1958 eine Ausbildung als Maschinenschlosser absolvierte, kündigte sich eine Zukunft als Torwart-Legende noch nicht an. Zwar kickte er für den TSV Haar, doch bis zur B-Jugend lief Sepp Maier als Mittelstürmer auf. Ins Tor stellte er sich damals nur manchmal im Training, "zur Gaudi", wie er später zu Protokoll gab.
Doch es kam, wie es kommen musste. Der Stammtorhüter des TSV Haar verletzte sich und Maier wurde in einem Pokalspiel gegen die zweite Jugendmannschaft des FC Bayern zwischen die Pfosten beordert. "Gegen meinen Willen", wie Maier später sagt. "Wir verloren zwar 9:1, doch trotz dieser Niederlage wurde ich vom Jugendleiter des FC Bayern, Rudi Weiß, der damals auch die Bayerische Jugendauswahl zusammenstellte, zum Spiel Oberbayern gegen Salzburg eingeladen. In diesem Spiel hielt ich zwei Elfmeter und wir gewannen 2:1", erinnert sich Maier auf seiner persönlichen Homepage an die frühen Tagen seiner Karriere. Im November 1958 wechselte er schließlich zum FC Bayern, im gleichen Jahr wie
Maier war schon mit 18 bei den Bayern gesetzt - und wenig später auch beim DFB
Dennoch war auch zu diesem Zeitpunkt kaum daran zu denken, dass Maier in nur wenigen Jahren zu einer Ikone seiner Position werden würde. Deutschlands bisheriger Vorzeige-Torhüter hieß Toni Turek (1919-1984), der beim Wunder von Bern 1954 im Tor stand. Die internationalen Größen waren der Russe Lew Yashin (1929-1990), Englands Gordon Banks (1937-2019) oder Italiens Dino Zoff (82), der ebenfalls am 28. Februar Geburtstag hat. Doch Maier hatte in Bundestrainer Helmut Schön (1915-1996) einen Förderer, der ihn bereits in die Jugendauswahl berief, als Sepp Herberger (1897-1977) noch Bundestrainer war. So kam es, dass Maier als Stellvertreter der damaligen deutschen Nummer eins, Hans Tilkowski (1935-2020), zur WM 1966 nach England mitfahren durfte.
Ohnehin wurden in der 1963 neu gegründeten Bundesliga zunächst andere Meister als der FC Bayern, etwa 1965/66 die Münchener Löwen mit ihrer eigenen Torwart-Legende Petar Radenkovic (89). Doch mit den Erfolgen der Bayern ab der ersten Meisterschaft 1968/69 sowie dem Europapokal- und Meisterschaftstriple in den 1970er-Jahren entstand auch der Mythos des besten Torhüters Deutschlands - und zu seiner Zeit auch der Welt. Bundestrainer Helmut Schön machte Maier 1969 zum Nachfolger von Tilkowski in der Nationalmannschaft, wo er während seiner gesamten Karriere den Vorzug vor seinen größten Konkurrenten Wolfgang Kleff (77) und Norbert Nigbur (75) erhielt. Nach dem Sieg bei der Europameisterschaft 1972 in Belgien folgte der größte Triumph bei der Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land. Nicht zuletzt dank der Paraden der Katze von Anzing war Deutschland ein zweiter WM-Titel nach 1954 vergönnt.
Weltmeister 1974 und jede Menge Rekorde: Maier denkt erst ans Aufhören, als er muss
"Man erinnert sich daran natürlich schon gerne", sagte Maier später immer wieder, wenn er auf die größten Erfolge seiner Karriere angesprochen wurde. "Ganz andere Zeiten" seien das gewesen, freier und unbeschwerter habe man sich damals verhalten können. Genau das merkte man Maier sowohl zu seiner aktiven als auch seiner anschließenden Torwarttrainer-Karriere bei den Bayern und in der Nationalmannschaft an: Immer für einen flapsigen Spruch zu haben, brachte Maier gute Stimmung überall dorthin, wo er auftrat. Ob als Nummer eins des Landes, bei Fernsehauftritten oder als Torwarttrainer in der Nationalmannschaft sowie bei den Bayern: Kaum einem deutschen Fußballer gelang der Spagat zwischen Leichtigkeit und Leistung wie Maier.
