Den Älteren ist Hans Rosenthal unvergessen. Was viele nicht über den legendären "Dalli Dalli"-Moderator wissen: Er musste sich zwei Jahre in einem Gartenhäuschen vor den Nazis verstecken. Davon erzählt eine sehenswerte ZDF-Dokumentation.
Es sind Bilder wie aus einer anderen Zeit. Hans Rosenthal steht noch einmal vor Publikum, 1986, nach langer Krankheit. Er bekommt den "Telestar" für sein Lebenswerk verliehen. Schon allein der Name! "Telestar"! Alle Anwesenden sitzen im Frack da, die Bilder sind krisselig, Rosenthal wirkt agil und strahlt, so wie es Zuschauer seit Jahrzehnten kennen.
Der Moderator hofft nach seiner Magenkrebserkrankung auf ein Comeback, doch kurz darauf stirbt er. Das ZDF beginnt so seine Dokumentation "Hans Rosenthal - zwei Leben in Deutschland", die der Sender begleitend zu seinem Fernsehfilm "Rosenthal" am 7. April ab 20:15 Uhr ausstrahlt. Anlass ist der 100. Geburtstag des Entertainers am 2. April.
Mit dem kleinen Themenabend will das ZDF eine Facette von Hans Rosenthal beleuchten, die stets abseits der großen Öffentlichkeit stattfand. Fernsehproduzent und Moderator Hugo Egon Balder, der der Nachbar der Rosenthals war, bringt das in der Dokumentation gleich zu Beginn auf den Punkt. Wie kann es sein, dass ein jüdischer junger Mann im Nachkriegsdeutschland zum beliebtesten Fernsehmoderator werden kann?
Man darf nicht vergessen: Nach dem Zweiten Weltkrieg findet kaum Aufklärung und Verarbeitung der NS-Zeit statt. In Verwaltung, in Regierungsbehörden, in Schulen sitzen immer noch die, die den Nationalsozialismus unterstützt haben.
Zwei Jahre in einer Gartenlaube versteckt
So ist Hugo Egon Balders Frage durchaus berechtigt. Bereits 1933 wird Hans Rosenthal in der Schule von seinen Mitschülern geschnitten, weil er Jude ist. 1937 stirbt sein Vater, 1941 seine Mutter. Rosenthal und sein Bruder Gerd landen im Waisenhaus. Mit 17 Jahren kommandieren die Nazis den späteren Fernsehmoderator zur Zwangsarbeit ab, sein zehnjähriger Bruder wird abtransportiert und kehrt nie zurück.
Wahrscheinlich wurde er erschossen. Rosenthal überlebt als einer der wenigen Juden in Berlin, weil eine ehemalige Nachbarin ihn zwei Jahre lang in einem Verschlag im Garten versteckt.
Nach dem Krieg arbeitet sich Rosenthal vom Laufburschen beim Rundfunk zum Redakteur hoch. Am 13. Mai 1971 startet die Quiz-Show "Dalli Dalli", die ihn zu einem der beliebtesten Unterhalter der Nachkriegszeit macht. Er moderiert 160 Ausgaben, bis ihn seine Erkrankung zum Rückzug zwingt. Doch obwohl Hans Rosenthal so bekannt ist und sich für die jüdische Gemeinschaft engagiert, bekommt die deutsche Öffentlichkeit davon nichts mit – seit 1973 ist er Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden.
Über seine Vergangenheit spricht Rosenthal nicht, die Zuschauer applaudieren dem Moderator, ohne zu wissen, was er erlebt hat. Die Diskrepanz in der öffentlichen Wahrnehmung ist Rosenthal bewusst. In der Dokumentation erzählt sein Sohn Gert, sein Vater habe einmal zu ihm gesagt: "Früher hätten mich einige bestimmt angezeigt, heute bejubeln sie mich."
"Dalli Dalli": Immer an einem Donnerstag
Doch sein Umgang mit seiner Vergangenheit ändert sich. Am 9. November 1978 findet zum ersten Mal in der Bundesrepublik eine zentrale, öffentliche Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht statt, dem Auftakt des Holocaust. Bundeskanzler Helmut Schmidt spricht in der Kölner Synagoge, das ZDF überträgt live. Der Heimatsender von Hans Rosenthal will, dass er an diesem Abend die 75. Ausgabe von "Dalli Dalli" moderiert.
Der Unterhalter interveniert, versucht das ZDF dazu zu bringen, die Ausstrahlung zu verschieben, doch die Verantwortlichen entgegnen, dass das Format immer an einem Donnerstag laufe. Die Dokumentation zeigt, wie Hans Rosenthal auf seine eigene, ganz subtile Weise reagiert. Er moderiert ausnahmsweise im schwarzen Anzug, statt Schlagerstars singt eine Opernsängerin. Bei seiner Abmoderation nennt Rosenthal das Datum, was er sonst nie tut.
Öffentlicher Umgang mit seiner Vergangenheit
Die Ausstrahlung der Show hat Folgen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin kritisiert die Entscheidung, doch das ZDF erklärt, dass die Fernsehzuschauer auch an diesem Tag ein Recht darauf hätten, unterhalten zu werden. Hans Rosenthal zieht daraus Konsequenzen. Der Moderator beginnt öffentlich mit seiner Vergangenheit umzugehen.
Er schreibt eine Biografie mit dem Titel "Zwei Leben in Deutschland", und als er erfährt, dass eine SS-Leibstandarte sich zu ihrem 50-jährigen Bestehen in Bad Hersfeld trifft und der Bürgermeister der Stadt dafür eine Halle zur Verfügung stellt, spricht er das Thema in "Dalli Dalli" an, die Dokumentation des ZDF zeigt den Ausschnitt.
Hans Rosenthal richtet sich an den Bürgermeister und rät ihm, noch einmal darüber nachzudenken. Freundlich, wie immer, aber bestimmt. Nach der Sendung erscheinen 8400 Demonstranten in der Stadt, um gegen die Versammlung zu demonstrieren. Am 10. Februar 1987 stirbt Hans Rosenthal an den Folgen seiner Krebserkrankung, zu einem Comeback wird es nicht mehr kommen. Auf seiner Trauerfeier heißt es, er sei "ein Vorbild für Versöhnung" gewesen. Genauso einen könnte Deutschland heute gut gebrauchen.