Mehr als fünf Millionen Strafdaten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland begangen. Laut aktueller Kriminalstatistik ist dies ein Rückgang um 4,9 Prozent. Auch die Aufklärungsquote steigt. Ein langfristiger Trend? Der Pandemie geschuldet? "stern TV Spezial"-Moderator Steffen Hallaschka wollte am Donnerstagabend in gleich zwei Teilen Antworten auf diese Fragen und zudem auch wissen: "Wie sicher ist Deutschland?", "Wer sind die Täter?" und "Um welche Delikte geht es in erster Linie?" Im Studio: Sänger und Einbruchsopfer Mike Singer, Kriminologe Christian Pfeiffer, der erstaunlicherweise selbst Opfer eines Enkeltricks wurde, ein Stalking-Opfer sowie ein Einbruchsexperte, der reihenweise Eingangstüren in wenigen Sekunden knackte.
Dass Einbrecher eine Erfindung der Sicherheitsbranche sind, weil eh niemand einen persönlich kennt, ist leider nicht mehr als ein unterhaltsames Gerücht was "stern TV Spezial" am Donnerstagabend auch durchaus gut belegen konnte. Nachdem das Format zunächst mal gemeinsam mit der Exekutive im hohen Norden die gefinkelten und schamlosen Taschendiebe am Hamburger Hauptbahnhof ins Visier nahm, ließ man Sänger
Direkt nach dem tanzenden Showdown und an der Hotelbar spielte ihm dann seine Alarmanlage, die die mit dem Handy verbunden war, ein Video ein, das gerade fünf Diebe auf ihrem Beutezug durch ihm überaus vertrautes Terrain zusehen. "Ich war zunächst im absoluten Schockzustand und hab natürlich umgehend die Polizei gerufen", so der Barde, der es damals kaum glauben konnte, als er die Ganoven durch sein Wohnzimmer stapfen sah. Die Polizei konnte sie zwar noch flüchten sehen, verlor sie dann aber umgehend.
Mike Singer und der Türknacker
"Wie mit so etwas umgehen?", wollte Hallaschka dann von der Notfallpsychologin Damaris Braun, die sich zu Singer auf der "stern TV"-Couch gesellte, wissen. "Sie wühlen ja im Intimsten durch. Viele Betroffene putzen dann die ganze Wohnung. Man verändert sein Verhalten im Nachgang", so die Expertin, die auch gleich davon abriet, den Betroffenen Vorwürfe á la "Hättest du mal das Fenster nicht gekippt lassen" zu machen oder den Vorfall groß zu analysieren.
Wichtig sei es zunächst, für die Opfer einfach nur da zu sein. Dass man das Fenster ruhig gekippt, im Grunde wohl auch offen lassen kann, wenn die eigene Haustür ohnedies nicht zusätzlich gesichert ist, demonstrierte anschließend Volker Schirrmacher, Experte für Einbruchsschutz. Ihn ließ "stern TV Spezial" in einem Wohnhaus reihenweise Eingangstüren mit Brecheisen, Schraubendreher, Schlagschlüssel und sogar einer Scheckkarte knacken, was ihm richtig gut gelang und nur wenig außer Atem brachte. Kurzum: Der Mann war sauschnell dabei!
Türe sichern zu lassen, bringt‘s
Denn Schirrmacher war so gut wie überall in nur wenigen Sekunden in der Wohnung. Lediglich an Marianne Berkenbrinks Eingangstür musste sich der "Profiknacker" ganz schön verausgaben. Weil die ihre Tür einst von einen Fachbetrieb sichern hatte lassen. "Was hilft also wirklich?", wollte Hallaschka von Schirrmacher, der sich nach seiner "Tür-Demo" im Studio einfand, wissen. "Hakenriegel machen Türen nachweislich deutlich sicherer. Da liegen wir so um die 800 Euro – je nach Art und Material", so der Experte, der auch bei Fenstern zu mehr Verriegelungsteilen rät, die einfach nachzurüsten seien und auf etwa 400 Euro kommen würden".
Alles, was den Täter länger beschäftigt, sei gut, so der Experte. "Die arbeiten ja nach dem Prinzip ‚faul, feige, schnell‘", verrät Schirrmacher. Natürlich wurden alle Bewohner, deren Eingangstür geknackt und dabei natürlich beschädigt wurden, von RTL mit neuen Sicherheitstüren ausgestattet.
Kriminologe wird Enkeltrick-Opfer
Immer häufiger werden vor allem ältere Menschen in Deutschland durch Fake-Anrufe abgezockt. Ein weiterer Gast im RTL-Format an diesem Abend: Deutschlands vielleicht bekanntester Kriminologe und ehemalige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer. Ausgerechnet Pfeiffer, der live zugeschaltet war, wurde Opfer des sogenannten Enkeltricks. Mit einem emotionalen Schockanruf haben Trickbetrüger, die sich am Telefon als Polizisten ausgaben, den Kriminologen beinah um 55.000 Euro erleichtert. Seine Tochter sei laut der Anruferin in einen Autounfall mit einem Kind verwickelt gewesen sein und benötige das Geld als Kaution, um einer Inhaftierung zu gehen. Zudem sei sie gerade sehr suizidgefährdet, ließ ihn die Dame am Telefon, die natürlich Details wie den Namen der Tochter und die Farbe ihres Autos kannten, wissen.
