Woooh, wow, aaah, juhuuu: Bildungssender RTL lässt wieder die Damen los. 22 Mittzwanzigerinnen buhlen seit gestern Abend um den "Bachelor" 2016. Mit Traum-Villa, Traum-Körpern und Traum-Dialogen. Ein Fest geistiger Eindimensionalität.

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Schwupps, da ist er wieder, der "Bachelor". Während sich im australischen Dschungel noch die Stars die Maden aus den Haaren pulen, sorgt RTL bereits für Nachschub. Ja, manchmal kann man sich die Fernseh-Industrie wohl am besten wie eine Maschine vorstellen.

Am Eingang saugt sie unablässig Kamera affine Menschen an, pumpt sie durch die ganzen "DSDS" und Co.-Sendungen, um sie am Ende in den großen "Dschungelcamp"-Eimer auszuspucken.

Nur wenigen gelingt die Flucht, andere wirbeln seit Jahren in der Maschine herum, ohne einen Ausgang zu finden.

Nun also saugt "Der Bachelor" wieder kräftig junge Damen in die Fernseh-Maschine, und einen besseren Bachelor hätte sich RTL gar nicht aussuchen können.

Was ist das wieder für ein Kerl! Leonard heißt er, und Unternehmensberater ist er. Hatte mit 18 seine erste Firma, wie er erzählt, die er aber mit 21 wieder verkauft hat.

Da Nichtstun aber nicht so sein Ding ist, hat er wieder eine Firma mit Büros in Berlin, Brandenburg und Süddeutschland. Zwischen all der Arbeit findet er aber noch genug Zeit, seinen Körper in Schuss zu halten.

Man braucht wohl nicht zu erwähnen, dass sich Leonard in seiner Freizeit dann auch noch ehrenamtlich engagiert. Ehrensache.

Super-Bachelor Leonard

Ja, der Leonhard ist eine Wucht. Superhirn mit Superherz, gefangen im Körper von Superman. Hätte RTL uns erzählt, dass Leonard auf dem Nachhauseweg noch Notoperationen an kranken Hundewelpen macht, während er auf seinem Waschbrettbauch Äpfel für arme Kinder in Afrika hobelt – wir hätten es geglaubt.

So aber darf Leonard erst einmal nur mit nacktem Oberkörper durch die Villa streifen und seinen Blick verträumt in die Ferne schweifen lassen. Aber wir sind ja auch erst am Anfang.

Leonard wartet also auf die Truppe beziehungswilliger Mitzwanzigerinnen in seiner Villa in Miami, denn "hier möchte sich der Bachelor neu verlieben". Warum er das ausschließlich in einer Villa in Miami kann, wird dem Zuschauer nicht verraten. Aber man kann es erahnen.

Hätte die Produktionsfirma die Bachelor-Stelle ausgeschrieben mit: Junggeselle gesucht, Arbeitszeit auf Abruf, Kost und Logis frei. Kleine Wohnung in Unna, 2 Zimmer, Küche, Flur, Bad innen liegend, kein Stellplatz – die Zahl der Bewerber hätte sich in Grenzen gehalten.

Also dann doch Miami mit allem Zipp und Zapp. Und bevor sich Leonard allzu viele Gedanken über all das machen kann, fährt auch schon der klimafreundliche Mini-Van vor und spuckt die ersten Kandidatinnen aus.

Kandidatinnen beim "Bachelor", das ist so etwas wie ein umgekehrter Junggesellinnenabschied - nur, dass die Braut eben erst noch gefunden werden muss und man nicht mit Freundinnen, sondern Rivalinnen unterwegs ist.

Das Dauer-Gekreische aber ist authentisch, die unfreiwillige Komik des Ganzen bisweilen auch.

Mehr als ein Koffer

Wenn etwa der armen Sandra der beim Flug verschollene Koffer wieder gebracht wird ("Da sind alle Kleider für die Nacht der Rosen drin und auch meine Unterwäsche"), entfährt es einer Konkurrentin vor Rührung: "Ich wein' ja gleich, dabei ist es dein Koffer!"

Das hat Größe, da kann man nur erahnen, wie viel soziale Kraft von dieser Sendung ausgehen kann.

Und im Rausch der Empathie untersucht man sich vor dem großen Bachelor-Treffen dann auch schon mal gegenseitig die Beißerchen nach Essensresten: "Hab ich was zwischen den Zähnen? Ach, ne - wir haben ja nichts gegessen."

Impulse ganz anderer Art senden hingegen die 22 Erstkontakte aus, wenn die Damen aus der Limo fallen und zum ersten Mal ihrem Bachelor gegenüberstehen. Eine kleine Dialog-Auswahl:

"Bist du aufgeregt?"

"Ja."

"Ich bin auch aufgeregt."

"Was machst du beruflich?"

"Ich bin Einzelhandelskauffrau."

"Wo?"

"Im Zoo."

"Im Zoo?"

"In der Zoohandlung"

"... und sonst so?"

"Ich komme auch aus Berlin"

"Du auch? Ich hab dich dort noch nie gesehen."

Ja, der Bachelor. Da wird keine Synapse zu viel beansprucht. Und damit man das auch dem Zuschauer nicht zumuten muss, wird bereits hübsch an den Schubladen gebastelt, werden die Kandidatinnen zu Klischees gestutzt.

Damit man nicht lange grübeln muss, ob jetzt Mandy die mit dem Hund war oder Susi die Intellektuelle und Gudrun das Miststück oder umgekehrt.

Vielleicht überrascht RTL uns ja aber auch und die Intellektuelle sagt irgendwann mal etwas Dummes oder die Beauty-Queen bekommt einen Pickel. Man mag es sich gar nicht ausmalen.

Ausmalen müssen sich Deborah, Annika, Vivien, Sarah und Elvira jedenfalls nichts mehr. Sie haben keine Rose bekommen und sind der Fernseh-Maschine damit gerade so noch einmal entkommen.

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