Bis 1979 stand Maier deshalb ununterbrochen als Bayerns und Deutschlands Nummer eins zwischen den Pfosten, seit Beckenbauers Abgang Richtung New York 1977 war er außerdem Kapitän der Münchener. Dabei stellte er mit einer Serie von sagenhaften 442 Punktspielen in Folge einen Rekord auf, der für die Ewigkeit zu sein scheint. Auch seine 95 Einsätze im DFB-Dress sollten lange die meisten eines Torhüters sein, erst 2020 brach
Das plötzliche Ende der aktiven Karriere
Dabei hätte Maier seine Rekordmarken mit Sicherheit gerne weiter in die Höhe geschraubt, doch 1979 änderte sich alles schlagartig. Maier verschuldete einen Autounfall, bei dem er froh darüber sein konnte, mit dem Leben davonzukommen. Darüber, dass der gerade neu ins Amt gekommene Bayern-Manager Uli Hoeneß (72) für die richtige Behandlung sorgte, sagte Maier später: "Der Uli hat mir das Leben gerettet." Danach nahm Maier sich zwar vor, seinen bis 1981 laufenden Vertrag mit dem FC Bayern zu erfüllen ("Werde trainieren wie ein Besessener") und seine Karriere bei der WM 1982 in Spanien zu beenden, doch die Folgen der inneren Verletzungen waren zu groß für dieses Vorhaben.
So war Maier gezwungen, seine einmalige aktive Karriere zu beenden. Im Juni 1980 sagten er und 78.000 Fans im ausverkauften Münchener Olympiastadion sich bei einem Freundschaftsspiel zwischen dem FC Bayern und der Nationalmannschaft "Servus". Mit dem Fußball war aber deshalb nicht Schluss: Seit 1987 war Sepp Maier Bundestorwarttrainer und ab 1994 nahm er als Torwarttrainer der Bayern Oliver Kahn (54) bis 2008 unter seine Fittiche. Mit dieser Arbeit stellte Maier auf Jahrzehnte hinaus sicher, dass Deutschland und seine Bayern weiterhin auf einen Weltklasse-Rückhalt zählen konnten.
Endgültig Schluss mit Fußball: 2008 beendet Maier auch seine Trainerlaufbahn
Doch wie es Torhütern häufig zu eigen ist, hat auch Maier einen starken Charakter und eine eigene Meinung. So legte er sich immer wieder mit Cheftrainern an - von dem Eklat mit Pál Csernai (1932-2013) bei Maiers Abschiedsspiel bis zum Aufeinandertreffen mit Jürgen Klinsmann (59), der ihn 2004 als Bundestorwarttrainer entlassen hatte. 2008 beendete Maier auch seine Tätigkeit bei den Bayern, kurz bevor eben jener Klinsmann den Trainerposten von Ottmar Hitzfeld (75) übernahm.
Seither vertreibt sich Maier die Zeit gerne beim Golfen und Tennisspielen, und das durchaus ebenfalls mit Ambitionen. Nicht ohne Stolz wies er in einem Interview mit dem "Bayerischen Rundfunk" 2013 darauf hin, auch dreimaliger deutscher Tennismeister der Jungsenioren geworden zu sein. Fleiß und eine gewisse Ernsthaftigkeit seien immer das Erfolgsrezept für ihn gewesen, bei allem, was er mache, sagte Maier damals: "Wenn man etwas macht, dann sollte man es gescheit machen." Und genau das hat er sich offenbar auch für die nächsten 20 Jahre vorgenommen. In seiner ihm eigenen Art teilte Maier in der "Bild am Sonntag" mit, dass seine verstorbenen Freunde Beckenbauer und Müller sich noch zu gedulden hätten: "Die müssen jetzt da oben noch warten auf ihren Torhüter. Ich möchte 100 Jahre alt werden." (elm/spot) © spot on news
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