Warum Menschen in Deutschland obdachlos sein können, versteht Schauspielerin Jenny Elvers nicht so ganz. Ihre 72 Stunden auf der Straße im Rahmen des RTL2-Formats "Prominent und obdachlos" hat sie aber durchgehalten. Reality-TV-Teenager Alessia Herren und Ex-Kicker Uli Borowka konnten da nicht mithalten - sie brachen ihr Dasein als Kurzzeit-Unterstandslose vorzeitig ab. "Es ist mir zu schwer, obdachlos zu sein", begründete etwa Herren ihre Flucht ins Warme.
Am Mittwochabend ging das Format "Prominent und obdachlos" in seine zweite Runde. Schauspielerin
Dass es ein Experiment braucht, das nicht mal eines ist, um zu demonstrieren, dass ein Leben ohne Bleibe ein fürchterliches ist, muss eine neue Erkenntnis sein. "Wie gut, dass immer und überall ein Kamerateam dabei ist, sonst könnte man glatt auf die Idee kommen, das sei alles gestellt", war unter anderem auf Twitter zu lesen.
Leben auf der Straße: Bescheidenes Starterpaket für Jenny Elvers
Eine Welt der Kälte statt irgendwas mit Highlife also. Schauspielerin Jenny Elvers, die zwei Jahre selbst dem Alkohol zugesprochen und mit Hilfe eines Entzugs das Problem vor acht Jahren in den Griff bekommen hatte, schickte der Sender auf die Straßen Kölns - ohne Geld, ohne Handy und ohne Zigaretten.
Mit ihrem Starterkit - Isomatte, Schlafsack und Müllsack - startete sie in die Welt der Obdachlosigkeit, wobei ihr der Lockdown nicht gerade in die Karten spielte. Weniger Menschen auf den Straßen heißt nämlich auch weniger Spenden. Dennoch: Die 48-Jährige kommt relativ zügig an ein paar Euro ran, die sie umgehend in das "Notwendigste" investiert. Kinder, lasst das mit dem Rauchen ja sein! "Es ist alles ein bisschen eklig", konstatiert Elvers, als sie einen Schlafplatz sucht.
Dialoge mit Obdachlosen
Überhaupt sei das alles ätzend, ätzt die 48-Jährige. "Du bist den ganzen Tag auf der Suche nach Geld oder guckst, wo du unterkommen kannst." Die persönliche Historie des obdachlosen Sascha, dessen drei Kinder in Jugendheimen leben, berührt die Schauspielerin.
Seine Situation will sie dennoch nicht so ganz verstehen. "Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Ich würde alles daran setzen, dass es nicht so weit kommt", scheint Elvers zu wissen
Das Leben der 40-Jährigen Sabrina, die schon ewig heroin- und alkoholabhängig ist, war ihr zufolge "bereits als Kind eine Katastrophe". Die schon lang auf der Straße Lebende will sich ein Beispiel an der Kurzeit-Unterstandslosen Elvers nehmen, die ihr Alkoholproblem ja trockenlegen konnte.
Die Schauspielerin bewegt das, sieht Sabrina aber als "hoffnungslosen Fall". "Ich glaube immer noch daran, dass man in Deutschland nicht obdachlos sein muss", meint sie am Ende ihrer 72-Stunden-Straßenperformance. Einen Appell an Deutschlands Städte hat sie auch noch bei der Hand: "Mehr öffentliche Toiletten!"
Wachmann schickt Borowka zum Teufel
Auch Ex-Profikicker Uli Borowka, einst ebenso schwerer Alkoholiker, will das Leben auf beinhartem Asphalt kennenlernen. Seine Sucht kostete den damals obendrein Hochverschuldeten fast das Leben. "Ich wollte mich mit einem Cocktail umbringen, bin dann aber nach 22 Stunden Bewusstlosigkeit aufgewacht", offenbart der ehemalige Verteidiger von Werder Bremen, der schon als Aktiver dem Alkohol leidenschaftlich zusprach.
Ein Sportdirekter habe ihn dann aus der Misere geholfen. "Heute will ich wissen, wie die Obdachlosen da so reinrutschen", erklärt "Die Axt", wie Borowka als Kicker oft genannt wurde. Auf den Straßen Frankfurts hat "Die Axt" besonderes Pech: Die Temperatur liegt weit unter Null, und auch der eisige Wind fräst dem Sauerländer beim Suchen eines Schlafplatzes den Frost in den Körper.
