Der Wiener Opernball ist der gesellschaftliche Höhepunkt des Jahres. Hinter den Kulissen geht es aber oft weit weniger glamourös zu, als es auf den ersten Blick scheint: Da platzen Kleider, brechen Sektflöten und müssen Rotweinflecken weggesalzen werden.
Bis zu 400 Gläser verbraucht eine einzige Opernballloge am Abend. "Mit dem Gläserbruch könnte man ein kleines Lokal ein Jahr lang betreiben", sagt Ursula Andre vom Catering-Service Gerstner, der den Opernball betreut. Grund für die vielen Scherben: In den Logen ist es eng, die Gänge der Oper sind schmal und das Gedränge groß.
Der Orgelsaal gehört jedes Jahr ganz und gar den Debütanten. Hierher können sie sich zurückziehen und die Quadrille noch ein letztes Mal üben. Und hier haben sie auch ihre Garderobe gebunkert. Auf dem Boden sind Decken ausgebreitet, auf denen die jungen Damen und Herren des Komitees nonchalant, aber dafür recht entspannt rasten. Sitzplätze in der Oper sind schließlich rar und kosten viel Geld. Eine Doppelloge schlägt heuer mit 18.500 Euro zu buche, ein Tischanteil für zwei Personen kostet immerhin 350 Euro. Zusätzlich zum Eintrittspreis versteht sich – und der beläuft sich auf 250 Euro pro Person.
Manchmal wird es selbst den Kleidern zu eng
In der hauseigenen Opern-Schneiderei ist besonders nach der Quadrille viel los. Denn wenn beim Walzer tanzen Kleider platzen oder Stöckel brechen, dann sind Schneider und Schuhmacher gefragt. Ihr Service ist kostenlos an diesem Abend. In einem kleinen Kammerl horten sie Garne und Knöpfe in allen erdenklichen Farben.
Man munkelt, im vergangenen Jahr sei eine feine Dame der Gesellschaft mit freigelegtem Popo von ihrem Mann so unauffällig wie möglich in die Mini-Schneiderei geleitet worden. Hochrot war demnach nicht nur das Kleid, sondern auch der Kopf der Dame - ein Reißverschluss hatte versagt. Namen sind freilich keine zu erfahren. Es wird dezent und elegant geschwiegen.
Von sechs Uhr am Abend bis fünf Uhr in der Früh sind die tapferen Opernball-Schneiderlein zu Gange, korrigieren Säume und nähen Träger oder Volants wieder an. Auch Rotweinflecken werden jedes Jahr mit flinker Hand aus den weißen Frackhemden gesalzen.
Gebrochene Absätze, gerissene Schuhbänder
Im selben Raum wie die beiden Schneidermeister ist auch ein Schuhmacher untergebracht. Wichtig ist dem Herrn im Frack seine korrekte Berufsbezeichnung – Schuster will auf dem "Ball der Bälle" niemand genannt werden. Hauptaufgabengebiet des Meisters sind gebrochene Absätze und gerissene Schuhbänder. Die klebt er mit einem Spezialkleber schnell wieder an. Und es kann weiter getanzt werden.
Traditionell endet der klassische Opernball-Abend gemeinhin am Würstelstand direkt neben der Oper. Die Familie Bitzinger verkauft hier Käsekrainer an Kammersänger und Kommerzialräte. Auch Richard "Mörtel" Lugner hat schon vorbei geschaut – damals noch mit seinem Mausi. Ex-Operndirektor Ioan Holender will jedes Jahr ein Würstel mit Senf. Warum das Standl so beliebt ist, liegt auf der Hand: Hier gibt's die Käsekrainer um 3,30 Euro, ein großes Bier vom Fass um 2,90 Euro. Ein wahres Schnäppchen also.
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