In den ersten fünf Viertelstunden der aktuellen "Wer wird Millionär?"-Ausgabe hatte man am Montagabend das Gefühl, vor einem "Ich hab keinen blassen Schimmer und verzock‘ gern alles"-Special zu sitzen. Dass Startup-Gründer und Überhangkandidat Ludwig Bolay bei seiner 500.000-Euro-Frage ins Risiko ging, obwohl er im Grunde keine Ahnung hatte, hat auch in den Sozialen Medien niemand verstanden.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ein Leben, in dem du viele Fehler machst, ist nicht nur ehrenwerter, sondern auch lebenswerter, als ein Leben, in dem du gar nichts machst", meinte einmal der irische Literatur-Nobelpreisträger und Politiker George Bernard Shaw. Ob dessen Worte Ludwig Bolay Trost spenden könnten? Man weiß es nicht. Aber Trost hätte das sympathische, wenn auch etwas theatralische Überbleibsel der letzten "Wer wird Millionär?"-Ausgabe durchaus notwendig gehabt am Montagabend.

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Zunächst war die Welt noch in Ordnung

Der Start-up-Gründer aus Köln fing an sich dort an, wo er zuletzt aufgehört hatte: Er beantwortete Frage um Frage. Stets dabei: Sein Zettelchen, auf dem er sich seine Notizen machte, um visuell nachzudenken. Für 64.000 Euro wusste er etwa, dass Sängerin Taylor Swift als Teenager in die Nähe von Nashville in Tennessee zog, um ihre Musikkarriere zu forcieren. Auch die Kennzeichenkürzel der Städte Heilbronn und Hanau wusste Bolau in Kooperation mit einem Ex-Kandidaten auf der Tribüne. Für 125.000 Euro wollte Jauch dann dies hier von ihm wissen:

Hinter der sogenannten Drei-Speichen-Regel verbirgt sich ein altes Prinzip zum Thema…?

A: Geldanlage

B: Empfängnisverhütung

C: Ernährung

D: Gemüseanbau

"Ich hab eine starke Tendenz zur Geldanlage", ließ der Kandidat danach den Moderator wissen. Der 50:50-Joker, der die Antworten A und C freilegte, motivierte Bolay, der sich jedoch mitnichten sicher war, ins Risiko zu gehen. Maxime: Wurscht! Er ließ beinhart Antwort A einloggen, was sich ökonomisch als vorzüglicher Move erwies. "Man soll sein Vermögen stets in drei Teile teilen: ein Drittel Land, ein Drittel Handelswaren und ein Drittel bar zur Hand", besagt eine uralte Regel der Geldanlage. Bolay konnte es jedenfalls nicht fassen und marschierte im Studio auf und ab. "Sie riskieren hier aber schon einiges", meinte Jauch zum Kandidaten, der nach einem weiteren Glas Wasser verlangte.

Der Anfang vom Ende

Eine Seite hatte der Start-up-Gründer noch frei in seinem Zettelwerk. Also Platz genug, um sich ein paar Anmerkungen zu machen, um die 500.000-Euro-Frage, die jetzt folgte, wieder strukturieren zu können. Jauch las vor:

"Auf die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn sie niemand gestohlen hat", kommt am Ende eines bekannten Märchens die…?

A: goldene Kugel

B: Erbse

C: Spindel

D: böse Hexe

Doch die eigenen Notizen schienen Bolay, der in den Sozialen Medien polarisierte – von "Poah ey, ist der Typ unsympathisch" bis "Irgendwie ein cooler Typ" war dort alles zu finden – nicht mehr wirklich zu helfen. Heißt: Der junge Kölner hatte de facto keinen blassen Dunst, konnte zunächst lediglich die "Erbse" mit dem Märchen "Die Prinzessin auf der Erbse" verknüpfen.

"Ich denke, mit 125.000 Euro kann man viel Gutes bewirken", meinte er deshalb als erstes. Doch dann: ein vermeintlicher Geistesblitz! "Man kann eine 'böse Hexe' ja gar nicht wirklich stehlen" und eine Erbse zu klauen, ergebe ja sowieso keinen Sinn. Die goldene Kugel hingegen, ja, die mache "unfassbar viel Sinn". Warum genau die so "unfassbar viel Sinn" macht? Erfuhr man als Zuseher nicht. Bolay ließ sie jedenfalls einloggen, diese goldene Kugel.

Der tiefe Fall des Kölner Oberzockers

Jauch war ebenso perplex und wollte jetzt von den Ex-Kandidaten auf der Tribüne wissen, was sie von der Antwort des Oberzockers so hielten. Die Daumen gingen nach unten, das Haupt des Kandidaten folgte ihnen. "Die Erbse ist die richtige Antwort", ließ der Moderator den massiv enttäuschten Kölner wissen. "Es gibt ein Leben nach dem Zusammenbruch", gab ihm Jauch noch mit auf die Reise, also zusätzlich zu den 500 Euro.

