In Folge zwei von "Germany’s next Topmodel" (GNTM) bietet sich ein gewohntes Bild. Die Kandidatinnen stolpern, müssen sich in albernen Kostümen fotografieren lassen und Heidi Klum ist so einfühlsam wie ein Vorschlaghammer. Doch eines ist diesmal anders.
"Oh mein Goooooott!" Quietschen, Schreien, Trippeln, "Wuuuuuuuuuhhhhhh!" – Folge zwei von GNTM (hier in der Couchticker-Nachlese), und irgendwie ist alles wie immer. Dabei ist doch das erklärte Ziel, in diesem Jahr ganz anders zu sein.
"Diversity" ist das neue Motto der Model-Casting-Show. Nicht, weil die Modebranche oder Casting-Shows ihr Gewissen entdeckt hätte, nein, weil sich das mittlerweile gut verkauft. Also setzt "Germany’s next Topmodel" auch in diesem Jahr wieder verstärkt auf junge Frauen, die früher gnadenlos aussortiert worden wären. Mit Glatze (Julia), Ganzkörper-Tattoo (Mareike), einem Transgender-Hintergrund (Lucy). Gewinnen werden sie die Staffel am Ende natürlich nicht. Aber sie helfen, das Image der Show aufzupolieren.
Die Weichen für mehr Drama
Denn es geht noch immer vor allem darum, viel Unruhe zu stiften. Menschen beim "Geradeaus-Gehen" zuzuschauen, ist nun einmal nur mäßig unterhaltsam. Nach und nach werden die Weichen für möglichst viel Drama gestellt.
Schritt eins: Für das erste Shooting in Costa Rica müssen sich Heidis "Meeedchen" ihre Outfits selbst zusammenstellen. Konkret heißt das, sie bedecken ihre nicht vor 22 Uhr ausstrahlbaren Körperteile mehr schlecht als recht mit Blättern. Die Zusammenfassung von Kandidatin Tamara: "Jetzt steh ich hier embarrassed." Was ihr Deutschlehrer sicher unterschreiben würde.
Schritt zwei: Drei Nachzügler aus Deutschland (das gab es noch nie!) sorgen für Zornesfalten in den sonst so faltenlosen Gesichtern. Getuschel und fieses herüberschauen inklusive.
Schritt drei: Der Fotograf ist auch keine Hilfe. In diesem Fall "Germany’s next Topmodel"-Dauergast
Schritt Nummer vier: Die Nachwuchs-Models treten paarweise gegeneinander an. Warum haben aber noch nicht alle verstanden. Kandidatin Malin: "Das soll nicht so aussehen wie ein Bitch-Fight." Heidi Klum stellt schnell klar, dass genau das der Sinn der Zweierkonstellationen ist.
Wer als "divers" gilt, wird verschont
Kurz darauf hängen die Mädchen an Bändern von Bäumen und versuchen, möglichst verrucht zu schauen. In der Mitte ein Tarzan-Model, das offenbar auch nicht weiß, was das alles soll. Heidi Klum kommentiert gewohnt einfühlsam:
- "Dafür, dass sie 17 Jahre alt ist, stiehlt sie dir ganz schön die Show."
- "Du hängst hier einfach so."
- "Man sieht die Angst in deinen Augen."
Und so weiter und so fort.
Auffällig ist: Die Kandidatinnen, die unter das Prädikat "divers" fallen, werden ungewöhnlich freundlich behandelt. Lucy zum Beispiel, deren Geschlechtsangleichung noch nicht abgeschlossen ist, macht sich Sorgen, dass "mal was rausrutschen könnte". Heidi Klum beruhigt sie liebevoll: "Brauchst dir keine Sorgen machen, das werden wir nicht zeigen." Im Gegensatz zu allem anderen. Die Botschaft von "Germany’s next Topmodel" 2020 ist also: Anders sein ist okay - uns bleibt ja der Rest, um ihn in die Pfanne zu hauen.
Diese Erkenntnis sickert in Folge zwei auch bei den Kandidatinnen durch. Daria ist die erste, die weint. Ihre Partnerin Anastasia hat sich ihrer Ansicht nach beim Shooting in den Vordergrund geschoben. "Du hast mir keine Chance gegeben." Glücklicherweise ist ihre Kontrahentin äußerst verständnisvoll: "Mmm. Hauptsache, wir haben drüber gesprochen." Sie hat das Gespräch schon wieder vergessen. So wie die dazugehörige Kandidatin. Denn gedanklich ist sie schon weiter.
"Victoria’s Secret"-Model Stella Maxwell erscheint, sie übernimmt das Laufsteg-Training in Folge zwei von "Germany’s next Topmodel". "Die Tipps kriegst du halt nirgendwo", sagt eine der Kandidatinnen begeistert. Was auch daran liegen könnte, dass sie außerhalb dieser Show niemanden interessieren.
"Stell dir mal vor, das ist das echte Leben!"
Zähe Minuten folgen, in denen Frauen starr geradeaus gehen, mit imaginären Büchern auf dem Kopf. Schließlich naht die "Eliminaischen" auf einem 80 Zentimeter breiten Steg mit den üblichen desaströsen Ergebnissen. Daria, die schon der Konkurrenzkampf beim Fotoshooting zum Weinen brachte, ist auch beim Walk überfordert. Sie läuft los, dann wieder nicht, dann doch.
Heidi mäkelt: "Stell dir mal vor, das ist das echte Leben!" Was für eine beängstigende Vision. Mit der sich Daria aber nicht mehr herumärgern muss. Die Moderatorin wirft sie aus der Sendung. Nicht, dass sie mit ihrem "Piep, piep, piep, wir ham' uns alle lieb"-Ansatz noch das ganze Konzept von "GNTM" durcheinander bringt.
Schluss ist auch für Charlotte. Ihr "Gesichtsausdruck ist immer der gleiche", bemängelt Heidi Klum. Was daran liegen dürfte, dass es eben auch immer dasselbe Gesicht ist. Zugegebenermaßen in der Promiwelt ein eher ungewöhnlicher Anblick.
Einen noch größeren Faux-pas begeht Nina-Sue: Anstatt ordentlich über ihr Flatterkleid zu stürzen, zieht sie es hoch. Die Model-Albtraum-Mama ist entsetzt: "Das will ja nachher noch jemand kaufen!" Und bekanntermaßen muss jedes Kleidungsstück weggeworfen werden, was schon einmal berührt wurde. Darüber nachdenken kann sie auf dem Flug nach Hause.
"Vielleicht den Kopf einfach mal ausschalten"
Den restlichen Kandidatinnen ergeht es nicht viel besser. Für sie ist der Gang auf dem Runway eher wie ein Besuch beim Orthopäden. "Ganz schlimme Haltung", sagt Heidi zu einer.
Der nächsten wirft sie an den Kopf, dass sie wie ein Frosch laufe. Malin stolpert schließlich, weil sie vorher nicht mit High Heels trainiert hat. Glücklicherweise gibt ihr Heidi Klum und uns allen noch einen guten Rat mit auf den Weg: "Vielleicht den Kopf einfach mal ausschalten." Dann klappt es auch mit dem Laufsteg. Und dieser Fernsehshow.
Auch die 3. Folge von GNTM begleiten wir natürlich wieder in unserem Couchticker.
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