Kennen Sie diese Wegwerf-Staubwedel, die angeblich wie magnetisch den Staub anziehen? Hinter so einem Werbeversprechen steckt natürlich der Wunsch, jedes noch so kleine Staubkorn aus der Wohnung entfernen zu können. Aber ist das überhaupt möglich? Wie gefährlich ist Staub überhaupt? Klingt nach Fragen wie aus der "Apotheken Umschau", aber an diesem Freitag stellt man sie in einer unerwarteten Ecke: dem "ZDF Magazin Royale".

Christian Vock
Eine Kritik
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"Alles voller Staub. Staub, Staub, Staub", stellt Böhmermann am Freitagabend fest, nachdem er mit einem Staubwedel über die Kamera gegangen ist und fährt selbstironisch fort: "Endlich mal ein Thema, mit dem wir uns im ZDF richtig gut auskennen." Aber mit Blick auf den nahenden Boxkampf mit Regina Halmich hat Böhmermann auch einen Seitenhieb auf die Konkurrenz parat: "Staub, was ist das eigentlich? Staub ist ziemlich eingestaubt. Staub ist irgendwie immer schon da und immer, wenn man denkt, man ist ihn los, kommt er wieder. Staub ist wie Stefan Raab."

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Doch damit ist das Thema genug umkreist, Böhmermann zeigt Aufnahmen, "wie es aussieht, wenn man ganz nah ran zoomt an Staub". Für Mikrobiologen sicher spannend, für Menschen mit Hygienefimmel eher unangenehm. Aber es geht noch unangenehmer: "Eine der wichtigsten Beimischungen: Hautschuppen, sowohl menschliche als auch die unserer Haustiere", zitiert Böhmermann eine nicht näher genannte Quelle auf daserste.de über Staub. Dann geht es weiter über Milben, Milbenkot, eingeatmeten Milbenkot und Wollmäuse.

Jan Böhmermann: "Staub will uns Menschen töten"

Aber Böhmermann ist noch nicht fertig: Saharastaub, Atemwegserkrankungen durch Wüstenstaub und "leicht radioaktiven Sandregen", verursacht durch Atombombenzündungen des französischen Kolonialregimes in der algerischen Sahara in den 1960ern. "Staub will uns Menschen töten", unterstellt Böhmermann zwischendrin Sand einen eigenen Willen. Aber was will Böhmermann eigentlich? Wozu dieses doch sehr ungewöhnliche Thema? Wem will er diesmal an den Kragen? Oder anders: Wer ist für all den Staub verantwortlich?

Die ganz einfache Antwort: wir. Weil wir es nicht besser wussten, weil wir es wussten, aber uns nicht drum scherten oder weil uns anderes wichtiger ist. Zum Beispiel Asbest. Ist hochgiftig, wurde aber früher sogar als Kunstschnee in Filmen eingesetzt, wie Böhmermann erklärt. Einen ähnlich guten Ruf hat Feinstaub, wie wir ihn täglich einatmen, genauso wir Ultrafeinstaub, der es nicht nur in die Lungen, sondern sogar bis ins Blut schafft.

"Wir Menschen haben nicht nur Krokettenfett, Restalkohol oder ein außergewöhnliches Rhythmusgefühl im Blut, sondern leider auch Ultrafeinstaub", hält Böhmermann fest und spätestens hier ist klar, dass diese Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" tatsächlich ein TV-Show gewordener "Apotheken Umschau"-Bericht über die Gesundheitsgefahren von Staub ist. Denn Böhmermann klärt weiter auf: "Der größte Teil des Feinstaubs im Verkehr stammt vom Abrieb von Bremsen, Reifen und der Straße. Den verursachen alle Fahrzeuge – egal ob Diesel, Benziner oder Elektroautos", zitiert Böhmermann etwa die "Süddeutsche", dass Feinstaub nicht nur aus dem Kamin, der Pellet-Heizung oder dem Auspuff kommt.

"ZDF Magazin Royale": "Toi, toi, toi, Deutschland!"

"Wenn Rinder oder Schweine nicht auf der Weide, sondern im Stall gehalten werden, vermischen sich oft Kot und Harn. Dabei entsteht Ammoniak […]. Es breitet sich in der Luft aus und kann mit anderen Partikeln zu Feinstaub reagieren", identifiziert Böhmermann via br.de in der Massentierhaltung einen weiteren Feinstaub-Produzenten. Was das alles zusammen bedeutet, dafür hat Böhmermann auch Zahlen parat: "In Deutschland stehen […] 32.300 Todesfälle in Zusammenhang mit zu viel Feinstaub in der Luft", zitiert er aus dem "Spiegel".

Über 30.000 Todesfälle – wie kann das sein? Da muss es doch Grenzwerte geben. Hier zitiert Böhmermann eine Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 6. April 2022: "Heute hat die Kommission […] beschlossen, ein seit 2008 laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Überschreitung von Feinstaub-Grenzwerten zu beenden."

"Deutschland hat es über zehn Jahre nicht hinbekommen, sich an die Feinstaub-Grenzwerte zu halten", hält Böhmermann fest und prophezeit: "Und die Feinstaub-Grenzwerte werden demnächst noch strenger. Toi, toi, toi, Deutschland, dass wir sie dieses Mal schneller einhalten."

Ein frommer wie ironischer Wunsch, denn Böhmermann spielt sofort auf den jüngsten Vorstoß der FDP und ihrem "Pro-Auto-Programm" an: "Die FDP will mehr Autos in den Innenstädten und fordert weniger Platz für Fußgänger und Radfahrer", zitiert Böhmermann aus der "Tagesschau". Und auch für unser Klima hat Böhmermann schlechte Nachrichten, denn Feinstaub verringere die Fähigkeit von Gletschern, Sonnenstrahlen zu reflektieren. Oder wie es Böhmermann in den gelungensten Spruch des Abends verpackt: "Ein verrußter Gletscher ist wie ein Rammstein-Fan – er kann einfach nicht reflektieren."

Eine Staub-Todesspirale?

Weniger witzig ist da Böhmermanns Zusammenfassung: "Wir sind gefangen in der Staub-Todesspirale", erklärt der Satiriker und die sehe so aus: Ruß → mehr Erwärmung → mehr Trockenheit → mehr trockene Böden → mehr Waldbrände → mehr Ruß → und von vorne. Und die Klimaerwärmung sorge für mehr Wüstenbildung – und damit auch mehr Staub. An dieser Stelle eskaliert Böhmermann dramaturgisch in einer Weltuntergangsstimmung und bis hierhin wäre die jüngste Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" tatsächlich ein unterhaltsam aufgebohrter "Apotheken Umschau"-Artikel gewesen – allerdings auch ein unvollständiger.

Aber zum Glück, legt Böhmermann noch Gewichte in die andere Waagschale. "In Staub liegt der Ursprung allen Lebens", erklärt Böhmermann und erwähnt dann die Bedeutung von Staub für ökologische Prozesse wie Regenbildung oder Düngung. Und mit einem "Staub ist unser Untergang und unsere Rettung. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal niesen müssen", macht Böhmermann dann den Deckel auf die neuste, alles andere als staubtrockene, Ausgabe des "ZDF Magazin Royale".

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