Mit seinem KZ-Drama "Die Fälscher" gewann der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky 2008 einen Oscar. Fast zehn Jahre und zahlreiche Produktionen später, hat der Wiener einen neuen Film fertiggestellt. "Die Hölle" zeigt Explosionen, brennende Menschen, jede Menge Blut und Verfolgungsjagden im düsteren Wien. Am 19. Jänner feiert der Film Kinopremiere. Wir haben den Stefan Ruzowitzky zum Gespräch getroffen.
Der actiongeladene Film "Die Hölle" ist bald in den Kinos zu sehen. Sind sie mit ihrer Arbeit zufrieden, wie lautet das Director's-Fazit?
Stefan Ruzowitzky: Es ist geworden, was ich mir erhofft habe. Besonders die Hauptfigur. Da gab es große Angst, weil es keine bekannte Schauspielgröße gab. Man musste jemand neues finden. Die Frage war, ob die Darstellerin das physisch und mental durchhält und ob sie den Film trägt. Es gibt genügend Schauspieler, die können spielen und sehen super aus, aber du siehst ihnen nicht gerne 90 Minuten lang zu. Bei diesem Film ist das anders. Obwohl Özge eine schwierige Figur ist und sie sich zunächst nicht öffnet. Genau deshalb: Man will es wissen und bleibt dran.
Die Entscheidung weitgehend mit deutschsprachigen, österreichischen Stars zu drehen war bewusst?
Ruzowitzky: Ja, das ist der Kreuzzug von Allegro-Produzent Helmut Grasser. Er will beweisen, dass man auch hierzulande erfolgreich Genre-Filme machen kann. Das schon so bei "Finsteres Tal" und "In 3 Tagen bist du tot". Das hier ist der urbane Actionfilm. Und ich finde das gut. Es würde mich freuen, wenn man zeigen kann: das kann hierzulande funktionieren.
Warum ist es so schwierig?
Ruzowitzky: Ich halte es für sehr problematisch, dass die junge Generation damit aufwächst, dass gutes Entertainment aus Amerika kommt und aus Österreich maximal eine Komödie. Das ist die Herausforderung, ihnen zu sagen: probiert das mal. Es ist nicht schlechter und auch nicht nur 'ok' für Österreich. Es ist gut und was Härte, Tempo und Dichte betrifft ist alles dabei.
Wie schätzen Sie allgemein die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Filme ein?
Ruzowitzky: Das Niveau der letzten 10 Jahre, in denen wir zwei Oscars gewonnen haben und ein Dutzend Nominierungen hatten, werden wir nicht halten können. Wir haben hier nicht so eine hohe Produktionsdichte. Aber wir haben einen guten Standard. Aber es wird immer auch Produktionen geben, die nicht funktionieren. Einfach weil sie entweder nicht ihr Publikum finden oder weil sie verhaut sind.
Der Film ist ja stellenweise ein Dialektfilm. Wie sehen Sie hier die Chancen international zu reüssieren?
Ruzowitzky: Meine Erfahrung ist, dass man es im angloamerikanischen Raum schwer hat. Das "foreign language"-Publikum will keine synchronisierten Fassungen. Aber man hat Chancen von Japan bis Italien und Frankreich, also in Ländern wo sowieso synchronisiert wird und die Ursprungssprache egal ist.
"Wollten harten Actionfilm, der in der Wirklichkeit verhaftet ist."
Zur Rolle der Hauptdarstellerin: Es steht ja nicht nur die Action im Vordergrund, sondern der Film transportiert durchaus politische Themen wie Gewalt an Frauen, Islam und Integration. War das ein Ziel?
Ruzowitzky: Das entsteht aus der Geschichte. Auch für ein Genre-Publikum will man eine Geschichte erzählen. Man will etwas Neues haben. Ich finde gut, wenn auch ein Genre-Film irgendwo verortet ist. Der Film spielt in Wien und das ist ganz anders als in Chicago oder Madrid. Es kommen die Milieus der Stadt ins Spiel. Aber wir wollten nicht bewusst einen Film über die Probleme einer türkischen Migrantin machen. Wir wollten einen harten Actionfilm, der in der Wirklichkeit verhaftet sein und daher auch authentische Probleme aufzeigen soll. Aber er sollte es eben nicht so vor sich hertragen.
Es ist ja nicht ihr erster Ausflug ins Action-Genre. 2012 haben Sie mit Hollywood-Stars wie Olivia Wilde und Eric Bane "Deadfall" in den USA und Kanda gedreht. Wo ist der Unterschied zu "Die Hölle"?
Ruzowitzky: Man lernt immer was dazu. Action ist etwas sehr Handwerkliches. In Amerika ist es oft so, dass Regieassistenten die Actionszenen choreografieren. Das macht gar nicht der Regisseur. Eben weil das so speziell ist.
War die Ringstraße für diese Zeit gesperrt?
