Seit Jahren bekommt Fett in der öffentlichen Meinung, nun ja, sein Fett weg. Aber ist Fett wirklich so schlecht wie sein Ruf? Dieser Frage ging Sternekoch Nelson Müller am Dienstagabend im ZDF in seinem "Fett-Kompass" nach. Das Fazit: Fett ist wichtig – solange man ein paar Dinge beachtet.
Makrobiotisch, Low Carb, Freegan, pescetarisch, Paleo, frutarisch, antroposophisch, Fast-Food, Rohkost, vegetarisch, Junk Food, pegan, Clean Eating, vegetarisch, Trennkost, mazdaznanisch, Intervall-Fasten oder natürlich das beliebte Convenience Food, also Fertigessen. Ernährungsweisen gibt es viele. So viele, dass sich mancher fragt: Was ist eigentlich normal? Da wird man natürlich mit einer Antwort wenig Erfolg haben, denn der Junk-Food-Liebhaber wird seinen Ernährungsstil für genauso normal halten wie es ein Vegetarier tut.
TV- und Sternekoch
Worum geht es?
Es geht ums Fett. Genauer gesagt: um das Fett, das in Lebensmitteln enthalten ist. Denn Fett hat einen schlechten Ruf. Nelson Müller will diesen Ruf ein bisschen geraderücken: "Gute Ernährung muss überhaupt nicht kompliziert sein", sagt er, obwohl das erst einmal niemand behauptet hat.
Daher ist dieser Satz wohl mehr als Einleitung von Müllers eigentlicher Motivation hinter der Sendung zu verstehen: "Ich zeige Ihnen, wie man mit Fett gut lebt." Nicht umsonst trägt die Folge den Untertitel "Gut leben mit Burger, Chips und Margarine"; und so will Müller für den Zuschauer herausfinden, warum man zum Beispiel Fett so gerne isst, welcher Ernährungsstil "gesünder" ist oder mit welchen Ölen man kochen sollte.
Wie macht Nelson Müller das?
"Sternekoch Nelson Müller zeigt den Weg zur guten Ernährung", verspricht die Off-Sprecherin und dafür geht Müller dorthin, wo die Lebensmittel hergestellt werden. Zum Beispiel zu einem Kartoffelchips-Hersteller im Allgäu. "Ich schau mir heute mal an, welche Rolle Fett bei Chips spielt", erklärt Müller das Ziel seines Besuchs.
Darüber hinaus interviewt das Team Experten wie Lebensmittelhersteller, Ärzte oder Verbraucherschützer und gibt via Off-Sprecherin Zusatzinformationen, etwa, was gesättigte Fettsäuren sind. Um die Frage zu klären, welche Fette "besser" sind, hat Nelson Müller ein Test-Quiz arrangiert, bei der er Burger in den Varianten mit Fleisch, vegetarisch und vegan kosten lässt.
Was sind die Erkenntnisse?
Es ist ein ganzes Sammelsurium an Wissenshappen, die Müller in seinem "Fett-Kompass" präsentiert. So erklärt der Qualitätsmanager des Chips-Herstellers etwa den Unterschied zwischen seinen "Kesselchips" und klassischen Kartoffelchips: "Normale Chips sind deutlich dünner geschnitten und werden entsprechend bei deutlich höheren Temperaturen frittiert, sodass sie deutlich mehr Fett mitnehmen." Die Off-Sprecherin rechnet es vor: Klassische Chips bestehen demnach zu 34 Prozent aus Fett, Kesselchips "nur" zu 24 Prozent.
Aber warum überhaupt in Fett frittieren? "Fett ist Geschmacksgeber", sagt der Qualitätsmanager und die Off-Sprecherin ergänzt, dass Fett die Aromen so einschließe, dass man sie gut wahrnimmt. Ohne Öl würden die Chips zudem nicht kross werden. Müllers Fazit: "Das Gefährliche beim Frittieren ist einfach: Es schmeckt lecker, aber man spürt das Fett nicht."
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Aber wo ist das Problem? Das erklärt Thomas Budde, ärztlicher Direktor des Alfried-Krupp-Krankenhauses: "Fette braucht man – in geringer Menge. Deswegen ist es wichtig, dass wir die nach Möglichkeit, wenn wir mehr aufgenommen haben, auch verbrennen durch körperliche Arbeit." Da man das aber nicht im Schlaf mache, sei fettes Essen nicht nur wegen der Bekömmlichkeit, sondern auch wegen der Verarbeitung ungünstig.
