Seit Dienstag haben auch die Baby-Boomer ihren "Bachelor". Was bisher Fitness-Youtubern Mitte Zwanzig vorbehalten war, erreicht mit dem "Golden Bachelor" bei RTL+ nun auch die Generation Ü-60. Franz Stärk heißt der erste Bachelor für ältere Menschen, der auf Kreta nach der Richtigen sucht. Das ist in vielem dasselbe in Alt, in vielem aber auch nicht. Zum Glück.
"Der Bachelor", "Die Bachelorette", "Bachelor in Paradise", "Princess Charming", "Prince Charming", der doppelte Bachelor, die Bachelorette für Mann und Frau – man kann RTL nicht vorwerfen, der Sender würde ein Format im Dating-TV liegenlassen. Am Dienstag hat die "Bachelor"-Familie wieder Nachwuchs bekommen und es ist … ein "Golden Bachelor".
"Golden Bachelor" - so funktioniert die Show
Bei den "Bachelor"-Formaten hält es RTL wie einst die CDU: "Keine Experimente!": Änderungen gibt es zwar bei den Protagonisten, aber nicht beim Konzept. Und wenn, dann nur in homöopathischen Dosen. Und so entsendet RTL auch den "Golden Bachelor" in die Sonne, diesmal nach Kreta.
Ihm folgen 18 Frauen, die sich Folge für Folge ums Herz des "Golden Bachelors" bewerben müssen und ebenso Folge für Folge und eine nach der anderen nach Hause geschickt werden, bis eben irgendwann eine Dame die letzte Rose und damit den "Golden Bachelor" bekommt.
Das ist der "Golden Bachelor"
Franz Stärk ist der erste "Golden Bachelor" und das erste, was man von ihm hört, ist ein Satz, der so oder so ähnlich von fast jedem Boomer hätte kommen können: "Ich kann schon sagen, dass ich sehr zufrieden bin mit dem Verlauf meines Lebens. Ich hatte eine sorglose Kindheit, ich war im Beruf erfolgreich. Ich hab geheiratet im Glauben, dass das die Frau des Lebens ist." So weit, so typisch, gefolgt von einem Satz, der mit Blick auf die Scheidungsraten dieser Generation ähnlich typisch ist: "Aber jetzt fang ich mit 73 Jahren komplett von vorne an."
Natürlich fängt
Er selbst umarme gerne Menschen und auch sein Sohn Yanel bescheinigt seinem Vater eine große Offenheit im Umgang mit Menschen. Offenbar mit einem besonderen Effekt: "Der kommt einfach an bei den Frauen", erzählt Stärks Schwester. Und die Traumfrau? Die soll folgende Attribute haben: Humor, Weltoffenheit, glatte Haare, sehr gepflegte Hände und als "Highlight" Golf-Fähigkeiten oder mindestens Golf-Interesse.
Die Kandidatinnen
Dass es sich beim "Golden Bachelor" um die Senioren-Variante handelt, das verrät schon ein Blick auf die Namensliste. Hier findet man diesmal keine Lea-Sophies, keine Lauras oder Jennys, hier heißen die Kandidatinnen Ute, Astrid und Bärbel. Über die innere Verfasstheit der Damen sagt das aber nur bedingt etwas aus. Zwar gibt es auch hier bereits ein paar Sticheleien und nicht immer sind die Gespräche auf einem intellektuellen Premium-Niveau, gleichzeitig klingt das doch insgesamt alles, na eben reifer.
"Sexualität bleibt immer. Wenn man jemanden liebt und leidenschaftlich Gefühle für jemanden entwickelt, dann möchte ich auch seine Haut spüren, ihn streicheln und körperliche Nähe finden. Das ist für mich schon wichtig. Aber nicht so wichtig, dass ich es mit irgendjemand leben möchte. Das muss schon gut passen", erklärt beispielsweise die 71-jährige Vermögensverwalterin Christin und man kann sich vorstellen, wie der gleiche Inhalt bei einem 23-jährigen Fitness-Influencer geklungen hätte. Und wer sich das nicht vorstellen kann, muss nur in eine beliebige Szene aus der Männervilla in "Die Bachelorette" zappen.
"Golden Bachelor" – das ist gleich
Man kann, so ist es Tradition in Dating-Shows, die Liebe offenbar nur an einem Traumstrand Griechenlands oder Südostasiens finden und nicht in Bottrop und dort auch nur im Luxusambiente zwischen Traumvillen, Traumstränden und Traumdates. Beim "Golden Bachelor" ist das im Grunde nicht anders und das ist erst einmal eine gute Nachricht. Denn warum sollte man den Kandidatinnen und Kandidaten der Senioren-Variante nicht den gleichen Luxus gönnen, wie ihren jüngeren Pendants?