Der nächste Kandidat: auch ein Risikotyp

Ole Natusch aus Hamburg hatte die Absicht, es besser als sein Vorgänger zu machen. Ob er auch so ein Risikotyp sei, wollte Jauch vom 36-jährigen Lehrer wissen. "Leider ja!", antwortete der knapp. Doch Zocken war vorerst nicht nötig, denn Natusch hielt sich bei den ersten Fragen nur kurz auf und völlig schadlos. Dann die Frage für 4.000 Euro:

Was führte zur Disqualifikation von Jürgen Hingsen bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul?

A: ein Dopingtest

B: zwei Dribbelfehler

C: drei Fehlstarts

D: vier Reifenpannen

"Nicht ganze meine Zeit zwar, aber Jürgen Hingsen war ein Zehnkämpfer mit Schnurrbart", so der Kandidat, der jetzt erstmals seine Problemchen hatte, aber immerhin die Antworten B und D ausschließen konnte. "Vier Joker stehen einem Fehlstart von Ihnen im Wege", winkte Jauch mit dem Zaunpfahl, was Natusch geflissentlich überhörte. "Ich würde Antwort A nehmen", meinte er nur. Und ließ einloggen.

Auch für den patenten Hamburger hatte Jauch keine guten Nachrichten bei der Hand: "Jürgen Hingsen ist damals beim 100-Meter-Rennen ganz schnell wegen dreier Fehlstarts ausgeschieden", klärte der Moderator sein Gegenüber auf. Jauch weiter: "Sie machen auf mich aber den Eindruck, als ob Sie das verkraften könnten". "Verkraften schon, aber es hätte ein netter Abend werden können", so die Antwort Natuschs, der jetzt ebenso mit 500 Euro die Heimreise antreten musste.

Vorweg: Der letzte Kandidat gewinnt mehr Geld

"Escape Room"-Besitzer, freier Trauredner und Heilzerziehungspfleger Tobias Kalbitzer, der wegen einer Schweißattacke noch getupft werden musste, durfte dann auch noch ran. Bei der 500-Euro-Frage geriet der 34-Jährige dann aber erst richtig ins Schwitzen:

Keineswegs mit Vögeln hat man es zu tun, gelangt man im Tierlexikon zu den…?

A: Blesshühnern

B: Höckerschwänen

C: Wisenten

D: Graugänsen

"Keine Ahnung", so der Kandidat knapp. "Sie kommen vom Land in Bayern!?!", zeigte sich Jauch vor dem Hintergrund der einfachen Frage verwundert. "Es könnte heute ein großer Tag für RTL werden. Erster Kandidat mit 500 Euro raus, zweiter Kandidat mit 500 Euro raus, und den dritten Kandidaten schicken wir mit null Euro nach Haus", legte der Berliner nach. Die Ex-Kandidaten auf der Tribüne halfen aus und stimmten zu 100 Prozent für die "Wisenten". Kalbitzers Problem: Von einem Tier namens Wisent hatte er noch nie zuvor gehört.

"Komm mir richtig blöd vor"

Auch danach quälte sich Kalbitzer grosso modo durch den jauch‘schen Fragenkatalog. Dass sich der kürzlich verstorbene Werner Kieser mit seiner Methode des Rückentrainings einen Namen machte, konnte der Schongauer immerhin mit Hilfe des Telefonjokers beantworten. Dass es die Pfälzer sind, die in ihrem Dialekt auf das "f" verzichten, wenn sie über sich selber sprechen ("Pälzer"), wusste Kalbitzer dank dem 50:50-Joker.

"Ich komm mir richtig blöd vor heute. Ich weiß nämlich wirklich gar nichts", gab sich der sympathische Kandidat selbstkritisch. "Es sind schon andere mit weniger durchgekommen", tröstete ihn Jauch. Aber irgendwie kletterte Kalbitzer bis zur 64.000-Euro-Frage. Und die las der Moderator wie folgt vor:

Der Schauspieler, der 2021 den Hauptdarsteller-Oscar erhielt, bekam ihn auch schon mal für seine Hauptrolle in…?

A: Rain Man

B: Besser geht’s nicht

C: Das Schweigen der Lämmer

D: Wall Street

Eine gewisse Affinität zum Film war nicht von der Hand zu weisen, denn die Namen aller Hauptdarsteller der vier Streifen kamen von Kalbitzer wie aus der Pistole geschossen. "Aber ich müsste in diesem Fall wirklich raten, und das ist mir zu heiß", gestand er. 32.000 seien ohnedies wirklich viel, so die letzten Worte des Mannes aus Bayern am Montagabend.

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"Es ist tatsächlich Anthony Hopkins, der für seine Rolle im Film 'The Father' abermals mit dem Oscar ausgezeichnet wurde", klärte Günther Jauch auf. Mit dem Geld möchte Tobias Kalbitzer mit seiner Freundin einen richtig schönen Urlaub machen. "Wir wollen beide in die USA", so Kalbitzer am Ende dieser "Wer wird Millionär?"-Ausgabe.

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