Am Montagabend startet die neue Staffel von "Big Brother". 16 Kandidaten ziehen in den Container, stehen für – im Fall des Sieges – 100 Tage lang, täglich 24 Stunden nonstop unter Beobachtung. Unser Redakteur Philipp Scheiner war, gemeinsam mit 15 anderen Neugierigen, zum Probewohnen im TV-Container. Eine Story über verbale Attacken, eine offene Nominierung und eine Kamera auf dem Klo.
Wann hat man schon mal die Chance, in den berühmt-berüchtigten "Big Brother"-Container einzuziehen – mit der inneren Sicherheit, dass man abends trotzdem wieder im eigenen Bett schlafen kann? Natürlich nehme ich das Angebot des "Big Brother"-Produktionsteams an, innerhalb von einem Tag das komplette Container-Erlebnis quasi im Schnelldurchlauf durchzuspielen. Wir sind 16 Kandidatinnen und Kandidaten. Teilweise Journalisten, teilweise Podcaster, aber auch Reality-TV-Teilnehmerinnen und Content Creator.
Schon beim Kennenlernen eine gute Stunde vor unserem Einzug stelle ich schnell fest: "Ah, die Trash-TV-Leute scheinen sich schon gut zu kennen." Ich dagegen kenne niemanden. Die passenden Staffeln von "Bachelor", "Are You the One" und "Temptation Island" habe ich verpasst, auch wenn ich mir sonst schon gerne mal solche Shows ansehe.
Strenge Regeln für das Probewohnen
Vor dem Einzug werden Regeln verlesen. Nicht die Betten benutzen – okay, passt. Überzieh-Slipper für die dreckigen Schuhe nutzen – meinetwegen. Die Duschen stehen zur Verfügung, wenn wir später eine Dusche brauchen – bitte was?! Ich habe heute schon geduscht und habe mein gutes Hemd angezogen. Müssen wir uns in einem Spiel durch den Dreck wühlen? Oder gibt es einen Pool?
Dann der Einzug in Vierer-Grüppchen. Hinter der ersten Tür ist roter Teppich ausgerollt, und dann ertönt sie: die Stimme! "Big Brother" spricht das erste Mal zu uns. Krasses Gefühl. Und: Es ist der "echte" Big Brother, die Stimme aus dem Fernsehen, kein Fake. Es geht wirklich los.
Was folgt, ist ein erstes Beschnuppern, Beobachten, Analysieren. Wo sind Kameras? Überall. Nicht etwa versteckt, sondern offensichtlich platziert. Es gibt nur eine versteckte Cam hinter dem Spiegel im Bad, wie ich später von meinem Mitbewohner Kevin erfahre. Ach ja, Kevin...
Gibt es einen Maulwurf im Haus?
Kevin ist als eine Art Insider dabei. Er arbeitet als PR-Manager für "Big Brother" und sagt, er weiß über den heutigen Tag nahezu genauso wenig wie der Rest. Kann man ihm glauben oder ist er ein Maulwurf? Wäre wahrscheinlich zu offensichtlich... oder doch nicht? Meine Gedanken kreisen.
Der Container selbst kommt einem sofort bekannt vor. Im Außenbereich erkenne ich den Whirlpool wieder, in dem Iris und
Das ist das Zuhause der Bewohner
Ansonsten entdecke ich vor allem eines: noch mehr Kameras. Im Schlafzimmer, in der Dusche – ja sogar im WC. Insgesamt 60 Remote-Kameras, zwölf Atmo-Mikrofone und zehn Kilometer Kabelstrecke für Bild und Ton sorgen dafür, dass der Regie und später den Zuschauern nichts entgehen wird. Hier werden die Bewohner der offiziellen Show für 100 Tage leben. Mitten auf dem WDR-Produktionsgelände in Köln-Bocklemünd.
Alles wirkt sehr sporadisch, Luxus gibt es hier nicht. Stattdessen insgesamt 34 Container. Der Wohn- und Essbereich ist eng für 16 Personen, das Schlafzimmer ("nur benutzen, wenn Euch 'Big Brother' dazu auffordert") wirkt wie ein enges Zimmer einer Jugendherberge, mit Stockbetten und ohne Fenster. Die beiden Duschen sind unkomfortabel, es gibt nur eine Toilette, die man nicht abschließen kann, und der Innenhof ist definitiv zu klein, um eine Joggingrunde zu drehen.
Die erste Gruppenaufgabe von "Big Brother"
"Big Brother" meldet sich zu Wort: "Wählt einen Containerchef. Jetzt!" Vier Personen wollen unbedingt. Eine Influencerin sorgt bei ihrer Bewerbungsrede für eine Szene, die es im normalen Sendebetrieb vermutlich zum Meme geschafft hätte. Ihre Rede beginnt mit dem Versprecher "Ich will Cheferin werden" und endet mit lautem Lachen. Klar, "Cheferin/Schäferin" wird man eher in einem anderen Format – Schäfer Heinrich würde so viel Enthusiasmus aber sicher gefallen. Teamchef wird stattdessen Sanijel, ein Reality-TV-YouTuber.
Dann wird sich aufs Essen gestürzt. Es gibt Eier, Zwiebeln und Kartoffeln zum nachgeholten Frühstück, später Spaghetti mit Pesto oder Tomatensoße. Alle werden gerade so satt. Das gehört wohl zur Experience dazu.
