Jetzt auch noch Late-Night: Oliver Pocher hat beruflich gerade einen Lauf. Seit er und RTL gemerkt haben, dass Instagram-Pöbelei Aufmerksamkeit bringt, ist Pocher präsenter denn je. Höhepunkt für den Comedian: eine eigene Late-Night-Show. Am Freitagabend ging es los mit "Pocher – gefährlich ehrlich", doch an dem Titel stimmt nur das mit dem Pocher.
So richtig Fahrt nahm die Sache auf, als
RTL reagierte geistesgegenwärtig und machte schnell aus der Streiterei ein TV-Duell, später durften die beiden Streithähne sogar als Team bei "Denn sie wissen nicht, was passiert" gegen Günther Jauch und Barbara Schöneberger antreten.
Pocher hat offenbar gemerkt, dass es sich lohnt, sich auch bei Instagram über andere lustig zu machen und geht dort seitdem als Internet-Sheriff auf Influencer los. RTL hat wiederum gemerkt, dass sich mit Pocher gerade Quote machen lässt und baut die Zusammenarbeit mit ihm aus. "5 gegen
Angesichts der durchaus erfolgreichen Vorgeschichte, die Pocher zu dieser Show verhalf, kann man es dann tatsächlich als gelungenen Einstiegsgag empfinden, dass Günther Jauch zur Einleitung Pocher eine kleine "Menschen, Bilder, Emotionen"-Show inszeniert und darin Pocher als den Gewinner des noch frühen Jahres 2020 mit allerlei Superlativen feiern muss.
Sonst darf Pocher Jauch durch die Shows moderieren, nun geht Jauch vor ihm auf die Knie – wenn auch nur zum Schein. Das ist nicht der Höhepunkt der Fernsehunterhaltung, aber es passt irgendwie zur Situation.
"Pocher – gefährlich ehrlich": "Bei dieser Show ist der Name Programm"
Dann geht es endlich los und für Pochers neue Show hat RTL im Vorfeld mächtig auf die Sahne geklopft: "In dieser Show kriegt jeder sein Fett weg", heißt es da bei RTL und es geht noch gefährlicher: "Bei dieser Show ist der Name Programm! In der neuen Late-Night-Show 'Pocher – gefährlich ehrlich!' nimmt Oliver Pocher garantiert kein Blatt vor den Mund."
Das klingt nach der ganz großen Nummer: eine eigene Late-Night-Show! Angekommen, im Olymp der Fernsehunterhaltung. Auf einer Stufe mit Letterman, Leno, Fallon, zumindest aber mit Harald Schmidt. Man ahnt es: Es ist nicht die ganz große Nummer, es ist noch nicht einmal eine kleine. Genau genommen ist "Pocher – gefährlich ehrlich" noch nicht einmal eine richtige Late-Night-Show.
Klaas Heufer-Umlauf zeigt Pocher, wie es gehen könnte
Auf der Haben-Seite steht zwar die späte Uhrzeit, mit seiner Frau
Pocher hingegen steht den ganzen Abend herum und arbeitet sich an Gags ab und weil ihm selbst dabei der elegante Late-Night-Esprit fehlt, erinnert das Ganze eher an eine Open-Mic-Night. Nun gut, kann man sagen, Pocher macht die Late-Night eben in modern, aber die fehlende Atmosphäre ist leider nicht das Einzige, was "Pocher – gefährlich ehrlich" zu einer gelungenen Show fehlt.
Witze über Verschwörungstheoretiker – mehr nicht?
Denn wo sonst inhaltlich das Weltgeschehen mit dem Filetmesser seziert wird, wird es bei Pocher zum einen monothematisch, zum anderen einfach dünn. Pocher hat sich nämlich für seine Auftaktshow aus seinem Instagram-Account bedient und gibt einfach nur wieder, was da so in letzter Zeit passiert ist. Er zitiert, fasst zusammen, erklärt, wer wann was gesagt beziehungsweise gepostet hat und was er darauf geantwortet hat. Mit anderen Worten: Pocher liest das Internet vor.
Das stellt sich die Frage, für wen das interessant sein soll. Seine Follower kennen das alles bereits und für Fernsehzuschauer dürften die "dann hat er gepostet, dann habe ich geantwortet"-Anekdoten nur Gags aus zweiter Hand sein. Jan Böhmermann hat in der Vergangenheit gezeigt, wie man Internet und Fernsehen clever miteinander verschmelzen kann. Pocher hingegen hätte genauso gut ein Witze-Buch vorlesen können.
Klar, bei der ersten Ausgabe kann noch nicht alles sitzen, live ist es auch schwieriger, aber selbst wenn es in den nächsten Folgen runder laufen sollte, müsste es auch und gerade beim Inhalt ein bisschen vielfältiger werden. Bei "Pocher – gefährlich ehrlich" bekommt entgegen der Ankündigung nämlich nicht "jeder sein Fett weg", sondern in erster Linie aktuelle Verschwörungstheoretiker wie Vegan-Koch Attila Hildmann.
Der ist mit seinen kruden Corona-Behauptungen gerade in aller Munde und natürlich hat Oliver Pocher auch mit ihm gerade Streit auf seinen Social-Media-Kanälen. Das ist humoristisch gesehen natürlich ein Selbstläufer und deshalb nur so leidlich witzig.
Vor allem, weil Pocher keinen raffinierteren Weg findet, als dessen Äußerungen vorzulesen. Wenn Pocher dann auch noch kalauert "Darf man das sagen bei einem Veganer: Ich hab' jetzt Beef mit ihm?" und seine Frau Amira mit "Ich würd' Tofu sagen" antwortet, dann ist das humoristisch schmale Kost.
"Gefährlich ehrlich"? - weder noch
Apropos Amira Pocher. In der Zwischenzeit ist es fast schon üblich, dass die Pochers im TV paarweise auftreten und ebenso ist es üblich, dass Amira Pocher im Anschluss daran über Gebühr gelobt wird. Auch bei "Pocher – gefährlich ehrlich" ist Amira ein Gewinn, denn das Zusammenspiel zwischen Pocher und ihr funktioniert einwandfrei und wenn einer von Olivers Gags nicht zündet, lächelt Amira das charmant weg.
Was sie hingegen nicht weg lächeln konnte, war die Idee, Pochers Uralt-Show "Rent a Pocher" noch einmal aufleben zu lassen. Pocher besuchte dabei das Rote Kreuz in Aalen, ließ sich Blut abnehmen und sang mit Senioren "Marmor, Stein und Eisen bricht". Keine Pointe. Einfallsreichtum sieht irgendwie anders aus.
Da darf man am Ende zu Recht fragen: Was genau war jetzt "gefährlich" oder "ehrlich"? Blut abnehmen lassen? Sich über Verschwörungstheoretiker lustig machen? Das ist weder gefährlich noch ehrlich, das ist Angeln im Aquarium. Wenn er dann auch noch Rache an der "Bild"-Zeitung für deren Besuch bei Sido schwört und seine Follower auffordert, ihm Fälle im Internet oder Fernsehen zu melden, "wo man sagt: Das sollte man mal aufdecken" dann ist Pocher dort angekommen, wo er wahrscheinlich nie hinwollte. Dann ist Pocher der Mario Barth des Internets.
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