"Was tun, wenn ein 'ZDF-Fernsehgarten' zeitlich auf eine Fußball-Europameisterschaft fällt?" Diese Frage hat man sich im ZDF für die jüngste Ausgabe des "Fernsehgarten" an diesem Sonntagmittag gestellt. Eine Frage, die nicht überraschend gekommen sein kann und so wenig unerwartet wie die Frage, war dann auch die Antwort, die Moderatorin Andrea Kiewel und ihr Team darauf gegeben haben – wäre da nicht Andrea Kiewels seltsame Faszination für Urin.
"Hier ist ihr 5:1 am Sonntagmittag", greift der Off-Sprecher das Erstrundenspielergebnis der deutschen Nationalmannschaft vom Freitag auf – es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein – ehe er "Andrea Musiala
"Der Lerchenberg feiert dieses großartige Eröffnungsspiel", behauptet Kiewel und mit einem "Hier sind die Tore" laufen noch einmal die Tore der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland und eine Zuschauerin darf auf Nachfrage erklären, dass ihr das Tor von
Fußball-"Fan" Kiewel: "Ich wusste gar nicht, dass Albanien mitspielt"
Vorher gibt es aber noch eine kleine Vorschau auf das Programm und das sieht vor allem auf der musikalischen Seite deutlich jünger aus als sonst: Lou Bega, The Dark Tenor, Loi,
Aber diese poetische Schlichtheit passt ganz gut zu dem, was
Wir sind eben beim "Fernsehgarten" und nicht beim "Aktuellen Sportstudio" und so fragt Kiewel ihre Gäste keine Experten-Fragen, sondern eben Fragen, die jeder stellen kann, egal, ob er vom Fußball Ahnung hat oder nicht: Wo hast du geguckt? Welches war dein Lieblingstor? Wie ist dein Tipp für Mittwoch? Und als sie zu Sportjournalist
"Sieht man im Fernsehen, wenn ich Pipi ins Wasser mache?"
Diese Fußballsimulation soll eben jeden mitnehmen, auch die, denen Fußball eigentlich wurscht ist. Das zeigt sich dann auch im Rahmenprogramm und da ist ein Mann, der im Flickflack Bälle in ein Tor schießt, noch am dichtesten am Thema dran. Außerdem gibts einen Ausflug zum deutschen Olympia-Beachvolleyball-Team, Sänger Gregor Meyle grillt Tomaten, ein Gedächtniskünstler erinnert sich an Fähnchen-Konstellationen und ein Gärtner zeigt, wie er ein Eckchen im "Fersehgarten"-Garten umgestaltet hat. Und dann gibt es noch einen Programmpunkt, auf den man gut und gerne hätte verzichten können. Nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern wegen der Art, wie Kiewel ihn präsentiert.
Dazu gehen wir zurück in Folge zwei der aktuellen "Fernsehgarten"-Staffel, denn da gestand Kiewel, noch am Morgen vor der Sendung ihrer Mutter aus Trotz in die Dusche gepinkelt zu haben. In dieser Ausgabe nun will Kiewel zusammen mit Leonie Beck, Olympia-Teilnehmerin im Freiwasserschwimmen, ein bisschen im Pool um die Wette schwimmen. Eine nette Idee, die leider während der Show immer wieder von Kiewels merkwürdiger Faszination begleitet wird, irgendwohin zu pinkeln wollen.
Es fängt damit an, dass sie mit Gregor Meyle über den "Fernsehgarten"-Pool spricht und plötzlich meint: "Es wird auch Zeit, dass mal einer rein pullert." Als sie dann später in ebenjenem Pool steht und auf Schwimmerin Beck wartet, fragt Kiewel: "Sieht man im Fernsehen, wenn ich Pipi ins Wasser mache?" Und als dann alles vorbei ist, erklärt Kiewel, immer noch im Neopren-Anzug im Wasser stehend: "Ich hab mich ehrlicherweise die ganze Zeit gefragt: Wenn ich Pipi ins Wasser mache, sieht man das, dass das gelb um mich rum wird oder hält der Anzug alles zusammen? Ich hab mich für Letzteres entschieden und nicht gemacht."
In "Glück und Freude" vereint?
Es ist irritierend, dass Kiewel und das ZDF auf der einen Seite versuchen, im "Fernsehgarten" möglichst alle Menschen irgendwie zu bedienen und Kiewel dann auf der anderen Seite, mit ihren Pinkel-Anspielungen die Leute zu vergraulen droht, für die es eine Selbstverständlichkeit ist, nicht in Pools zu urinieren – erst recht nicht im Fernsehen. Egal, ob es nun ernst oder witzig gemeint war. Sieht man von Kiewels Pipi-Faible ab, war die jüngste Ausgabe genau so, wie man sich einen "ZDF-Fernsehgarten" eben vorstellt, wenn man hört, dass man sich das Motto Fußball-Europameisterschaft gesetzt hat.
Ein bisschen Musik, ein bisschen Rahmenprogramm und einen Hauch Fußball, so menschelnd und niedrigschwellig präsentiert, dass es alle mitnehmen soll. Da haben eigentlich nur noch ein menschlicher Kicker-Tisch und eine Runde Weizenglas-Torwand-Schießen wie einst mit Franz Beckenbauer im "Sportstudio" gefehlt, um die Bierzelt-Stimmung komplett zu machen. Echte Fußball-Fans dürften an der Show dann Spaß gehabt haben, wenn sie ohnehin "Fernsehgarten-Fans" sind und "Fernsehgarten"-Fans dürfte das Fußball-Motto zumindest nicht gestört haben, so schlicht und volksnah wie es hier präsentiert wurde.
"Wann waren wir das letzte Mal alle so in der Freude und im Glück vereint?", versucht Kiewel in dieser Stimmung zwischendurch eine emotionale Gleichgesinnung der Republik herbeizureden – eine Woche, nachdem rechte Parteien mit ihren Ausgrenzungsparolen bei der Europawahl so großen Zuspruch erfahren haben, allerdings eine bemerkenswerte Einschätzung. In der nächsten Ausgabe will Kiewel dann im pinkfarbenen Deutschland-Trikot erscheinen. Das ist gerade auch sehr populär.
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