Dank der spektakulären Oscar-Panne, als fälschlicherweise "La La Land" zum besten Film gekürt wurde, hat so gut wie jeder schon mal von "Moonlight" gehört. Doch was macht dieses Außenseiterportrait eines schwarzen Jungen so gut? Eine Entscheidungshilfe für Ihren Kinobesuch.
Der Film "Moonlight" erzählt in drei Kapiteln das Leben eines schwarzen Jungen in Miami - jenseits von Strandvillen und Hip-Hop-Partys, in den staubigen Armenvierteln, wo Drogenbosse und Brutalität vorherrschen.
Wer nun ein Gangsterepos oder einen Actionkrimi vermutet, liegt aber falsch. "Moonlight" ist die sensible Charakterstudie eines Außenseiters und handelt vom Erwachsenwerden im heutigen Amerika.
Einmal Außenseiter, immer Außenseiter
Ohne Vater und mit einer drogensüchtigen Mutter (ausdrucksstark:
Doch "Little Chiron" ist anders als die anderen Kinder in seinem Alter: weicher, schüchterner und, wie sich später herausstellt, schwul. Umso erstaunlicher, dass er sich ausgerechnet mit Drogendealer Juan (Oscar als bester Nebendarsteller für Mahershala Ali) anfreundet.
Juan ist ihm nicht nur Vaterersatz, sondern gibt ihm auch eine entscheidende Lebensweisheit mit auf den Weg: "An einem bestimmten Punkt musst du dich entscheiden, wer du sein willst, und niemand kann dir diese Entscheidung abnehmen." Eine Schlüsselszene des Films.
Vom Mobbingopfer zum Muskelprotz
Und im zweiten Kapitel trifft der ältere Chiron (jetzt gespielt von Ashton Sanders) diese Entscheidung - eine weitreichende. Als schmächtiger Teenager wird er von Mitschülern gemobbt und Straßengangs bedroht. Keine guten Bedingungen, um erste sexuelle Erfahrungen mit Klassenkamerad Kevin zu machen - geschweige denn, dazu zu stehen.
Die unerfüllte Liebe findet ein jähes Ende. Energische Streicherklänge bauen Spannung auf und kündigen unausweichlich die dramatischsten Szenen des Filmes an.
Schnitt - Zeitsprung ins letzte Kapitel: Chiron (jetzt Trevante Rhodes) als junger Erwachsener. Erst jetzt offenbart sich das Ausmaß seiner jugendlichen Tat und sein überraschender Werdegang wird deutlich. Einige Szenen dauert es, bis die Geschehnisse der Vergangenheit verdaut sind und bis man "Black", wie sich Chiron nun nennt, erkennt.
Seine Feinfühligkeit und sein treuer Blick hinter der inzwischen muskelbepackten Fassade und der goldenen Gangsta-Zahnspange verraten ihn letztendlich. Dann reißt ihn Kevins Anruf aus seinem neuen Leben und lockt ihn zurück nach Miami. Ist nun die Zeit gekommen, dass alte Wunden heilen und Missverständnisse aus der Welt geschafft werden?
Sind die Oscars gerechtfertigt?
"Moonlight" hat das Potenzial, seine Zuschauer auf eine nachhaltige, wenngleich etwas kühle und distanzierte Art und Weise anzusprechen. Das Indie-Drama kommt oft sperrig und keinesfalls im Hochglanzformat eines Blockbusters daher.
Rassismus, Drogensucht, Homophobie, Ausgrenzung, Kriminalität, Gewalt – vielleicht will Regisseur Berry Jenkins sogar zu viel für 111 Minuten. Dennoch schafft er es, die Zuschauer in den Bann zu ziehen und die Geschichte glaubwürdig und nicht übertrieben zu erzählen.
Das originale Theaterstück trägt den Titel "In Moonlight black boys look blue". Doch das Mondlicht lässt nicht nur alle Schwarzen gleich blau erscheinen, es symbolisiert auch ein strahlendes Leitbild oder den Begleiter auf einer dunklen (Lebens-)Reise.
Der Film handelt von einem Außenseiter und als solcher ging er auch ins Oscar-Rennen. Umso überraschender, dass er neben dem Award für das beste adaptierte Drehbuch, auch den Oscar in der Hauptkategorie "Bester Film" vor einem großen Favoriten gewinnt.
Andererseits: Während "La La Land" "nur" eine Hommage an das alte Hollywood ist, setzt "Moonlight" ein Statement für jegliche Art von Andersartigkeit und gegen Diskriminierung. Allein dafür tut der wichtigste Oscar 2017 diesem Indie-Film richtig gut.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.