In der sechsteiligen Miniserie "Wer wir sind" bildet Lea Drinda gemeinsam mit Franziska Weisz ein charakterstarkes Mutter-Tochter-Gespann. Im Interview mit unserer Redaktion haben die beiden Schauspielerinnen über Klimaaktivismus, die zunehmende Radikalisierung und die Entfremdung der Generationen gesprochen.
Auch wenn Lea Drinda (22) zumindest als Zuschauerin "von Serien so langsam genug hat", wie sie im Interview mit unserer Redaktion verrät, verkörpert sie in "Wer wir sind" eine Hauptrolle. In der sechsteiligen Miniserie (ab Mittwoch, 15. November, ab 20:15 Uhr und Freitag ab 22:20 Uhr im Ersten) bildet die "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"-Darstellerin mit
Unsere Redaktion hat mit den beiden Schauspielerinnen über Klimaaktivismus, die zunehmende Radikalisierung und Entfremdung der Generationen gesprochen. Zudem hat sich Weisz, die seit sieben Jahren an der Seite von
Das Mutter-Tochter-Gespann "Wer wir sind"
In der Miniserie "Wer wir sind" sind Sie beide als charakterstarkes Mutter-Tochter-Gespann zu sehen. Frau Weisz, ist Ihnen Ihre Kollegin Lea Drinda während der Dreharbeiten als Serien-Tochter ans Herz gewachsen?
Franziska Weisz: Auf jeden Fall. Als ich die Drehbücher bekommen habe, wusste ich bereits, dass Lea höchstwahrscheinlich meine Serien-Tochter sein würde. Ihre Besetzung war ein großer Grund für meine Zusage, weil ich sie in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gesehen und sofort ins Herz geschlossen habe. Lea, entschuldige bitte, falls ich dich damit in Verlegenheit bringe, aber ich finde deine Entwicklung von diesem zarten Küken zu einer Frau, die was will, unglaublich. Das mit anzusehen und mitzuerleben, war großartig.
Frau Drinda, wollen Sie die Gelegenheit nutzen und dieses schöne Kompliment an Ihre Kollegin zurückgeben?
Weisz: Das darfst du gerne, wenn du möchtest, musst es aber wirklich nicht (lacht).
Lea Drinda: Ach du, keine Sorge, ich sage immer das, was mir auf dem Herzen liegt. Aber ich kann es wirklich nur zurückgeben. Ich bin ja noch relativ jung und habe nie eine schauspielerische Ausbildung gemacht. Mir als Quereinsteigerin passiert es schon manchmal, dass ich mit gestandenen Kollegen und Kolleginnen in Kontakt komme, die auf einen herabschauen. Wiederum andere meinen es eigentlich gut und wollen einem nur helfen – tun aber genau das Gegenteil davon. Man fühlt sich dann mitunter etwas bevormundet. Bei dir, Franziska, war das aber überhaupt nicht der Fall.
Was unterscheidet Franziska von den Negativbeispielen, die Sie gerade genannt haben?
Drinda: Wir haben uns einfach von vornherein sehr gut verstanden in unseren Ansätzen, wie wir unseren Beruf, also unsere Leidenschaft, ausüben. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns auf Augenhöhe getroffen haben. Ich durfte zeigen, was ich kann – und aufsaugen, was Franziska gegeben hat. Es hat mir echt viel Spaß gemacht, ihr zuzuschauen.
Klimaaktivismus, zunehmende Radikalisierung und Entfremdung der Generationen
In der Serie geht es um Klimaaktivismus, aber auch um Themen wie Generationskonflikt und die zunehmende Radikalisierung. Wie nah sind Sie damit an der Realität?
Drinda: Es ist erstaunlich, wie sich diese Themen bis heute gehalten haben. Man muss nämlich dazu wissen, dass wir die Serie bereits vor rund einem Jahr gedreht haben. Geschrieben wurde sie schon vor zwei, drei Jahren. Alle Konflikte, die in "Wer wir sind" angesprochen werden, haben an Aktualität nichts verloren. Einerseits ist das gut für diese Produktion, weil sie den Nerv der Zeit trifft. Andererseits ist es natürlich erschreckend.
Was ist das eigentlich Erschreckende: diese Aufspaltung in zwei extreme Lager?
