Vor vier Jahren schlug Dave Eggers Buch "The Circle" große Wellen. Nicht, weil es ein so großartiger Roman wäre, sondern weil er uns die tägliche Transparenz, in der wir freiwillig leben, vor Augen führt. Heute startet die Verfilmung mit Emma Watson und Tom Hanks – und ist so spannend wie eine hübsche Powerpoint-Präsentation.
"Ja, ich habe die allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und akzeptiere sie." Diesen Satz kennt jeder. Und jeder klickt "Akzeptieren". Und niemand, sind wir mal ehrlich, hat die allgemeinen Geschäftsbedingungen wirklich gelesen.
So sieht es aus, das Leben 2017. Wir alle haben uns auf Bedingungen eingelassen, die wir weder kennen noch verstehen. Das alles machen wir freiwillig, weil es schlicht zu viel ist. Wer will schon bei jeder App, jedem sozialen Netzwerk und jedem Download seitenweise Kleingedrucktes lesen?
Und, auch da müssen wir ehrlich sein: Es ist auch alles viel zu bequem. Es funktioniert ja alles so wunderbar einfach und erleichtert uns den Alltag – und das meiste davon auch noch kostenlos! Aber, und das dämmert uns zumindest manchmal: Nichts ist kostenlos.
Der Preis, den wir für all diese Bequemlichkeiten zahlen, ist die Preisgabe unserer Daten. Jeden Tag. Bei jedem Suchbegriff, den wir eingeben, jeder Webseite, die wir besuchen, jedem Einkauf, den wir machen. 2017, das ist leben, ohne die Geschäftsbedingungen gelesen zu haben.
Schöne neue digitale Welt
Genau diese tägliche Gewinn-und-Verlust-Rechnung von Bequemlichkeit zum Preis der eigenen Privatsphäre ist das Prinzip, nach dem "The Circle" funktioniert. Und diese Rechnung ist im Film so erschreckend, weil sie eben schon längst Realität ist.
Da ist die 24-jährige Mae (Emma Watson), die von ihrem Alltag gefrustet ist. Zuhause der schwerkranke Vater (Bill Paxton), der sich keine ordentliche Behandlung leisten kann - und der dröge Job im Callcenter ist so wie man sich einen drögen Job im Callcenter eben vorstellt.
Da gleicht es einem Lottogewinn, als Maes Freundin sie im hippen Internetgiganten The Circle unterbringt. Dort sieht es so gar nicht nach miefigem Großraumbüro aus, im Gegenteil. The Circle ist der feuchte Traum eines jeden Internet-Startup-Geeks: lichtdurchflutete Büros, Hunde-Yoga, Firmenpartys, Rundumversorgung mit allem Zipp und Zapp und natürlich jede Menge Tech-Innovationen.
Mae steigt schnell auf, bis der charismatische Firmengründer Eamon Bailey (Tom Hanks) sie zu einem Experiment überredet. Und je mehr Mae in die Welt des Circles eintaucht, desto häufiger muss sie die allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren.
Die Botschaft kommt an
Mit jedem neuen Produkt, jeder Innovation will der Circle mehr von der Privatsphäre der Menschen: "Etwas zu wissen, ist gut. Aber alles zu wissen, ist besser", erzählt Bailey seiner Anhängerschar bei einer neuen Produktpräsentation.
Am Ende steht dann die totale Transparenz, mit allen Vorteilen – aber natürlich auch mit allen Konsequenzen. Das ist auch der Part, in dem der Film funktioniert.
Die Botschaft "Ich bekomme etwas, aber dafür zahle ich auch einen Preis" wird dem Zuschauer nämlich regelrecht um die Ohren gehauen mit allen Metaphern und Bildern, die einem nur einfallen können.
Hier die analoge Welt von Maes Eltern, dort der Hightech-Campus. Hier ihr zurückgezogener Freund, dort die hippe Welt mit ihrem ganzen Social-Media-Gedöns. Und dort, wo beide Welten aufeinander treffen, knallt es.
Wenn dieser "Alles hat seinen Preis"-Botschaft erzählerisch ein wenig die Luft ausgeht, setzt der Film aufs Visuelle. Wenn etwa Firmenguru Bailey seine neuesten Errungenschaften vorstellt, dann macht er das natürlich in einer Apple-Keynote-Optik und wenn Mae Rückmeldungen auf ihr Experiment bekommt, dann natürlich über eingeblendete Social-Media-Kommentare.
"The Circle": Schleichfahrt ohne Ziel
Wo der Film visuell überzeugt, da versagt er aber an anderer Stelle. Dann nämlich, wenn er versucht, ein Thriller zu sein. Hier fehlt seiner Spannungskurve das Entscheidende: die Kurve.
Der Film fährt die ganzen zwei Stunden auf der Mittelspur. Nie fährt er rechts ran, aber genauso wenig setzt er zum Überholen an. Selbst
Stattdessen schlingert der Film ziel- und vor allem handlungslos dahin, so dass man am enttäuschenden Ende nicht einmal weiß, ob nun wirklich Schluss ist oder nicht.
"The Circle" ist ein Film, der seine wenig subtile Botschaft ebenso wenig subtil, aber immerhin visuell überzeugend an den Mann bringt. Das taugt immerhin dafür, die Diskussion um den gläsernen Menschen am Laufen zu halten. Zuschauer, denen das aber zu wenig für einen Film ist, werden von "The Circle" enttäuscht sein.
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