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Aber Gerechtigkeit ist das eine, überzuckerte Klischee-Romantik das andere. Und so fahren die Damen auch beim "Golden Bachelor" mit der Limo vor und nicht mit einem Fiat Tipo, und auch das sonstige Ambiente steht dem, was man so aus den ganzen anderen "Bachelor"-Formaten kennt, in nichts nach.
Aber was wäre denn auch die Alternative? Dass man die Damen und den Herren nicht nach Kreta schickt, sondern zur Kneipp-Kur in die Eiffel? Nein, RTL ist zum Glück nicht der Versuchung erlegen, ein Klischee durch ein anderes zu ersetzen und lässt den "Golden Bachelor" und seine Kandidatinnen genauso Poolpartys feiern, statt sie zum gemeinsamen Entenfüttern in den Stadtpark zu fahren.
"Golden Bachelor" – das ist anders
Dass man es diesmal mit einer Dating-Show für Ältere zu tun hat, will RTL offenbar von Minute eins an klarmachen. Da sitzt Golden Bachelor Franz Stärk nämlich vor einem Dia-Projektor und guckt sich Kindheitsdias an. Und während er auf die Leinwand blickt, läuft im Hintergrund nicht irgendein Radio-Gewummer, sondern "Imagine" von John Lennon, immerhin schon 53 Jahre alt.
Es ist also im Grunde die gleiche Show wie immer mit den gleichen Kamerafahrten, nur dass man, vom Alter der Protagonisten einmal abgesehen, an vielen Kleinigkeiten merkt, dass die Zielgruppe jenseits der 60 liegt. So schmeißt der "Golden Bachelor", anders als die "normalen" "Bachelors" hier nicht mit sexy Blicken um sich oder reibt sich in Zeitlupe übers Sixpack, sondern lässt sich erstmal einen Espresso aus der Maschine.
Und die Kandidatinnen? Die zählen hier beim ersten Kennenlernen nicht die Anzahl ihrer Follower auf, sondern die Anzahl ihrer Enkelkinder. Das schlägt sich auch beim ersten Kontakt mit dem "Golden Bachelor" nieder. Traditionell überreichen hier die besonders Pfiffigen dem Bachelor irgendein Geschenk, um in Erinnerung zu bleiben. Das passiert natürlich auch hier und doch ein wenig anders: "Eines meiner Enkelkinder hat dir was gemalt", überreicht etwa Susanne Bachelor Stärk ein kleines Gemälde.
"Golden Bachelor" – das Fazit
Ja, natürlich ist der "Golden Bachelor" auf der einen Seite die gleiche Show wie all die anderen Shows des "Bachelor"-Universums vor ihm. Weil es das gleiche Format ist und weil es Menschen sind, die hier teilnehmen mit all ihren Ängsten und Bedürfnissen. Auf der anderen Seite gibt es so viele Kleinigkeiten, die anders sind und die Show in ihrer Gesamtheit viel besser machen als die interne Konkurrenz. Vor allem für Zuschauer, die von der ganzen oberflächlichen Grütze die Nase inzwischen voll haben.
Denn hier geht alles reifer und damit authentischer zu. Hier erzählen die Kandidatinnen nicht, was sie noch alles vorhaben, sondern, was sie alles bereits erlebt haben. So erzählt etwa die 63-jährige Nageldesignerin Kerstin, es habe sich während ihrer ersten Ehe "eine Möglichkeit aufgetan, in die Artistik zu gehen". "Wir haben damals, weil's nichts anderes gab, Benzin genommen. Benzin! Wo ein Auto mit fährt! Völlig krass", erzählt Kerstin über ihre Zeit als Feuerspuckerin und dass sie bereits 2,3 Millionen Schulden abbezahlt habe, nachdem ihr zweiter Mann die Konten leergeräumt und sich ins Ausland abgesetzt hatte.
Das ist zehnmal spannender als die x-te Geschichte, wie sich X oder Y als Personal Trainer selbständig gemacht hat und jetzt bei Instagram Fotos von seinen Muckis zeigt. Und als Sabine mit einer ihrer Kolleginnen zum ersten Kennenlernen mit Stärk gefahren wird, stellt sie völlig uneitel fest: "So spät war'n wir lang nicht mehr auf." Nach so viel Selbstironie muss man in den jugendlichen "Bachelor"-Versionen lange suchen. Hier wird das Alter ernst genommen, einfach indem man sich selbst auf den Arm nimmt.
Statt bestmöglicher Außendarstellung lautet die Botschaft hier: Für die Liebe ist man nie zu alt – auch wenn das dann manchmal mit ein paar Kalendersprüchen zu viel daherkommt. Für die Liebe zu alt sind natürlich auch Sonja und Sabine nicht, nur müssen sie in Zukunft woanders nach ihr suchen. Die beiden bekommen in Folge eins nämlich keine Rose von Franz Stärk.
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