All das bewegte Pfeiffer dazu, Kontakt mit seiner Bank aufzunehmen. Lediglich durch den zufälligen Ausfall der Technik und seinem Versuch, über die echte Polizei in Hannover Kontakt zu der Person herzustellen, flog der Betrug auf.
Bestens geschulte Täter
"Ich war völlig blockiert und wollte unbedingt verhindern, dass meine Tochter aufgrund dessen, was ihr angeblich widerfahren ist, Selbstmord begehrt", so Pfeiffer auf die Frage, warum er keine Zweifel gehabt habe. Von der Professionalität der Täter ist der Kriminologe noch heute überrascht: "Was die an Täuschung draufhaben, da bin ich voller Bewunderung." Als er damals im Auto unterwegs war, sagte die Trickbetrügerin am Telefon vermeintlich empathische Dinge wie "Fahren Sie jetzt bloß nicht zu schnell in der Panik, die Sie haben" oder "Wir schaffen das gemeinsam".
Marion N., deren Mutter ebenso Opfer des Enkeltricks wurde, ist sich heute noch sicher, dass diese zuvor ausgespäht und quasi bewusst ausgewählt wurde. Hauptkommissar Joachim Ludwig dazu: "Die Regel ist eigentlich, dass die Opfer aus dem Telefonverzeichnis ausgewählt werden. Mitunter werden da zwei Stunden ausschließlich ‚Elisabeths‘ angerufen", so Ludwig, was Pfeiffer auf die Palme brachte. "Ich steh in keinem Telefonverzeichnis und halte das für Unsinn, was Sie gerade erzählen!" Mit dem perfiden Enkeltrick wurden im vergangenen Jahr allein in Berlin rund 600.000 Euro von insgesamt 151 Betagten ergaunert.
Lächerliche Strafen für Stalker
Auch das Thema "Stalking" wurde in der "stern TV Spezial"-Ausgabe am Donnerstagabend noch aufgegriffen, was einen durchaus schockiert zurückließ. Denn: Jener Mann, bei dem etwa Ramona Wegemann einst einfach nur einen Strohballen gekauft hatte und der sie danach zehn Jahre lang und trotz Einschaltens der Polizei unentwegt stalkte, ihren Ehemann körperlich schwer attackierte sowie beide ihr Haus samt dem Gnadenhof für Tiere verlassen ließ, wurde lediglich zu zwei Jahren auf Bewährung und 3.000 Euro Schmerzensgeld, "die wir dann auch noch einklagen mussten", so Wegemann, verurteilt.
Sogar Selbstmordabsichten hatte sie während ihres ewig langen Martyriums, doch sie wollte ihre Tiere am eigenen Gnadenhof – einige von ihnen vergiftete ihr Stalker später – nicht im Stich lassen. Auch Doris Englbrecht wurde über acht Jahre von Stalker Martin S verfolgt. Höhepunkt des Wahnsinns: Der 30-Jährige brach in das Haus ihrer Eltern ein und verletzte dabei den Vater mit einem Messer schwer. Das skandalöse und viel kritisierte Urteil des Landgerichts in Regensburg: 21 Monate auf Bewährung für Martin S. wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und fahrlässiger Körperverletzung. Beide Täter laufen also frei herum.
Stalking-Expertin: "Immer Hilfe holen"
"Leider ist das kein Einzelfall. Auf der einen Seite werden solche Fälle durchaus ernst und immer ernster genommen, auf der anderen Seite ist die notwendige Sensibilität noch lange nicht da", untertreibt Kriminalkommissarin a.D. Sandra Cegla und Stalking-Expertin im Studio. Sie riet Stalking-Opfern dazu, in jedem Fall aktiv zu werden "So schnell wie möglich Hilfe holen und abwägen, ob man zur Polizei geht oder nicht", fügte die die Expertin, die leider nicht erklärte, in welchen Fällen man die Polizei nicht kontaktieren sollte, noch hinzu. "Wenn man es nicht genau weiß, kann man sich beim Opferschutzbeauftragten der Polizei informieren", so Cegla.
Kritik aus dem Virtuellen
Die zwei Folgen von "stern TV Spezial", die zahlreiche Formen der Kriminalität abbildeten und behandelten, lösten bei den Zusehern durchaus unterschiedliche Reaktionen aus. "Mit solchen Beiträgen zeigt man doch nur wie einbrechen am schnellsten funktioniert" und "Gutes Lehrmaterial für zukünftige Einbrecher" nahmen etwa zwei User im Web Rekurs auf die Demonstration des Einbruchsexperten Volker Schirrmacher, der neun Türen in lediglich rund fünfeinhalb Minuten knackte. Andere schien die Doppelfolge eher Angst zu machen: "Ich ziehe nächste Woche in ein freistehendes Haus. Werde jetzt wahrscheinlich eine Festung daraus machen", meinte etwa jemand dazu auf Twitter.
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