Weisz: Ja, es wird schwarz-weiß gezeichnet. Und letztlich ist genau das eine Art der Kriegsführung. Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen: Daraus besteht Propaganda. Anders als zum Beispiel zu Zeiten des Kalten Krieges gibt es heute aber nicht mehr diese zwei Blöcke, die sofort sichtbar sind. Desinformationskampagnen tragen dazu bei, dass jeder seine eigene Realität hat. Ich glaube, dass darin eine noch perfidere Art und Weise besteht, Fronten zu ziehen – weil man diese eben nicht gleich erkennt. Trotzdem werden Feindbilder sehr klar gezeichnet.
Wo liegen die Stärken von "Wer wir sind"?
Weisz: Meiner Ansicht nach liegt die Stärke darin, dass wir den verschiedenen Gruppen individuelle Gesichter, Schicksale, Ängste und Familien geben. Unsere Hoffnung ist, dass wir von dieser Einteilung in "böse Klimakleber", "korrupte Politiker" und "brutale Polizisten" wegkommen und uns stattdessen darauf besinnen, worum es eigentlich geht – nämlich darum, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist.
Drinda: Und darum, dass solche Gruppen durchaus aufeinandertreffen und sich dennoch gernhaben können. In unserem Film trifft das auf die Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Franziska (spielt die Hauptkommissarin Catrin Kagon; Anm. d. Redaktion) und mir in meiner Rolle als Luise (Umweltaktivistin und Catrins Tochter) zu. Obwohl sie auf komplett unterschiedlichen Seiten stehen, können sie sich am Ende doch noch in die Augen schauen.
Die von Ihnen gespielte Luise ist erst 17 Jahre jung – so wie Sie damals, als die Dreharbeiten von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" begonnen haben. Das entspricht nicht wirklich Ihrer von Franziska gelobten Entwicklung, oder?
Drinda: Ich stecke ja seit fünf Jahren in diesem Spielalter fest. Ich bin immer noch die 17-Jährige.
Weisz: Verändere bloß nicht deine Tagescreme.
Drinda: (lacht). Rein strategisch gedacht, ist es für meinen beruflichen Weg sicherlich ein Vorteil, dass ich noch länger jung sein darf. Diese 17-Jährige zu spielen, war aber schon etwas anderes als eine Person zu verkörpern, die zufälligerweise 17 ist. Hier war das Alter ganz entscheidend dafür, was mit der Rolle passiert. Schließlich macht Luise eine komplette Identitätsfindung durch.
Die Politik macht zu wenig, zu langsam
Wie viele Klimaaktivisten ist auch Luise der Auffassung, dass auch vonseiten der Politik zu wenig für die Umwelt getan wird. Stimmen Sie dem zu?
Weisz: Bei Greta Thunberg sind wir am Anfang alle begeistert mitgegangen, während die sogenannten Klimakleber (ich finde das Wort im Übrigen schrecklich) natürlich spalten. Die treten deutlich aggressiver und entschiedener auf – und sie stören. Aber man muss stören, um Dinge zu verändern. Wir Frauen dürften heutzutage immer noch nicht wählen, wenn es keine Frauen gegeben hätte, die auf die Straße gegangen sind und das Wahlrecht erkämpft haben. Es braucht also schon den Protest, er ist nötig und wichtig. Schade ist allerdings, dass die im Stau stehenden Menschen sauer auf die Klimaaktivisten sind. In Wahrheit wendet sich der Protest doch an die Politik, die scheinbar zu wenig, zu langsam macht.
Ist die Politik wirklich zu langsam oder ist das Thema einfach zu komplex – auch weil kleine Erfolge in Bezug auf das Klima für unsere Augen gar nicht wirklich sichtbar sein können?
Weisz: Nehmen wir Barack Obama, der damals den Friedensnobelpreis bekommen hat – ohne zu diesem frühen Zeitpunkt großartig etwas getan zu haben. Er hat diese Auszeichnung in erster Linie erhalten, weil er als erster Schwarzer zum US-Präsidenten gewählt wurde. Letztendlich hat ihn dieser Preis extrem gehindert. Die breite Masse der Amerikaner war enttäuscht von ihm, weil er nicht innerhalb von Monaten alle Probleme beseitigt hat. Wie auch bei uns in Deutschland kommen jetzt die Grünen aus der Opposition in die Regierung und können natürlich nicht im Handumdrehen die Welt verändern. Auch die müssen den einen oder anderen Konsens finden – und das kostet natürlich Zeit. Das wiederum frustriert diejenigen, die die Grünen gewählt und sich davon etwas erhofft haben. Das Schlimmste für mich persönlich ist, für dumm verkauft zu werden. Und ich glaube, dass es vielen Menschen so geht.
