Nach "Der Preis ist heiß", "Geh aufs Ganze" und "7 Tage, 7 Köpfe" tauchte am Sonntagabend mit der "100.000 Mark Show" ein weiteres Format aus dem Mittelalter der Fernseh-Historie im Hauptabendprogramm auf. Bei der großen Neuauflage wieder mit an Bord: Die coole Ulla Kock am Brink, die den Abend souverän wegmoderierte, sowie die für Aficionados kultigen Spiele "Die Wassersäule" und "Der heiße Draht". Dass RTL sein einstiges Erfolgsformat von 90 Minuten auf erstaunliche 185 Minuten aufblies, verstehen wohl auch eher nur die Werbepartner.
Da RTL die "100.000 Mark Show" bereits 2008 aufwärmte, beweist der Sender mit dem neuerlichen Comeback durchaus Draufgängertum. Satte 22 Jahre nach der Einstellung sowie 14 Jahre nach dem kläglich gescheiterten Wiederbelebungsversuch mit
"100.000 Mark Show": "Was will die Alte da?"
Dass die Deutschland überziehende Retro-Welle im TV nach der Auferstehung von "Der Preis ist heiß", "Geh aufs Ganze" oder "7 Tage, 7 Köpfe" (das gleich danach aus wirklich sehr guten Gründen wieder in der Versenkung verschwand) für Sender und Moderatoren eine nicht unbeträchtliche Gefahr des Scheiterns birgt, dessen war sich auch
Ulla Kock am Brink zur aktuellen "Aufwärmphase: "Es wird sich ein bisschen kannibalisieren, keine Frage. Aber das ist doch der normale Gang der Dinge. Wenn etwas gewünscht wird, stürzen sich alle drauf. Irgendwann ist die Begeisterung dann wieder weg", so die Moderatorin trocken im Interview mit unserer Redaktion. Die Reaktionen in den sozialen Löwengruben sind ihr nicht ganz egal, wovon sie sich aber wenig anmerken lässt: "Was soll da kommen? Die dummen Sprüche wie 'Was will die Alte da? Stellt da mal 'ne Jüngere hin!' kennt man ja", so die 61-Jährige. Häme, Hass und Dummheit im Virtuellen würden sie aber dennoch immer wieder erstaunen.
Normalos statt abgehalfterter B-Promis
Erfrischend selbstbewusst äußerte sich die Moderatorin an selber Stelle über ihre Kompetenzen. "Man kann mir alles Mögliche vorwerfen, aber moderieren kann ich", so die 61-Jährige, die das am Sonntagabend über die lange Strecke belegt, womit wir beim ersten Problem der neuen "100.000 Mark Show" wären: "Aufwärmen und aufblasen!", scheint die Maxime hinter der deutschen Retro-Welle zu sein, werden den Zusehern doch auch im Falle der "100.000 Mark Show" jetzt herausfordernde 195 Minuten, statt der einst ziemlich zackig angelegten 90 Minuten zugemutet.
Aber noch heute ein ein Asset des Formats: Gespielt wird nicht mit zerschlissener B-Prominenz, die ohnedies schon jeder in irgendeiner Jauchegrube beim Schnitzen von vielleicht Gartenzwergen, während sie Wissensfragen zum Thema "Busen" beantworten muss, gesehen hat, sondern ziemlich stinknormalen Leute. "Wir brauchen keine Promis, wir haben die besten Kandidaten der Welt", freut sich auch Ulla Kock irgendwann zwischendurch.
Es läuft nicht am Laufband
Um die 100.000 Mark, die natürlich in Euro ausbezahlt sowie zu Beginn von Kock am Brink und zwei eher übel gelaunten Bodyguards hereingebracht werden, spielen auch beim Comeback vier Paare: Jessica und Sabrina, Andrea und Markus, Vivien und Timur sowie Laura und Dominik. Schon der zu absolvierende erste Parcours mit Hindernissen wie dem Laufband, der Kletterwand und dem Gitterkäfig hat seine Längen, was, zugegeben, aber auch daran liegt, dass Dominik nicht und nicht über das Laufband, das ihm und allen anderen beinhart entgegenläuft, kommt. Die Folge: Er und Partnerin Andrea müssen nach dem Parcours auch schon die Heimreise antreten.
Dass die Sendung wieder alles andere als ein "Low Budget"-Ding ist, zeigt sich an einigen Spielen – etwa an einem überdimensionaler Flipperautomat, bei dem mit den Buzzern geflippert werden muss, oder dem Astronauten-Trainer, der den einen Part der Paare durch die Gegend rotieren und dabei zeichnen, den anderen die im Dauerlooping gefertigten Bilder erraten lässt. Dass niemand ein vom Partner gezeichnetes "Nasenhaar" erkennen kann? Enttäuschend!
