Dem Chef mal zeigen, wo der Hammer hängt. Für all die Überstunden, die miese Bezahlung, die ständige Nörgelei - so oder so ähnlich dürften bei nicht wenigen Arbeitnehmern die Gedanken nach Feierabend aussehen. RTL hat daraus eine neue Spielshow gemacht. Bei "Der Chef bekommt die Quittung" tritt ein Firmenboss gegen die Mitarbeiter an. Das ist in etwa so lustig wie der Morgen nach der Weihnachtsfeier.
Studien über die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeitern gibt es viele. So ist zum Beispiel zu lesen, dass es unter Führungskräften überdurchschnittlich viele Psychopathen und Narzissten gibt.
Oder wie wäre es damit: Die Unternehmensberatung Ernst & Young fand in einer Umfrage heraus, dass nur 44 Prozent aller Mitarbeiter in Deutschland ihrem Unternehmen und nur 47 Prozent ihrem Chef vertrauen.
Man könnte noch stundenlang solche Studien wälzen, das Ergebnis ist oft genug auf einen einfachen Nenner zu bringen: Chefs werden nicht Chefs, weil sie das Chef sein besonders gut können, sondern das Chef werden.
Spätestens an dieser Stelle dürfte sich gerade jeder überlegen, wie das denn in der eigenen Firma so ist.
Der Chef zahlt über 55.000 Euro
Die Mitarbeiter der Autohäuser Seitz aus Kempten im Allgäu haben sich solche Gedanken gemacht und entschieden, ihren Chef in der neuen RTL-Show "Der Chef bekommt die Quittung" einmal durch die Mangel zu drehen.
Unter einem Vorwand wird Chef Martin Osterberger-Seitz zu Moderator
Sobald der Chef seine Verblüffung im Griff hat, tritt er gegen seine Mitarbeiter in verschiedenen Spielen an. Gewinnt der Angestellte, zahlt der Chef Sachpreise für die Belegschaft. Alles also nicht allzu kompliziert.
Da muss dann Firmenchef Osterberger-Seitz zum Beispiel gegen den langjährigen Automechaniker mit Boxhandschuhen Autoreifen durch einen Mini-Parcours tragen und anschließend an einem Auto befestigen. Ein anderes Mal duelliert er sich mit der Chefsekretärin, wer die Mitarbeiter besser kennt.
Und weil Chef Martin Spiel um Spiel vergeigt, häuft sich Sachpreis um Sachpreis an. So gibt es einmal Pediküre für all die rauen Arbeiterhände im Wert von 5.000 Euro, einen Riesengrill für schlappe 9.900 Euro, Sofortbildkameras für jeden Mitarbeiter für knapp 10.000 Euro, und, und, und.
Am Ende unterschreibt Chef Osterberger-Seitz Quittungen für über 55.000 Euro.
Quittung ja, aber wofür?
Alles in allem ein Riesenspaß – sollte man zufällig bei den Autohäusern der Firma Seitz im Allgäu arbeiten. Für alle anderen Zuschauer dürfte das bestenfalls ein lauer Fernsehabend gewesen sein. Das Hauptproblem von "Der Chef bekommt die Quittung" ist nämlich, dass man nicht so recht weiß, wofür der Chef denn überhaupt die Quittung bekommen soll.
Ein Seitz-Mitarbeiter mag vielleicht seine ganz persönliche Motivation haben, für den Zuschauer bleibt der Grund aber im Ungefähren. So darf ein Automechaniker mal den Wunsch äußern, dass der Chef doch auch mal hinter die Kulissen gucken sollte. Eine andere Mitarbeiterin findet, dass Martin doch ab und zu mal die Pausetaste drücken sollte. Aber reicht das, um dem Chef zweifelhafte Sachpreise für 55.246 Euro aus der Tasche zu ziehen?
Die Show versucht jedenfalls, eine Kluft zwischen dem ehrgeizigen Chef und den armen Mitarbeitern aufzumachen, was aber nur halbherzig gelingt. Damit stellt sich "Der Chef bekommt die Quittung" selbst ein Bein. Denn das würde nur funktionieren, wenn der Chef wirklich ein Leuteschinder wäre. Den Eindruck machte Martin Osterberger-Seitz aber nicht – sieht man einmal von seinen zweifelhaften Lack-Schühchen ab.
Wäre er aber tatsächlich ein Ekel als Chef, stellt sich die Frage, ob bei so einer Show mitzumachen, die richtige Idee der Belegschaft ist. Ralf Schmitz ist kein Unternehmensberater und eine RTL-Show keine Mediation. Und ob eine Großpackung Sofortbildkameras den Firmenfrieden retten kann, ist ohnehin zu bezweifeln.
Der Zuschauer bekommt die Quittung
Also ist und bleibt "Der Chef bekommt die Quittung" nichts anderes als eine kleine Fernsehabendspielshow. Dass die aber so spannend ist wie Büchsenwerfen auf dem Rummel, liegt neben der bereits erwähnten Betroffenheitslosigkeit des Zuschauers vor allem an den wirklich lauen Spielchen.
Nun muss man an einem Mittwochabend kein Millionenbudget erwarten. Aber ein Rateduell, zu welchem Mitarbeiter ein altes Führerscheinfoto passt oder ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem Gegenstände auf einen Dachgepäckträger zu stapeln sind, ist 2018 nicht unbedingt der neueste Stand des Unterhaltungsfernsehen.
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