Wenn Sie sich wünschen könnten, was die Zuschauer am ehesten aus Ihrer Serie mitnehmen: Was wäre das?
Drinda: Mir fällt es ehrlich gesagt schwer, darauf eine Antwort zu finden. Mich macht so etwas immer etwas sprachlos. Mir ist aber wichtig zu sagen, dass die Klimathematik auch nur ein Teil der Geschichte ist, die wir erzählen. Der zentrale Punkt ist, dass Leute miteinander interagieren oder verstrickt sind, die einfach sehr unterschiedliche und sehr akute Probleme in ihrem jeweiligen Leben haben. Es wäre nicht richtig, hier von einer "Klimaserie" zu sprechen. Dafür haben wir uns mit dem Thema ganz bewusst doch nicht ausreichend genug beschäftigt. Einer meiner Lieblingssätze aus der Serie lautet: "Wir arbeiten nicht gegen unsere Intensivtäter, sondern wir arbeiten mit unseren Intensivtätern." Wir wollen hier also nicht gegeneinander agieren, sondern miteinander auf eine Zukunft hinarbeiten, die für uns alle wertvoll ist. Das würde ich mir persönlich wünschen.
Letzter Fall: Franziska Weisz steigt aus beim "Tatort"
Frau Weisz, im September hat der NDR bekannt gegeben, dass Sie in Zukunft nicht mehr an der Seite von Wotan Wilke Möhring als "Tatort"-Kommissarin ermitteln werden – mit der Begründung, dass die Geschichte der Julia Grosz auserzählt sei. Sehen Sie das anders?
Weisz: Wenn man dem Facettenreichtum einer Figur nicht den angemessenen Raum gibt, dann ist die wohl auch schnell auserzählt.
Immerhin wird es aber noch einen Fall mit Ihnen zu sehen geben, richtig?
Weisz: Ja, das ist korrekt. Den Film hat der wunderbare Max Zähle inszeniert. Es war eine ganz tolle Zusammenarbeit. Ich habe den Film noch nicht gesehen, freue mich aber schon sehr darauf.
Wie werden Sie den "Tatort" in Erinnerung behalten?
Weisz: Ich war sieben Jahre lang "Tatort"-Kommissarin und kann sagen, dass ich in dieser Zeit in die verschiedensten Welten eintauchen konnte. Ich durfte in verschiedensten Gegenden und Milieus recherchieren. Diese Erfahrung hat meinen Blick geweitet, was die Themen unserer Zeit angeht. Es war eine große Bereicherung. Zum Beispiel wusste ich über Themen wie "Menschenhandel" und "organisiertes Verbrechen" bis dahin nicht allzu viel. Die Bundespolizei hat uns bei unserer Arbeit immer sehr unterstützt, wodurch die Filme realistischer wurden. Vor allem aber werde ich die tolle "Tatort"-Community vermissen. Immer noch gibt es so viele treue Fans. Es ist einfach einzigartig – und ich wurde mit offenen Armen aufgenommen. Und noch bin ich dabei. Die Grosz wird ja erst noch beendet …
Frau Drinda, haben Sie "Tatort"-Ambitionen oder gibt es bereits zu viele Kommissare und Kommissarinnen im TV?
Drinda: Ich finde es schön, dass es gewisse Linien und Traditionen gibt. Gerade mit Bezug auf das Fernsehen ist es wichtig, dass wir beständige Formate haben, die nicht nur einfach so daher erzählt werden, sondern eben akute Themen ansprechen. Ich persönlich schaue den "Tatort" nicht so häufig, bin aber begeistert, dass er nach wie vor so präsent ist. Sollte ich irgendwann die Chance bekommen, daran teilzunehmen, wäre ich dabei.
Was schauen Sie anstelle des "Tatorts" gerne?
Drinda: Nehmt es mir bitte nicht übel, aber ich habe von Serien so langsam genug. Es gibt einfach so viele und man verliert so viele Stunden an Zeit. Natürlich gibt es Serien, bei denen es sich lohnt, einzuschalten. Grundsätzlich schaue ich aber lieber Filme – weil ich weiß, dass ich dann innerhalb von zwei Stunden den ganzen Ritt von Anfang bis Ende hinter mich gebracht habe.
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