Doch genau hier machen es einem die Hersteller nicht leicht, wie die Off-Sprecherin erklärt. Denn 15 Prozent der empfohlene Tagesration an Fett wären bereits durch eine Portion Kartoffelchips erreicht. Doch diese eine Portion Chips entspricht bei der getesteten Marke zehn einzelnen Chips. "Das ist natürlich der Trick der Hersteller. Hier rechnen sie ihre Portionen gesund, indem sie besonders klein sind", erklärt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin. Tipp aus der Sendung: Chips nicht direkt aus der Tüte essen, sondern in eine kleine Schüssel umfüllen.
Das Problem: Chips und andere fettige Lebensmittel sind so konstruiert, dass sie es schwermachen, nur die empfohlene Menge zu essen, denn sie basieren laut Sendung auf der sogenannten "Fress-Formel". Nach der aktiviert ein Lebensmittel, wenn es zur Hälfte aus Kohlenhydraten und zu einem Drittel aus Fett besteht, die Sucht- und Belohnungszentren im Gehirn.
Das Beispiel mit den Chips ist ein sehr praktischer, weil lebensnaher Einstieg, da es wahrscheinlich sehr viele Menschen in ihrem Alltag betrifft. Aber der "Fett-Kompass" bietet noch mehr Informationen und Tipps. Ein Überblick:
- Vegetarische und vegane Ernährungsweisen zeigen im Selbsttest in puncto Cholesterin-Werte bessere Ergebnisse als tierische Ernährung.
- Industriell hergestellte Lebensmittel mit vielen gesättigten Fetten sind nicht so toll.
- In Deutschland werden pro Jahr und Kopf 6,3 Kilogramm Butter verzehrt.
- Butter hat mit neun Kilogramm CO2 pro Kilogramm einen großen CO2-Fußabdruck. Besser schneiden hier pflanzliche Alternativen ab.
- Margarine enthält sehr viele Zutaten, Aromen und künstliche Nährstoffe.
- Produkte aus Palmöl oder Palmfett sind problematisch, bei Alternativen wie Kokosöl/-fett gilt es, kritisch zu bleiben, da sie zum Beispiel weniger ertragreich sind und auch für sie mitunter Regenwald abgeholzt wird.
- Heimische Fette wie Sonnenblumenöl haben viele Vorteile wie zum Beispiel ihren Vitamingehalt – wenn sie kaltgepresst und nicht raffiniert sind.
- Raffinierte Öle eignen sich besser zum Braten, kaltgepresste eher für kalte Speisen wie Salate.
- Sonnenblumenkerne bestehen zu 50 Prozent aus Fett.
Das Fazit
Nelson Müllers Fazit: "Fette sind wichtig für eine gesunde Ernährung. (…) Solange wir uns informieren, wie viel und vor allem welche Fette in unseren Lebensmitteln sind. Dann können wir uns auch ganz einfach gesund ernähren." Unser Fazit zur Sendung: Nelson Müller präsentiert in seinem "Fett-Kompass" keine investigativen Neuigkeiten, sondern Basiswissen, das viele so oder so ähnlich bereits gehört haben – viele aber vielleicht ja auch nicht, sonst hätte Fett nicht immer noch diesen schlechten Ruf.
Das mit dem Basiswissen ist nicht weiter schlimm, schließlich wäre mehr in 45 Minuten Sendezeit auch eine Herausforderung. Es reicht, um sich zu den wichtigsten Aspekten einen Überblick zu verschaffen. Kritisch wird es allerdings dort, wo Müller etwas die Definitionsschärfe fehlt und er stattdessen Begriffe wertend und unhinterfragt verwendet. Zum Beispiel bei seiner Frage: "Jetzt gibt es aber tierische Fette und es gibt pflanzliche Fette. Welche sind gesünder und besser, welche sind schlechter?"
Hier stellt sich die Gegenfrage: Was bedeutet "gesünder" und was "besser"? Und für wen? Eine Kuh beispielsweise würde ihr Fett sicher gerne für sich selbst und die Milch für ihre Kälbchen behalten. Das ist nicht moralisierend gemeint, sondern gehört dazu, wenn man über die Qualität von Lebensmitteln diskutiert. Genauso wie der Blick über den Tellerrand der eigenen Gesundheit hinaus. Zum Beispiel bei der Frage nach den Auswirkungen der Lebensmittelproduktion auf Umwelt und Klima – denn letztendlich geht es bei der Klimakrise am Ende auch um die eigene Gesundheit.
Hier gelingt dem "Fett-Kompass" dieser Blick über den Tellerrand, wenn er etwa die Auswirkungen von Massentierhaltung aufs Klima oder die Folgen der Palmölplantagenwirtschaft thematisiert. Das sind dann zwar keine umfassenden Informationen, aber sie laden den Zuschauer ein, sich damit intensiver zu beschäftigen. Viel mehr kann eine Sendung wie diese eigentlich nicht leisten.
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