Nur gute Nachrichten diese Woche beim Tanztee-Event des Jahres. Nach neun Wochen Cha-Cha-Cha mit Frustrationshintergrund sind die Quoten stabil gut und das Teilnehmerfeld dafür von 14 auf sieben Promis halbiert, genauso wie die Kraftreserven einiger Kandidaten, die Haarstyle-Ideen von Jorge González und der BMI von Daniel Hartwich. Und auch vom Entertainment-Standpunkt aus ist diese Woche wieder alles dabei, was sich Publikum und Tanzsender wünschen.
Joachim Llambi bringt mit sehr viel Rouge auf den Wangen und einer pechschwarzen Perücke die genderallergischen Turbopatrioten des Landes auf die Palme, Jorge González schickt mit einer Luke Mockridge Gedächtnis-Telefonbanane eine visuelle Non-Mention an Hazel Brugger und Motsi Mabuse fühlt sich von durchsexualisierten Contemporarys zu ungeplanten Studio-Ovulationen gedrängt.
Bei so guten Vorzeichen wird nicht lange gefackelt und direkt losgetanzt. Noch vor der ersten Werbepause steht Ekaterina Leonova mit ihrem Promi-Beifang Detlef D! Soost auf dem Parkett. Eine echte Reichweiten-Rarität. Den von vielen Fans sehnlichst erwarteten wöchentlichen Balztanz von Ekat, die bereits mehrfach aus Tanz-Allergikern wie Ingolf Lück oder Pascal Hens vollkommen unerwartete "Let´s Dance"-Sieger gedrillt hat und spätestens seit ihren legendären "Playboy"-Fotos als größter Promi des Formats gilt, spart sich RTL üblicherweise Spannungsbogen erhaltend eher für das letzte Viertel seines freitäglichen Showmarathons auf. Heute ist eKat die erste auf dem Parkett. Weihnachten, Ostern und "Bauer sucht Frau"-Finale fallen für echte RTL-Ultras heute auf einen Tag. Ach ja, und noch fürs Protokoll: Ekaterina Leonova war natürlich nie im "Playboy". Ich fand nur die Vorstellung lustig, wie jetzt einige Herren der Y-Chromosom-Schöpfung hysterisch anfangen "Ekaterina Leonova Playboy Pics gratis" zu googeln.
Neben ihr, auch wenn das bei eKat zumeist zur Nebensache degradiert wird, tanzt "Popstars"-Choreograf und Corona-Maßnahmen-Experte Detlef D! Soost. Der hat heute mal wieder seinen Stylisten dabei, der ihn schon für seinen Sensationsauftritt bei "Undercover Boss" vollkommen in die Unkenntlichkeit aufgetakelt hat. Auch heute hat Soost beim Outfit-Check wieder ganz tief in die Kiste mit den kulturellen Aneignungen gegriffen und sich als Straßenräuber Aladdin verkleidet, den man aus diversen Disney-Trickfilmen kennt. Statt einer Wunderlampe hat Soost allerdings einen Aladdin-Bun dabei, gegen den sogar die Haarpracht von Friseur-Entfant-Terrible Jorge González wie der Topfschnitt von Jan Hofer wirkt. Müsste die Jury statt Tanzschritte Frisurelemente benoten, würde der "No Angels"-Vortänzer schon um 20:26 Uhr im Taxi nach Hause sitzen.
Ganz andere Gedanken macht sich der "Affe auf Bike" Ann-Kathrin Bendixen. Bendixen ist norddeutsch und bedeutet so viel wie "Die mit dem Klumpfuß tanzt". Wer sein Leben auf einem einspurigen Kraftfahrzeug mit zwei Rädern verbracht hat (im Volksmund oft Motorrad genannt), der tut sich eben schwer mit in Taktnähe vorzutragenden, grazilen Abfolgen unterschiedlicher Wiegeschritte. Nachdem die Staffel für Anka, wie Tanzprofi Valentin Lusin sie liebevoll nennt, bislang aus weniger Highlights bestand als die aktuelle Zweitligasaison für den HSV, spürt sie vor der heutigen Sendung eine Blockade: "Fünf Millionen Menschen sehen mich tanzen und finden das Scheiße." Was auch ein schöner Titel für die Memoiren von Markus Söder wäre, entlarvt die Brisanz des Abends. Anka möchte sich nicht blamieren. Valentin macht sich da weniger Gedanken. Der haut einfach raus, was er so gerade denkt: "Die Sklaven haben es sich nicht nehmen lassen, sich auszudrücken durch den Tanz!" Was auch immer Südstaaten-Historiker Lusin uns damit sagen will: Interkulturell ist das auch nicht viel akzeptabler als die Frisur von Detlef D! Soost.