Eine Challenge, für die man Köpfchen braucht – und Lungenvolumen
"Big Brother" kündigt ein Spiel im "Raum der Entscheidungen" an. Es geht um Luftballons, die in beliebigen Farbkombinationen auf einem Bildschirm vor uns für ein paar Sekunden zu sehen sind. Wir müssen uns in Vierer-Teams die Reihenfolge merken, dann die farblich passenden Ballons aufblasen und vor uns anordnen.
Wir verlieren unser Duell. Einen Nominierungsschutz erspielen wir uns dadurch leider nicht. Verdammt, ich könnte hier raus gevotet werden! So sorgt das Spiel für Gesprächsstoff: Einige Spieler fühlen sich um den Sieg betrogen. Immer wieder ploppt das Thema in den nächsten Stunden auf und sorgt zunehmend für Unmut im Container.
Die Sonne kommt heraus. Wir stellen uns nach draußen – gut so, drinnen brennen die Leuchtstofflampen mehr und mehr auf den Kopf. Kevin fragt mich, ob ich die Kameras bereits vergessen habe? Nein, oft genug habe ich in den Stunden vor dem Einzug an die Kameras gedacht. Passiert es trotzdem, dass man mal etwas Unbedarftes sagt? Na klar, sofort. Und das schon nach ein paar Stunden. Kein Wunder, dass nach wenigen Tagen oft das Lästern anfängt. Irgendwann vergisst man die Kameras einfach – oder sie werden einem schlichtweg egal.
Offene Nominierung: Kippt jetzt die Stimmung?
Bis eben haben wir nur darüber gerätselt, ob man bei so einem Probewohnen auch gewinnen kann und ob tatsächlich jemand vorzeitig herausgewählt wird. Eventuell bittet uns der Große Bruder ja nacheinander ins Sprechzimmer? Fehlanzeige. Stattdessen ruft "Big Brother" zu einer offenen Nominierung auf – von Angesicht zu Angesicht. Und ja, man kommt sich irgendwie doof vor, angespannt, etwas verunsichert. Zur Erinnerung: Ich habe durch das verlorene Spiel keinen Nominierungsschutz. Ich bekomme drei Stimmen, allesamt von Kandidaten, mit denen ich bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Einzelgespräch hatte. Ein anderer Teilnehmer bekommt acht Stimmen. Weil er eine Kandidatin harsch angegangen war. Der TV-Zuschauer mag solche Szenen lieben, im Container kam es weniger gut an. Auch meine Nominierungs-Stimme hat er.
Ich stelle mir die Frage, ob wir eine gute Staffel wären? Dank der "Profis" unter uns wahrscheinlich schon. Selbst beim Probewohnen scheinen manche Teilnehmer eine Art Agenda mitgebracht zu haben. Das wird mir immer klarer. Die Reality-TV-Profis sind laut, offensiv, im Vordergrund.
Ich beobachte und analysiere. Vor allem "Promi Big Brother" ist für manche hier ein erstrebenswertes Ziel. Klar, dass das Probewohnen dann als Chance wahrgenommen werden will. Erst als sich unsere acht Stunden im Container langsam dem Ende zuneigen, wird es ruhiger. Statt aufgeregter Gruppen-Diskussionen gibt es immer mehr leise Vieraugengespräche.
Der Auszug: Wer muss als Erstes gehen?
Noch einmal meldet sich der Große Bruder bei uns. Wir sollen uns alle im Wohnbereich versammeln. Es ist Zeit, dass uns ein Kandidat verlässt. Es trifft, wenig überraschend, den von uns Nominierten. Arg sorgen muss er sich darüber aber nicht, denn bereits wenige Minuten später verlässt der nächste Kandidat die Gruppe. Und so geht es im Zwei-Minuten-Takt weiter. Irgendwann trifft es dann mich, als wir noch zu siebt im Raum stehen. "Philipp! Deutschland wartet auf Dich! Verlasse jetzt das Haus!", lauten "Big Brothers" letzte Worte an mich.
Mein Weg nach draußen führt mich ein letztes Mal durch den Wohnbereich hindurch in den Innenhof, vorbei am Whirlpool, rein in den mit rotem Teppich ausgelegten Flur und raus in die Freiheit. Durch das Tor, auf dem bedrohlicher Stacheldraht angebracht ist, und zurück zu meinen ehemaligen Mitbewohnern, die mich mit Applaus empfangen.
Es bleibt die Frage: Würde ich das auch 100 Tage machen? Genauso wie die Kandidaten der neuen Staffel, die nun eine Auszeit von ihrem Job, ihrem Alltag und ihrem Umfeld nehmen? Klare Antwort: Nein. Als Redakteur habe ich täglich mit aktuellen Schlagzeilen zu tun. Mal einen Tag Pause davon... angenehm! Aber 100 Tage auf alles verzichten, was auf der Welt so passiert? Auch auf Familie und Freunde? Muss nicht sein, nicht für mich jedenfalls. Die Erfahrung, einmal im Big Brother Haus gelebt zu haben – wenn auch "nur" für einen Tag –, werde ich trotzdem in bester Erinnerung behalten.
"Big Brother": Start am 4. März
Am Montag, 4. März, startet die neue Staffel von "Big Brother". In genau dem Container, in dem ich acht Stunden lang gelebt habe. Um 20.15 Uhr läuft der Einzug der 16 Kandidaten auf SAT.1, bereits eine Stunde eher startet auf Joyn der 24-Stunden-Livestream, den es die kompletten 100 Tage lang geben wird.
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