Sitzen unsere Kinder gar nicht im Sandkasten, sondern eigentlich in einer Goldgrube? Jan Böhmermann macht am Freitagabend in seinem "ZDF Magazin Royale" auf ein Problem aufmerksam, das in jüngster Zeit etwas untergegangen ist: Sand.
Klimakrise, Verlust der Artenvielfalt, Überfischung der Meere, Massentierhaltung, Plastikmüll, Rassismus, die ungleiche Verteilung von Geld, Vermögen, Bildung und Lebenschancen, Verlust von ökologischem Lebensraum, und, und, und. Während "die Politik" gerade versucht, der Corona-Pandemie Herr zu werden, treibt der Mensch im Hintergrund die multiplen Krisen der Welt weiter voran.
Nun wäre es ein bisschen unhöflich, wenn man von
Doch bevor es so weit ist, kommt natürlich auch Böhmermann nicht um die Corona-Pandemie herum, konkret um die wechselnden Empfehlungen bezüglich des Astrazeneca-Impfstoffs.
Hier hat Böhmermann eine "Astrazeneca-Empfehlung des Tages": "Geimpft werden sollen ab morgen in Rheinland-Pfalz ausschließlich Cis-Männer unter 25, im Saarland Landräte und Paarhufer bis zu einem Stockmaß von 1,45 Meter. In Bayern dürfen geimpft werden: pubertäre Metzgersöhne mit Schuhgröße 44 2/3, wenn sie beim Impfen an Sputnik denken", witzelt Böhmermann über das Wirrwarr an Empfehlungen.
"ZDF Magazin Royale": "Vor Indonesien verschwinden ganze Inseln"
Danach sind noch die beiden Herren dran, die derzeit Pandemiebekämpfung und Profilierung für eine mögliche Kanzlerkandidatur unter einen Hut bringen müssen:
"Jedes Jahr werden eine Million Kubikmeter Sand mit Hilfe von Saugbaggerschiffen vom Meeresboden auf die Strände gepumpt. Seit 1972 haben die Küstenschützer fast 50 Millionen Kubikmeter Sand aufgefüllt", steigt der Off-Sprecher mit einem kleinen Einspielfilmchen in das Thema der Woche ein.
Aber nicht nur Sylt schüttet sich selbst auf, auf der ganzen Welt wird Sand abgebaggert, wie der Off-Sprecher weiter berichtet: "Indiens Küste wird abgegraben. Vor Indonesien verschwinden ganze Inseln. Und ein Ende des Sandrauschs ist nicht in Sicht."
Jan Böhmermann: "Es geht heute um Sand"
Sand also ist das Problem oder vielmehr der riesige Bedarf an Sand. Denn diesen gibt es, wie Böhmermann kalauert, nicht nur "wie Sand am Meer", er wird auch überall gebraucht und damit rar. "Der Erde geht der Sand aus", "Warum der Sand verschwindet" oder "Sandknappheit: Welche Auswege gibt es aus der Sandkrise?", zitiert Böhmermann Berichte aus den vergangenen Jahren und bringt ein Thema wieder auf die Bildfläche, das immer noch aktuell, aber nicht mehr wirklich präsent ist. Oder wie es Böhmermann formuliert: "Es geht heute um Sand."
"Sand? Ich dachte, Sand ist einfach so da. Wie Wiese oder Spucke. Oder geliebt werden von seinen Eltern", spricht Böhmermann aus, was viele Zuschauer sich beim Thema Sand vielleicht auch denken und deshalb ist es für Böhmermann "Zeit für seriöse Informationen". Und die bringt er dann auch: was Sand ist, woraus er besteht, welche Arten es gibt und auch, dass er nicht nur in Beton steckt, sondern zum Beispiel als Rieselhilfe in Reibekäse beigefügt ist: "Sand ist nach Luft und Wasser der meistgenutzte Rohstoff der Welt" - aber eben endlich und damit irgendwann knapp.
200 Tonnen Sand nur für ein Einfamilienhaus
Zum Beispiel, weil 200 Tonnen davon in einem durchschnittlichen deutschen Einfamilienhaus stecken. Mit anderen Worten: Weil wir in unserer Wachstumsgläubigkeit immer mehr wollen, wollen wir auch immer mehr Sand.
Welche Folgen das unter anderem hat, erklärt Autorin Kiran Pereira, die sich mit der internationalen Sandkrise beschäftigt: "Übermäßige Sandgewinnung kann katastrophale Auswirkungen haben. Wir zerstören damit die letzte natürliche Schutzbarriere gegen den ansteigenden Meeresspiegel."
Das und noch viel mehr, wie zum Beispiel den Meeresboden, die Küsten und nicht zuletzt unsere eigenen Lebensgrundlagen, wie Böhmermann weiter erklärt und dann schlussfolgert: "Der Sandabbau hat weltweit katastrophale Folgen." Neben den ökologischen Folgen hat sich dabei auch ein illegaler Sandraub organisiert, wie Pereira erklärt: "Die Sandmafia ist eine der skrupellosesten und brutalsten kriminellen Organisationen der Welt."
Böhmermann ist keine große Hilfe
Sandmafia, zerstörte Meeresböden und Küsten, 200 Tonnen Sand für den Traum vom Einfamilienhaus – Böhmermann tut gut daran, das Thema aus der Corona-Versenkung geholt zu haben. Doch was tun mit Böhmermanns Informationen? Böhmermann selbst beantwortet diese Frage mit dem Hinweis, dass wir das machen, was wir immer bei existentiellen Problem machen: die Augen vor ihnen verschließen.
Ist das richtig? In Teilen. Ist das hilfreich? Nein, aber es wäre wirklich zu viel verlangt, wenn Böhmermann nicht nur auf ein Problem aufmerksam macht, sondern auch noch Hilfe zur Selbsthilfe gibt.
Aber den ersten Anstoß hat er gegeben und so kann sich der Zuschauer nun selbst auf die Suche nicht nur nach der Lösung dieser, sondern gleich nach der Lösung vieler Krisen begeben. Denn auch die Sandkrise ist, wie alle Krisen dieser Welt, eine systemische.
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