Entsprechend angestrengt versucht die Jury, das Tanzfiasko irgendwie nett zu umschreiben. Selbst Kellenpunkte-Sniper Joachim Llambi versucht es moderat: "Samba ist ein hartes Brot!" Und ich Idiotin dachte, Samba ist ein lateinamerikanischer Gesellschaftstanz. Auch Motsi hat Mühe, den Zuschauern zu Hause nicht direkt zu empfehlen, Ann-Kathrin heute mit dem Segen der erlösenden Exmatrikulation zu bedenken, und versucht es leicht verklausuliert: "Man hat erkannt, dass es ein Samba war!" Klingt schon beinahe wie ein Lob. Anka scheint ihr Schicksal akzeptiert zu haben und der herannahenden Demission gelassen ins entgegenzufiebern. Denn die Stimmung ist grandios, als sie ihren, na ja, Tanz beendet hat. Es wird sich sogar fleißig umarmt. Llambi, Hartwich, Swarovski, diverse Mitkandidaten. Kurz denkt man, RTL meldet gleich, dass sich die nachfolgenden Sendungen um etwa 12 Stunden verzögern, weil Ann-Kathrin Bendixen erst noch jeden Zuschauer im weiten Publikumsrund persönlich umarmen muss. Nachdem Chef-Umarmer Biyon Kattilathu letzte Woche die Tanzzelte abbrechen musste aber ein erwartbares Kompensationsverhalten.
Kelly Family Dropout Gabriel Kelly hingegen ist als Kind wohl mal in einen Topf mit Selbstlosigkeitszaubertrank gefallen. Der als gar nicht mehr ganz so Geheimfavorit gehandelte Angelo Kelly Nachwuchs beteuert nämlich mal wieder: "Es geht mir nicht um viele Punkte, es geht um, Menschen zu berühren!" Das klingt auf den ersten Blick erstmal erfrischend romantisch. Beinahe sieht man die annähernd vollständig vor den Bildschirmen erschienenen Zahnarzthelferinnen des Landes, wie sie sich vor Rührung verschämt ein kleines Tränchen aus dem Augenwinkel wischen und sich jemanden wie diesen netten, bodenständigen Gabriel als Schwiegersohn wünschen. Andererseits: "Es geht mir darum, Menschen zu berühren" - das hätte auch von Harvey Weinstein sein können.
Vor lauter Freude über den gelungenen Wiener Walzer kommt Gabriel ein wenig mit den Vor- und Nachnamen durcheinander. Moderatorentalent Daniel verabschiedet er mit den Worten "Danke dir, Hartwich!" Zum Glück fällt er nach 29 Punkten in eine Art Euphorie-Koma und anschließend Co-Host Victoria Swarovski um den Hals, statt sie namentlich anzureden. "Danke dir, Swarovski" wäre wirklich etwas förmlich gewesen. Jana Wosnitza schnappt sich anschließend die volle Punktzahl und die ernährungswissenschaftliche Insider-Information: "Es ist wichtig, viel Wasser zu trinken!" Um diese Notwendigkeit zu unterstreichen, geht sie während der Trainingswoche mit Tanzpartner Vadim Garbuzov Kölsch trinken. Kölsch, das Wasser des Rheinlands.
Bei Mark Keller gerät Watschn-Juror Joachim Llambi dann sogar ins Schwärmen: "Der junge Mark ist wieder vom Himmel gestiegen!" Soll ein Kompliment sein, klingt allerdings etwas nach einem Jesus vom Bodensee. Bodensee – daher kommt Keller ursprünglich. Und falls er am Abend tatsächlich vom Himmel gestiegen sein sollte, kann ich hier Entwarnung geben: Keller erfreute sich auch zuvor bester Gesundheit.