Ruzowitzky: Ja, wir haben das Stück von 10 Uhr am Abend bis 4 Uhr in der Früh bekommen.
Was überrascht: Es sind nicht nur Anleihen aus dem Horror-Genre, sondern auch aus dem Fach der Komödie zu finden.
Ruzowitzky: Humor zwischendurch ist schon seit Shakespeare erlaubt.
Lustig fand ich, dass
Ruzowitzky: (lacht) Das hat sich so ergeben. Markus Ambrosch hatte vor Hund im Drehbuch ursprünglich nach meiner französischen Bulldogge beschreiben, aber das wollte ich nicht. Ich wollte einen schwarzen, ganz alten Hund, passend zum alten Hofrat (der Vater von Morettis Hauptfigur, Anm.). Aber der Tiertrainer hatte dafür nur einen Schäferhund. Der war so alt, dass es nicht garantiert war, dass er den Drehschluss erlebt. Wir mussten das ganz schonend dem Tobias beibringen, der das sportlich genommen hat. Blöd war aber die Szene im Burggarten, als er den Hund einfangen musste. Wir achteten, dass keine Presse dabei ist. Denn das hätte ihn verärgert, wenn Moretti mit Schäferhund auf einer Titelseite gewesen wäre (lacht). Ich habe bisher aber von allen gehört, dass sie es lustig finden. Vor allem, weil er so schroff mit dem Hund umgeht.
Auffallend war auch das kaum vorhandene Profil des Täters. Dass er ein UNO-Mitarbeiter ist, wird erst ganz spät aufgeklärt.
Ruzowitzky: Naja, es ist ja kein Krimi. Bei uns geht es nicht um die Herkunft des Täters. Man bekommt auch nichts von der Ermittlungsarbeit der Polizei mit. Eben weil alles um die Hauptfigur kreist. Ich wollte nicht in ein Tatort-Fahrwasser reinkommen.
Auffallend gegenüber Arthouse Filmen natürlich: die Musik. Hier wurde für einen Genre-Film dennoch viel experimentiert.
Wir haben uns einiges getraut. Gerade bei der Ermordung des Mädchens, wenn die Musik immer wieder abreißt. Es ist ein sehr extremer, dramaturgischer Einsatz. Würde der Film ohne Musik daherkommen, würde er wieder eine ganz andere Art von Horror zeigen, realer werden. Aber genau das will das Genre-Publikum nicht. Da soll das Blut spritzen, auch wenn man weiß, dass es nur ein Spiel ist. Die Musik erinnert dich letztendlich dann immer daran, dass es künstlich ist. Du bist hier quasi im Kasperltheater. Das ist eine ganz eigenartige Balance zwischen Illusion und Wirklichkeit, die man haben will.
"Das ist kein Kunstschaß, sondern real stuff mit Explosionen"
Eine Frage, die sich aufdrängt: Kann "Die Hölle" Kandidat für den Auslands-Oscar sein?
Nicht wirklich. Das wäre sehr unwahrscheinlich. Es ist überhaupt kein Festival-Film und das haben wir auch gar nicht versucht. Der Film soll eben nicht als Arthouse oder Kunstfilm positioniert werden. Wir wollen ein Publikum erreichen, das normal nicht in die europäischen Filme geht. Wir wollen ihnen zeigen: das ist kein Kunstschaß, sondern real stuff mit Explosionen, Verfolgungsjagden, brennenden Frauen. Deswegen machen wir die Premiere auch im Multiplex und nicht im Gartenbaukino. Wir sollen ihnen signalisieren: das ist kein mühsamer österreichischer Kunstfilm.
Also die Mission lautet: Österreich kann Action?
Ja, genau.
Gibt es schon weitere, neue Projekte?
Das nächste wird eine Serie namens '8 Tage' für "sky". Hochdramatisch, nach der neuen Art heutzutage Serien zu machen. Mit Sex und Konventionsbrüchen. Nach dem Motto: Alles, nur kein öffentlich-rechtliches Werk. Etwas, das sich mit internationalen Serien messen kann.
Gibt es mittlerweile Ihr persönliches Lieblings-Genre?
Ich mache gerne Publikumsfilme, wo ich eine gewisse opernhafte Übersteigerung habe. Wo es große dramatische Akzente gibt. Das finde ich sowohl im Genrekino als auch in klassischen Arthouse-Filmen. Ehrfürchtige Angst habe ich vor Komödien, da weiß ich nicht, ob ich mich das einmal traue. Aber wovor ich mich fürchte sind diese Romcom-Filme, auch wenn meine Frau möchte, dass ich einen mache.
Also Schnulzen?
Naja, ich möchte jetzt nichts Böses darüber sagen, ich denke mir viel Böses (schmunzelt). Aber ich finde das große Drama, die Erschütterung viel spannender.
"Die Hölle " ist ab 19. Jänner im Kino zu sehen.
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