Es wird unscharf bei "Germany's Next Topmodel". Das liegt aber nicht etwa daran, dass ProSieben den Nachwuchsmodels endlich ihre Kleidung zurückgegeben hätte. Nein, der Sender verpixelt in der neuesten Folge von GNTM munter alles, was nicht schnell genug aus dem Bild verschwunden ist: Brüste, Schenkel oder einfach auch Produkte, die keine Werbezeit gebucht haben.
"Glaubst du, dass ich wieder normal werde, wenn ich nach Hause komme?", fragt Kiki direkt zu Beginn von "Germany's Next Topmodel" ihre Mutter am Telefon. Die Antwort ist simpel: nein. Wer den Vertrag für diese Show unterschrieben hat, verabschiedet sich aus der Welt der Normalsterblichen, er ist für den Rest der Menschheit verloren. Das Beste, was diesen verlorenen Seelen nach ihren 30 Sekunden Ruhm noch passieren kann, ist ein Moderationsjob bei "taff". Aber so weit sind die acht verbliebenen Kandidatinnen zu ihrem Glück noch nicht. Stattdessen dürfen sie in der neuesten Folge des Casting-Formats erst einmal ausgiebig heulen.
Es gibt Post von zu Hause. Das scheint ein neuer Trend im Fernsehen zu sein. Egal ob Dschungel, DSDS oder GNTM: Wenn der Postbote zweimal klingelt, werden garantiert sturzbachartig Tränen vergossen. Also packt eine Generation, die es nicht einmal schafft, in Facebook-Beiträgen Groß- und Kleinschreibung zu unterscheiden, Pakete und Briefe aus. Vollkommen spontan und unvorbereitet. Nun gut, Jüli sagt, dass sie sonst nie Liebesbriefe bekommt. Aber das war sicher nur ein Versprecher. Und Anuthidas Freund schreibt nicht gerne. Schwamm drüber. Wenigstens kann er schreiben! Zu allem Überfluss bekommt Kiki als einzige keine Post von zu Hause. Ein sensationeller Einfall der Redaktion! Gleich zu Beginn eine Kandidatin demoralisieren, getreu Stephan Remmler: "Einer ist immer der Loser, einer muss immer verliern'". Gut, die gleiche Idee hatte erst vor kurzem "Deutschland sucht den Superstar", aber was bei Dieter funktioniert, funktioniert auch bei GNTM. Das zu erwartende Ergebnis: Kiki heult.
Alte Männer, die auf Teenies starren
Für echte Emotionen bleibt jedoch kaum Zeit. Die nächste ältere Herrenriege giert nach Frischfleisch, GNTM liefert es ihnen. Die Mädchen müssen leicht bekleidet vor einer Biker-Horde auf und ab stolzieren. Die allzeit bereiten Vollbartträger johlen. Kein Wunder, wer weiß, wie lange sie keine Frau mehr gesehen haben, die sich nicht mit Motoröl die Zähne putzt. Zur Belohnung für dieses peinliche Intermezzo dürfen drei der Mädchen zur New York Fashion Week. Fabelhaft. Noch mehr alte Männer, die auf Teenies starren.
Der Rest der stets hungrigen Truppe übt in der Zwischenzeit eine Tanzchoreografie ein. Was man eben so macht als Model. Dazu fliegt ein hipper Tanzlehrer ein, der offensichtlich die Ärmel seines Shirts zu Hause vergessen hat. Damit das nicht zu langweilig wird, sind Darya und Kiki als erste dran. Eine allzu offensichtliche Kombination, wurde die blonde Münchnerin doch als Zicke für diese Staffel eingekauft. Sie agiert etwa so subtil wie ein Bond-Bösewicht. Das führt zu Sätzen wie: "Halt einfach mal die Fresse, Mädchen!", wobei jede Silbe ausgespuckt wird wie der Billigchampagner aus dem Lidl-Regal. Kiki fliegt am Ende der Show raus und Darya Strelnikova muss sich eine neue Zielscheibe für ihren Spott suchen.
"Mach ihn fertig!"
Doch zurück zur "Challenge". Letzten Endes geht es auch hier nur darum, minderjährige Mädchen möglichst offenherzig zu präsentieren und auf den nackten Waschbrettbäuchen einiger Männermodels die knappen Klamotten trocken reiben zu lassen. Dazu brüllt der Fotograf Anweisungen wie ein Pornoregisseur: "Drück dich ganz nah an ihn ran!", "Knutsch ihn!", "Mach ihn fertig!" Der einzige Unterschied zum horizontalen Gewerbe: ProSieben verpixelt den Intimbereich der Mädchen. Denn das ist in dieser Folge auffällig: Brüste, Schenkel, Schlüpfer, ständig entdeckt der Zuschauer unscharfe Stellen auf seinem Fernsehbild. Zusätzlich dazu retuschiert ProSieben die Logos von Produkten. Was grotesk für ein Format ist, dessen Sendezeit aus minutenlangen Schleichwerbeblöcken besteht. Für den Zuschauer bedeutet das, dass er sich über 135 Minuten immer wieder die Augen reiben muss, weil alles so verschwommen ist. Der einzige Trost: Das ist immer noch besser, als die eigentliche Show zu sehen.
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