Der Duisburger Straßentänzer Tony Bauer holt mit seinem Paso Doble beachtliche 27 Punkte, erreicht damit aber nicht das Punkteniveau von Sarah Connor Schwester Lulu Lewe. Die bekommt von Altstar Massimo Sinató vor ihrem Contemporary folgende Aufgabe: "Ich will, dass du deinen Verstand raustanzt!" Sympathischer Satz. Vor allem, weil er klar suggeriert, dass Lulu niemals AfD wählen würde. Wäre sie nämlich Anhängerin der inoffiziellen Vertreter des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Chinas, würde ein Tanz, bei dem man sich den Verstand raustanzt, ja nur etwa drei Sekunden dauern.
Lulu kann also bedenkenlos etwas anderes raustanzen. Sexuelles Knistern etwa. Lulu beichtet vor ihrem Contemporary zwar von Angstzuständen, die sie nun vertanzen möchte. Offenbar hat sie allerdings im Wesentlichen Angst vor zu wenig Kopulation. Gemeinsam mit Sexchoreograf Sinató entwickelt sie eine Art FSK 18 Tanznummer, bei dem nach längerer Durststrecke endlich mal wieder das Hemd von Massimo Sinató vom Körper gerissen wird. Mehr Haut als heute Abend gibt es nicht mal auf der Venus. Also, der Messe, nicht dem Planeten. Wir sind ja hier unter Tänzern und nicht unter Astronauten.
Ob Massimos Brusthaartoupet oder der grazile Hebesprung von Lulu mit ihrem Schoß auf Massimos Mund der Grund für juryübergreifende 30 Punkte ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Im direkt anschließenden Jury-Team-Tanz jedenfalls ist Lulu dann in Team "Llambi" und tanzt mit Ann-Kathrin, Llambi und Massimo den Kulttanz des Berlins der 30er Jahre, den Welthit "Cabaret" aus dem gleichnamigen Musical. Viele halten diese Thema- und Musikauswahl für riskant, weil niemand unter 60 das Musical kennt, aber Llambi erinnert sich einfach gerne an seine schönsten Jahre, damals als Student in den 30ern am Kurfürstendamm. Dabei wird nebenbei auch einer der signifikantesten Unterschiede zwischen den Profitänzern recht plakativ demonstriert. Beide Paare tanzen exakt dieselbe Choreografie zu exakt demselben Song und das auch noch gleichzeitig – aber Massimo tanzt oben ohne, während Valentin akkurat gekleidet ist. Zufall oder Chiffre?
Jana und Gabriel tanzen anschließend mit Motsi Mabuse und holen, kleiner Spoiler, den Team-Sieg. Da können auch Tony, Mark und Detlef aus Team González und ihr Michael Jackson Tribute nichts mehr dran rütteln. Team Motsi gewinnt mit fulminanten 61 Prozent der Zuschauer-Anrufe mehr als deutlich. 61 Prozent, oder wie man im Berliner Regierungsviertel sagt: 15-mal FDP. Was zunächst sehr ernüchternd für Fans turbokapitalistischer Blockadepolitik klingt, birgt auf den zweiten Blick aber auch außergewöhnliche Chancen. Wenn das so weitergeht, sehen wir 2025 in der 18. Staffel "Let´s Dance" wahrscheinlich Christian Lindner an der Seite von Katrin Menzinger und Johannes Vogel im Contemporary mit Ekaterina Leonova. Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich ja in weiser Voraussicht vorab nach Europa wegloben lassen und sich damit einige quälende Wochen mit dem hemdlosen Massimo Sinató erspart.
Am Ende trifft es erwartungsgemäß Ann-Kathrin Bendixen. Die kumulierten Punkte aus Einzeltanz, Jury-Team-Tanz und Zuschaueranrufen weisen sie am Tabellenende aus – der gnadenlose finale Rettungsschuss für ihre Tanzkarriere. Wen es von den verbleibenden sechs Paaren kommende Woche trifft, das verrate ich schon nächsten Samstag genau hier. Bis dann!
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