In einem Bank-Foyer wird er fündig. Nach 1,5 Stunden in Morpheus Armen schickt ihn dort allerdings ein Wachmann mit einem uncharmanten "Bleiben Sie doch draußen mit Ihrem Arsch" zum Teufel. Das Leben als Straßenpromi kann verdammt hart sein.
"Prominent und obdachlos": Uli Borowka wird angespuckt und bricht das Spiel ab
Auch das Plaudern mit dem Kamerateam bereitet nachts bei Minus 12 Grad nicht extreme Freude. In der Früh wandert Borowka dann zu einer Notstelle der Heilsarmee, die den müden Eisenfuß, der einst alles wegräumte, was sich ihm in den Weg stellte, mit Tee und einem Happen zu essen versorgt.
Generell versteht auch der 58-Jährige nicht so wirklich, wie man hierzulande wohnungslos werden kann. "Ich hab auch Millionen verdient und dann alles verloren. Und dennoch bin ich nicht auf der Straße gelandet", sagt er stolz. Einer Sozialarbeiterin schmeckt das nicht so ganz: "Ich finde, man sollte, wenn einem das nie passiert ist, nicht über andere urteilen", zückt sie die gelbe Karte.
Als Borowka auch in der folgenden Nacht von seinem Schlafplatz vertrieben und dann auch noch angespuckt wird, hat er die Schnauze voll. "Geht nicht mehr, fertig, ich bin durch", sagt er noch, bevor er das Experiment nach zwei Tagen abbricht. "Ich werde zu Hause eine Kerze anzünden, dass ich damals die Kurve gekriegt habe", fügt er noch hinzu.
Alessia Herren nimmt Chihuahua "Gucci" mit
Auch Reality-TV-Teenager Alessia Herren, Tochter von Entertainer, Schauspieler und Schlagersänger Willi Herren folgte dem Ruf des Geldes und ließ sich von RTL-II kurzerhand auf die Straße setzen. "Das wird ein ganz großes Unterfangen für meine Tochter, weil sie ist auch ein bisschen verwöhnt", so der Papa im Vorfeld des "Experiments".
Erstaunlich: Alessia darf Chihuahua "Gucci" mit auf die 72-stündige Gassirunde durch Kiel nehmen, um erst gar keine Einsamkeit aufkommen zu lassen. Das klappt eher suboptimal. "Ich will zu meinem Freund, ich fühl mich so einsam", sagt Frauchen nach ungefähr vier Stunden "Obdachlosigkeit".
Aber auch Konversation ist nicht immer lustig: "Meine Mutter, die ich gepflegt habe, ist letztlich grausam gestorben. Diese Bilder habe ich einst nicht mehr aus meinem Kopf rausbekommen, weshalb ich dann zu Drogen gegriffen und alles verloren habe", hört Alessia vom 53-jährigen Volker, der schon ewig kein Dach über dem Kopf hat.
Auch Alessia und "Gucci" geben auf
"Es ist schon ein hartes Leben", ist Alessia jetzt betroffen. Dass sie ihre Isomatte irgendwo liegen hat lassen, macht ihren Schlafplatz in einem Ladeneingang auch nicht gerade gemütlicher. Und überhaupt: "Die Leute gucken, als wäre ich ein Alien", zetert sie am Rande der Gesellschaft.
"Eine gute Sozialstruktur, ein guter Freundeskreis kann einem in solchen Situationen helfen", weiß Lara, die selbst lange obdachlos war und schließlich dank einer Freundin in einer WG unterkommen konnte. Alessia kann sich kurz mitfreuen. An ihrem Schlafplatz ist die 19-Jährige, deren Hund auch wenig Interesse zeigt, Frauchen da groß zu entertainen, aber schnell wieder fürchterlich einsam.
Schließlich reicht es auch ihr nach 20 Stunden "Ich hab keine Kraft mehr. Es ist mir zu schwer, obdachlos zu sein", sagt sie am Ende ihrer Straßenperformance. Da musste man lachen und weinen gleichzeitig.
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