Sinnvolle Updates, bewährte Features
Durchaus anzurechnen ist den Verantwortlichen der Show zudem, dass sie sie nicht einfach nur in die Gegenwart gehoben, sondern durchaus auch ein wenig vom Staub befreit haben. So wurde nicht nur die gesamte Spieletechnik digitalisiert, sondern durfte auch erstmals in der Historie der Sendung ein gleichgeschlechtliches Paar mitmischen.
Die Österreicherinnen Sabrina und Jessica – Mütter zweier Kinder – müssen als zweites Paar aber schon relativ früh in ihre Alpenrepublik zurück. Kultige Features wie der heiße Draht, die Wassersäule, die Buchstabenwand oder das Pentagonspiel wurden aber aus Gründen ins neue Jahrtausend überführt. In der Mitte des Studios? Der charakteristische Tresor mit dem "100.000 Mark Show"-Logo, dem man zuvor ein Update verpasste.
Es zieht sich wie ein Strudelteig
Dass sich das Format nicht ständig selbst feiert und nicht als Nostalgie-Event präsentiert, sondern den Fokus auf seine Spiele legt, fällt ebenso angenehm auf, lässt die Zeit aber auch nicht wirklich vergehen. Im Gegenteil: Sie zieht sich wie ein Strudelteig. Auch, weil man den Paaren etwa gute fünf Minuten dabei zusehen muss, wie sie Kissen durch ein Gitterfenster werfen. Humoristisches bleibt auch auf der Strecke.
Der Höhepunkt vielleicht: Als es darum geht, so viele chinesische Tierkreiszeichen wie möglich zu nennen, bleibt Vivien stumm. Der Grund: Sie hat "polynesische" verstanden. Naja! Zwischen den actionreichen Spielen gibt es somit auch solche, in denen Wissen oder zumindest Gewitztheit und gute Ohren gefragt sind. "Wann wurde jemand geboren, der im besten Sommer von Bryan Adams laut Udo Jürgens 'erst so richtig in Schuss kommt?', will Kock am Brink wissen. Schweigen im Walde! "1969" stößt Andrea, die damit lediglich um 66 Jahre daneben liegt, schließlich hervor.
Das große Finale
Nachdem Vivien und Timur, die als vorletztes Paar ausscheiden, das Auto als Trostpreis nicht absahnen konnten, versuchen es Andrea und Markus aus Rheinland-Pfalz im großen Finale besser zu machen. In dem geht es prinzipiell darum, einen Tresor mit 100.000 Mark mittels einer Zahlenkombination zu öffnen. Dazu gibt es zehn Zylinder, von denen jeder eine Kombination beinhaltet, wobei nur eine die korrekte ist.
In drei Spielen haben Andrea und Markus die Möglichkeit, die falschen Zylinder nach und nach wegzuspielen – im Idealfall alle. In der Sicherheits-Variante, für die sich die beiden letztlich entscheiden, gehört ihnen zumindest das zuvor erspielte Geld, auch wenn sie den Tresor am Ende nicht knacken.
Nach einem Parcours, auf dem das Paar Kisten mit Dynamit materialisieren muss, folgt das "100.000 Mark Show"-Kultspiel schlechthin: der heiße Draht. Dabei muss einer der Partner auf einem vom anderen gesteuerten Gabelstapler stehen, und einen Draht mit einem Ring durchfahren, ohne diesen zu berühren, da man sonst den Ring zu einem bestimmten Punkt zurückfahren muss. Andrea und Markus, der seine Liebste steuerte, können nur einen falschen Zylinder wegspielen.
"Die Zeituhr ist aktiviert"
Bevor es zum Tresor geht, muss Andrea in der Zeit, in der Markus unter Wasser die Luft anhält, dann noch zwölf Wissensfragen beantworten. Das macht sie durchaus gut, was weitere zwei Zylinder aus dem Rennen nimmt. Vor der Endstation, dem finalen Tresor, steht das Paar also vor noch sieben Zylindern mit Zahlenkombis, von denen einer den Tresor öffnet.
Andrea und Markus setzen auf jene im fünften Zylinder und gehen damit zum Tresor, wo sie die Ziffern eingeben müssen. "Die Zeituhr ist aktiviert… der von Ihnen eingegebene Code ist…", ertönt danach die legendäre Stimme aus dem Off, die nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich ein "Richtig!" nachschießt. Natürlich: Andrea und Markus können ihr Glück kaum fassen. Insgesamt 114.050 Mark erspielen die beiden.
Kommt auch "Tutti Frutti"?
"Es musste richtig sein, damit man die anderen drei Folgen auch schaut" und "Aus Werbezwecken natürlich geschickt, in der ersten Sendung nach dem Comeback die 100.000 rauszuhauen" kommentiert man skeptisch auf Twitter.
Fazit: Die Neuauflage der "100.000 Mark Show" gehört zu den besseren Wiederauferstehungen im Zuge der Retro-Welle, fällt aber mit Sicherheit viel zu lange aus. Am Ende dieses hypertrophen Comebacks stellen sich eigentlich nur mehr zwei Fragen: Wann kommt "Tutti Frutti"? Und hätte "Tutti Frutti" noch Luft nach unten?
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